Der Weg in die Fahrzeugproduktion der Zukunft wird cloudbasiert sein und hoch performante drahtlose Datenübertragungstechnik nutzen.

(Bild: Softing)

Seit vielen Jahren steigt der Elektronik- und Softwareanteil in Fahrzeugen an. Insbesondere vielfältige Assistenzfunktionen sowie die Felder Autonomous Drive, Electrification und Connected-Car-&-V2X steigern die Bedeutung von softwarebasierten Lösungen im Fahrzeug – und auch ihren Umfang. Von ca. 10 Millionen Lines of Code (LOC) in den 2010er-Jahren sind es aktuell zum Teil deutlich über 100 Millionen LOC.

Software-getriebene Fahrzeugentwicklung durch performante Hardware

Der Trend wird sich weiter fortsetzen. Er wird ermöglicht und getrieben durch die stark gestiegene Performance der im Fahrzeug verbauten Hardware. So haben sich über die klassischen ECUs hinaus bereits seit einigen Jahren Domain Controller mit hoher Rechenleistung und zum Teil spezialisierten Prozessorkernen etabliert. Dieser Schritt hat den Bedarf an Softwareentwicklung stark steigen lassen und trägt bereits heute zu einem erheblichen Anteil der Entwicklungskosten bei. Und der nächste Schritt in Richtung zonaler High Performance Cluster wird diese Entwicklung nochmals beschleunigen.

Aus diesen Gründen hat die Bedeutung der Kompetenz Software Engineering bei praktisch allen Fahrzeugherstellern in den vergangenen Jahren erheblichen zugenommen. Die Zunahme von Kooperationen und Joint Ventures zwischen Fahrzeugherstellern (Argo AI, Cruise, Motional) und mit Technologieunternehmen wie Amazon, Microsoft und Google unterstreicht den langfristigen Charakter dieser Veränderung. Da sich moderne Fahrzeug- und Backend-Architekturen immer weiter den bereits seit vielen Jahren existierenden IoT-Architekturen annähern, finden zusehends mehr etablierte IT-Standards und -Technologien Einzug in die Fahrzeugentwicklung.

Bild 1: Wandel der E/E Fahrzeugarchitekturen im Lauf der Zeit.
Bild 1: Wandel der E/E Fahrzeugarchitekturen im Lauf der Zeit. (Bild: Softing)

Die hardware- und softwarebasierten Fähigkeiten eines VCI sind für die Fahrzeugfertigung entscheiden. Durch den Einsatz von Smartphones ist hier eine hohe Performance zu bezahlbaren Preisen möglich, denn diese verfügen über hoch performante CPUs, großen Arbeitsspeicher, schnelle Hardware-Schnittstellen und erprobte drahtlose Datenübertragungstechnik. Indem sie mit einer Peripherie für die Anbindung an die Bestandsbussysteme CAN/FD sowie Schnittstellen für Automotive Ethernet und DoIP ausstattet werden, können sie in der Fahrzeugfertigung genutzt werden.

Branchenspezifische Besonderheiten machen Software-Update zur Herausforderung

Doch die Automobilindustrie weist einige branchenspezifische Besonderheiten auf. Im Fahrzeug zählen hierzu die zahlreichen unterschiedlichen Bussysteme, Schnittstellen und diverse Übertragungsprotokolle. Insbesondere die heterogene E/E-Architektur und die unterschiedlichen Bussysteme machen es schwierig, Ansätze aus der Mobile Device & Cloud IT vollständig auf die Automobilindustrie zu übertragen. Denn während eine DCU oder ein HPC mit hier bewährten Software Update-Methoden aktualisiert werden kann, gilt dies für nachgelagerte Steuergeräte am CAN-Bus nicht. Hier sind weiterhin die über Automotive-Standards etablierten Flashprozesse für ein ECU-Update anzuwenden. Weitere Bussysteme wie FlexRay, LIN und vereinzelt sogar MOST machen die Lage am OBDII-Port noch unübersichtlicher.

Art des Bussystems bestimmt die Dauer eines Softwareaktualisierungsvorgangs

Neben hoch performanten, modernen Onboard-Rechnern, die mittels schneller Ethernet-Verbindungen zu erreichen sind, gibt es zusätzlich noch immer viele CAN oder CAN FD-Verbindungen. Während Ethernet-Verbindungen Datenraten von bis zu 100 MBit/s (100Base-TX) oder gar 1 GBit/s (1000Base-T1) erreichen können, liegen Verbindungen via CAN oder CAN FD höchstens bei 1 Mbit/s (CAN HS) oder bis zu maximal 8 Mbit/s (CAN FD). Bezogen auf die Anzahl verbauter ECUs überwiegt bei Neufahrzeugen aktuell noch immer der CAN-FD-Fahrzeugzugang. Aber der Übergang zu Ethernet ist bereits in vollem Gange. Die Art des Bussystems bestimmt somit maßgeblich die Dauer eines Softwareaktualisierungsvorgangs. Aktuell bewegen sich typische Softwarepaketgrößen für das Flashen aller Steuergeräte eines Fahrzeuges zwischen 50-500 MB. Wenn man sich jedoch vor Augen führt, dass die Softwarepaketgrößen für zukünftige Fahrzeuggenerationen >>1GB liegen dürfte, zeigt sich die Bedeutung des Bussystems. Denn es gilt: Zeit ist Geld!

Bild 2: Relativer Datendurchsatz je Zeiteinheit mit verschiedenen Bussystemen bei großen Datenmengen.
Bild 2: Relativer Datendurchsatz je Zeiteinheit mit verschiedenen Bussystemen bei großen Datenmengen. (Bild: Softing)

Aktuelle Situation in der Fahrzeug-Serienproduktion

Dies gilt besonders in der Fahrzeugproduktion. Daher überrascht es nicht, dass die rasant steigenden Größen der Softwarepakete für die Fahrzeugproduktion eine immense Herausforderung darstellen. Wenngleich jeder Hersteller seine eigene Produktionsstrategie hat, lassen sich viele Parallelen vereinfacht zusammenfassen: Die Montagelinie unterteilt sich in verschiedene Linien- sowie Bandabschnitte für die verschiedenen Bau- und Ausbauschritte bis hin zum auslieferbereiten Fahrzeug, die über Fördertechnik verkettete sind. Die Umfänge für den E/E-Ausbau sowie das nachfolgende Flashen und Testen verteilen sich auf verschiedene Linienbereiche und Bandabschnitte. Die zugehörigen Arbeiten werden an den Arbeitsplätzen entlang der Linie automatisch und/oder manuell vollzogen.

Anschluss an das Bordnetz als Start der E/E-Prozessschritte

Der erstmalige Verbau der jeweiligen Elektronikkomponenten und ihre elektrische Verbindung mit dem Fahrzeugzugang durch Anschluss an das Bordnetz sind die Voraussetzung für die Durchführung von Flash- und Testprozessen an nachfolgenden Arbeitsplätzen. Die Arbeitsdauer an den Arbeitsplätzen wird über die Geschwindigkeit der Fördertechnik der Montagelinie gesteuert. Dabei entspricht die Zeit zwischen dem Einfahren und dem Verlassen des Arbeitsplatzbereichs der Taktzeit. Aktuell wird üblicherweise ab dem Verbau eines zentralen Steuergerätes (oftmals Motorsteuergerät, Gateway oder Headunit) über das Stecken eines Vehicle Communication Interfaces (VCI) eine Wi-Fi-Verbindung zwischen den Testern und den E/E-Systemen des Fahrzeugs hergestellt. Gesteuert durch das Produktionssystem und abgestimmt auf den aktuellen Bauzustand beginnen Test, Flash- und Codierprozesse für das jeweilige Fahrzeug. Die Anzahl und Verteilung dieser E/E-Prozessschritte sind je nach Fahrzeugmodell höchst unterschiedlich. Während einige Hersteller nur an wenigen Bandabschnitten E/E-Prozessschritte vollziehen, nutzen andere fast die gesamte Länge der Montagelinie.

Bild 3: Fahrzeug-Flash in heutigen Fahrzeugproduktionslinien.
Bild 3: Fahrzeug-Flash in heutigen Fahrzeugproduktionslinien. (Bild: Softing)

Steuerung der Arbeitsschritte durch das Produktionssystem

Da jedes Fahrzeug individuell konfiguriert ist, weichen die konkreten Ausprägungen der Arbeitsinhalte von Fahrzeug zu Fahrzeug ab. Die Abfolge der Fahrzeuge und ihre Anpassung an den Montagetakt entspricht dem Fertigungsprogramm. Abgestimmt auf jedes Fahrzeug werden die zugehörigen Bauumfänge und Arbeitsschritte sowie – im Falle der E/E-Umfänge – auch Daten für Flashen, Testen und Codieren in Fertigungsaufträgen abgelegt. Die Steuerung obliegt dem so Produktionssystem, das ein spezialisiertes ERP-System darstellt. Wenngleich der Kern eines Produktionssystems bei fast allen Fahrzeugherstellern eine Standard-Kaufsoftware ist, existieren oft zusätzliche eigenentwickelte Tools, um fahrzeugspezifische Daten bereitzustellen. So muss das jeweilige Produktionssystem verschiedene Datenquellen integrieren. An diesem Punkt existieren oftmals noch Handlungsbedarfe, um einen allgemeingültigen Single Point of Truth (SPOT) für die Fahrzeugproduktion sicherzustellen. Dieser Umstand hemmt die direkte Übertragung von Ansätzen der Mobile Device & Cloud IT weiter.

Aktuelle Ansätze Cloud-Technologien als SPOTs

Natürlich sind diese Herausforderungen in der Automobilindustrie erkannt und es laufen immense Anstrengungen sowie zahllose Projekte zur Etablierung einer digitalisierten Fahrzeugproduktion. Dabei geht es in vielen Fällen darum, eine datentechnische Basis im Sinne eines SPOT und eine Produktionsinfrastruktur zu schaffen, die Daten an der Montagelinie bereitstellt. Aufgrund der großen und sehr heterogenen Datenquellen werden oft Cloud-Technologien als SPOTs genutzt. Ihr Vorteil ist, dass sie auf erprobte Prozesse, Methoden und Tools für

  • Versionsmanagement sowie Distribution und Update von Software bzw. Daten,
  • die Erfüllung von Performanz-, Verfügbarkeits-, Backup- und Security-Anforderungen,
  • Skalierbarkeit und Automatisierbarkeit und
  • die flexible Erweiterungs- und Migrationsmöglichkeit

aus der IoT aufsetzen kann.

Datenübertragungstechnologien Wi-Fi 6 und 5G

Ergänzt wird der Weg in Richtung Cloud Computing um neue Datenübertragungstechnologien wie Wi-Fi 6 und 5G. Sie erlauben Übertragungsgeschwindigkeiten von 10 GBit/s und mehr (5G). Während Wi-Fi in vielen Produktionen bereits anzutreffen ist, wurde die Erprobung von 5G-Campus-Netzwerken in Europa erst in den letzten Jahren begonnen. Welche Technologie die größeren Vorteile bietet, hängt vom Anwendungsfall, den konkreten Umgebungsbedingungen sowie vom Einsatzort ab. Da die jeweiligen 5G-Lizenzen durch nationale oder regionale Behörden vergeben werden, gibt es Unterschiede der im Rahmen von Campusnetzwerken nutzbaren Frequenzbänder – bis hin zur Einschränkung von Campusnetzen generell. Aktuell lässt sich noch keine Aussage treffen, welche Technologie sich mittelfristig in der Fahrzeugproduktion durchsetzen wird. Eines ist allerdings eindeutig: Der Weg in die Fahrzeugproduktion der Zukunft wird cloudbasiert sein und hoch performante drahtlose Datenübertragungstechnik nutzen.

Optimierung der Übertragungswege ins Fahrzeug

Auch auf der Fahrzeugseite geht die Entwicklung rasant weiter. Aktuelle Fahrzeugprojekte setzen neue Architekturkonzepte um, nutzen HPCs und sehen hoch performante Fahrzeugzugänge vor. Während die neuen Fahrzeuge nach ihrer Auslieferung über entsprechende Connectivity-DCUs oder -HPCs direkt mittels 5G angesprochen werden können, besteht diese Möglichkeit an den vielen Arbeitsplätzen in der Fahrzeugproduktion nicht. Denn DCUs oder HPCs ohne eine vollständige E/E-Umgebung funktionieren oftmals noch nicht vollständig. Damit werden sie auch in Zukunft vermutlich erst nach Erreichen der Montagelinien-Halbzeit erste Aufgaben übernehmen können. Insofern bleiben in den kommenden Jahren die Übertragungswege in das Fahrzeug der zeitbestimmende Engpass. Daher gilt es, ihn zu optimieren.

Unter der Annahme, dass auf der Onboard-Seite schnelle Ethernet-GBit-Busse und -Protokolle wie 1000Base-T, 10GBase-x/T eingesetzt und bereits in der Produktion zum Beispiel für Flashvorgänge ausgenutzt werden müssen, sind Fahrzeugschnittstelle und VCI zukünftig ebenfalls mit entsprechenden Fähigkeiten auszustatten. Während der Fahrzeugzugang via OBDII-Port mittels Diagnostics-over-IP (DoIP) aktuell für maximal 100 MBit/s (100Base-TX ) spezifiziert ist, prüfen einige Hersteller bereits separate Hochgeschwindigkeits-Zugänge via BroadR-Reach für die Fahrzeuge. Diese würden Übertragungsgeschwindigkeiten von 1.000 MBit/s und mehr erlauben. Demgegenüber sind heutige VCIs, die an den OBDII-Port gesteckt werden, oftmals deutlich langsamer. Hier werden über CAN FD maximal 8 MBit/s und via DoIP maximal 100 MBit/s erreicht. Daher stellt sich die Frage, wie diese Übertragungsgeschwindigkeiten spürbar gesteigert werden können. Und die Antwort lautet: Durch performantere Hardware!

Bild 4: Engpass Datenübertragung ins Fahrzeug.
Bild 4: Engpass Datenübertragung ins Fahrzeug. (Bild: Softing)

Hardware- und softwarebasierten Fähigkeiten eines VCIs

Performantere Hardware ist allerdings nur eine notwendige Bedingung für die tatsächlich erreichte Geschwindigkeit bei der Durchführung von Test-, Flash- und Codierprozessen. Wie zuvor geschildert, eignen sich DCUs oder HPCs nur sehr eingeschränkt als selbstständige Onboard-Leitrechner für die Steuerung dieser E/E-Prozessschritte. Wenngleich die Produktionssysteme den Gesamtablauf und die Datenbereitstellung überwachen und steuern, werden aufgrund der (Zeit-)Kritikalität einiger Prozessschritte (wie z.B. Flashen) zumindest Offboard-Basisfähigkeiten unmittelbar am Fahrzeugzugang benötigt, um sie erfolgreich absolvieren und abschließen zu können. Zugleich sind solche Offboard-Fähigkeiten ein wichtiger Stellhebel für die Dezentralisierung und damit auch Flexibilisierung von E/E-Prozessschritten während des Montageprozesses. Insofern sind die hardware- und softwarebasierten Fähigkeiten eines VCIs durchaus ein entscheidender Faktor für die Fahrzeugfertigung. Denn sie transportieren nicht nur Daten, sondern führen auch vordefinierte Prozessschritte selbstständig aus, reagieren auf Meldungen der Steuergeräte des Fahrzeugs und melden den Status zurück an das Produktionssystem. Sie dienen somit nicht nur der Datenübertragung, sondern auch der Prozesssteuerung. Und durch die steigenden Datenmengen steigt der Bedarf, E/E-Prozessschritte möglichst dezentral entlang der gesamten Montagelinie vollziehen zu können.

Unterschiede bei VCI-Umsetzungen

Aktuelle VCI-Umsetzungen weisen eine herstellerspezifische Hardware und ebenso spezifische Gerätesoftwareimplementierung auf. Die auf den Geräten verfügbaren Ressourcen sind aufgrund der Entwicklungszeiten und der nachfolgenden Lebenszyklen von fünf und mehr Jahren häufig nur kurze Zeit auf dem aktuellen Stand der Technik. Die Softwarefunktionalitäten sind abhängig vom Hersteller und Gerätetyp sehr unterschiedlich ausgeprägt. Insbesondere hochwertige Wi-Fi VCIs, wie sie in der Produktion zum Einsatz kommen, verfügen in der Regel über die Fähigkeit, Ablauflogiken zu übernehmen. Einige wenige Geräte können auch Daten puffern und dezentral betrieben werden. Die Entwicklung und Qualifikation von derartigen Geräten ist sehr aufwendig und führt aufgrund der verhältnismäßig geringen Stückzahlen zu hohen Gerätekosten. Da zudem die Gerätesoftware sowie auch die Konfigurations- und Bediensoftware zu pflegen ist, kommen weitere Kosten im Lebenszyklus hinzu. Eine Alternative stellen Industrie-PC-nahe Systeme dar, die mit Standard-Software betrieben werden können. Dadurch können die Softwarekosten im Lebenszyklus reduziert werden. Bei Industrie-PC-Systemen (IPC) fallen nur noch Hardware-Entwicklungskosten für die Adaption und Integration in ein Gesamtgerät an. Allerdings ist die verfügbare Hardware eingeschränkt und erlaubt die geforderten Übertragungsgeschwindigkeiten nur zu relativ hohen Gerätepreisen. Wie kann man also hohe Performanz bezahlbar in geringen bis mittleren Stückzahlen erreichen?

Einsatz von Smartphones als VCI

Der Blick auf die zuvor erwähnte Mobile Device & Cloud Branche hilft: Durch den Einsatz von Smartphones. Sie verfügen über hoch performante CPUs, großen Arbeitsspeicher, schnelle Hardware-Schnittstellen und hundert-millionenfach erprobte drahtlose Datenübertragungstechnik auf dem letzten Stand der Technik. Darüber hinaus sind sie trotz ihrer enormen Leistungsfähigkeit relativ klein und zu kalkulierbaren Kosten beschaffbar. Also eher „kleines Smartphone (VCI) füttert großes Smartphone auf Rädern (Auto) mit Daten“? Aber wie könnten mobile Geräte-Plattformen wie sie heute in Smartphones eingesetzt werden, für den VCI-Einsatzfall in der Fahrzeugfertigung genutzt werden? Indem man sie mit einer Peripherie für die Anbindung an die Bestandsbussysteme CAN/FD sowie Schnittstellen für Automotive Ethernet und DoIP ausstattet. Und sie auf Basis der verfügbaren Boardmittel des Betriebssystems zu einem kleinen Offboard-HPC ausbaut, der als Connectivity-Plattform, Datenspeicher und Leitrechner dient.

Bild 5: Mobile Plattformen als Brücke zwischen IoT-Backends und neuen Fahrzeuggenerationen.
Bild 5: Mobile Plattformen als Brücke zwischen IoT-Backends und neuen Fahrzeuggenerationen. (Bild: Softing)

Über diesen Ansatz schafft man ein hoch performantes Datenübertragungssystem, das auf dem aktuellen Stand der Technik ist und als System bereits funktionsbereit und zugelassen ist. Die Einbindung in aktuelle und zukünftige Produktions-Infrastrukturen mit Wi-Fi und/oder 5G wird hierdurch erheblich vereinfacht.

Herausforderungen

Neben der Entwicklung einer Peripherie mit kleinem Formfaktor und ihrer Integration mit der eigentlichen mobilen Plattform, liegt die Herausforderung insbesondere in der Implementierung von Protokoll- und Steuersoftware sowie der Erstellung von Applikationssoftware auf der mobilen Plattform. Hierfür stehen erprobte Toolketten für Entwicklung und Test sowie das gesamte Software-Management im Lebenszyklus zur Verfügung. Zudem verfügen mobile Plattformen bereits über eine riesige Menge an hilfreichen und nützlichen Bibliotheken und Applikationen, die sich sehr einfach integrieren lassen. Es wäre das El Dorado für Software-Entwickler!

Erste Umsetzungen von Softing beweisen, dass es funktioniert und – nach Härtung eines gemanagten Betriebssystemkerns und Portierung von Protokollimplementierungen – dass sich die Geschwindigkeit der Software-Entwicklung erheblich steigern lässt. Aus der Sicht eines Automotive Unternehmens ist jedoch die größte Herausforderung, sich auf die Zyklen, Trends und Gepflogenheiten in der Mobilfunkindustrie einzustellen. Auf der Softwareseite sind auch in der Automotive-Industrie bereits viele Methoden und Technologien wie Continuous-Integration und -Delivery, Microservices, Containerisierung sowie Konfigurations- und Versionsmanagement seit Jahren erprobt. Der technologische Sprung ist oft nicht mehr allzu groß. Und die rasante Weiterentwicklung bei den Mobile Devices öffnet mittel- und langfristig völlig neue Dimensionen: So kann das klassische VCI zu einer ‚Vehicle Communication Unit‘ (VCU) weiterentwickelt werden!

Die digitalisierte Produktion

Eine mobile Plattform besitzt in Zukunft voraussichtlich mehr Rechenleistung als die entlang der Fertigungslinie eingesetzten Rechner. Völlig neue, hoch flexible und dezentrale E/E-Prozessabläufe werden mittels der fahrzeugnahen VCUs möglich. Sie könnten alle E/E-Prozessschritte in weiten Teilen autonom vollziehen. Die Backend-Infrastruktur könnte auf die Bereitstellung von Daten und deren drahtlose Übermittlung an die VCUs konzentriert werden. Die Arbeitsplätze entlang der Fertigungslinie sind lediglich auf den Baufortschritt des Fahrzeugs auszurichten – Handhabungen rund um die E/E-Prozessschritte entfallen weitgehend.

Wäre langfristig nicht sogar ein Offboard-Hilfsmittel wie eine VCU durch Onboard Systeme ersetzbar? In der Vision sind sämtliche Test-, Flash- und Codierprozesse mittels Connectivity-DCU oder -HPC genau dann möglich, wenn ein vollständiges Bordnetz zuerst vorliegt und alle (mechanische) Peripherie folgt. Dies ist denkbar, bedeutet aber einen Paradigmenwechsel in der Fahrzeugfertigung: Das Auto müsste von „innen nach außen“ gebaut werden. Ob das Erreichen dieser Vision unternehmerisch Sinn macht, muss jeder Hersteller für sich selbst beantworten. Denn der hiermit vermutlich einhergehende hohe Automatisierungsgrad hat einen Preis. Eines ist jedoch gewiss: Hersteller, die diesen Weg beschreiten wollen, müssen den Fahrzeug-Montageprozess neu denken! Dieser Weg dürfte für die allermeisten Volumenmodelle noch sehr weit entfernt sein. Doch manufakturartige Serienfertigungen von Nischenmodellen könnten bald weitere Schritte in diese Richtung unternehmen. Demgegenüber kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Mehrheit der Fahrzeughersteller bei einem ihrer nächsten Schritte eine VCU einsetzen werden.

Oliver Fieth, Geschäftsführer bei Softing Automotive Electronics
(Bild: Softing)

Oliver Fieth

Geschäftsführer bei Softing Automotive Electronics

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