Nicht nur Bosch-Geschäftsführer Dr. Makus Heyn hob das große Narrativ von The Autonomous hervor: „Kein Unternehmen schafft es allein!“

Nicht nur Bosch-Geschäftsführer Dr. Makus Heyn hob das große Narrativ von The Autonomous hervor: „Kein Unternehmen schafft es allein!“ (Bild: Alfred Vollmer)

Es war schon ungewöhnlich: Da treffen sich über 500 hochrangige Entscheider und Experten von Unternehmen wie Aptiv, Audi, BMW, Bosch, Infineon, NVIDIA, Mercedes, Mobileye, Volvo, Amazon Web Services etc. zum mittlerweile dritten Hauptevent von The Autonomous, um gemeinsam das Thema „Autonomes Fahren“ voranzutreiben, und dann kommen von vielen Rednern immer wieder Apelle zur Zusammenarbeit, obwohl die Anwesenden ja genau deswegen an dem Event teilnehmen. Den Grund für diesen scheinbaren Widerspruch liefert The-Autonomous-Chairman Ricky Hudi in seiner Eröffnungsrede: „Die autonome Mobilität braucht viel mehr Zeit als wir uns alle gedacht haben… Es ist die größte Herausforderung seit der Erfindung des Autos… Ein einzelnes Unternehmen kann die Safety-Aspekte nicht alleine in der bestmöglichen Art und Weise handhaben.“

Viele sprachen Klartext in ihren Apellen zur Kooperation, aber Ricky Hudi brachte die Situation auf den Punkt: „Wir dürfen nicht warten, bis uns schädliche Maßnahmen zur Zusammenarbeit zwingen.“ Laut Georg Kopetz, CEO von TTTech Automotive, gilt es, die Branche „für die nächsten zehn Jahre zu formen“: „Wir müssen uns mehr in Richtung Open-Source öffnen.“ Für Georg Kopetz geht es um effiziente Nutzung der äußerst knappen (und teuren) Entwicklungs-Ressourcen: „Wir können die Zeit dazu nutzen, um Leben zu retten.“ Bosch-Geschäftsführer Dr. Markus Heyn ergänzte: „Was wir hier bei AD machen, ist ein Projekt für Jahrzehnte“. Glen de Vos, CTO von Aptiv ist überzeugt: „Zusammen schaffen wir das.“

Phil Koopman (hier live aus Kalifornien zugeschaltet) über autonomes Fahren: „Im Grundsatz: mindestens so sicher wie ein menschlicher Fahrer.“
Phil Koopman (hier live aus Kalifornien zugeschaltet) über autonomes Fahren: „Im Grundsatz: mindestens so sicher wie ein menschlicher Fahrer.“ (Bild: Chrsitian Steinbrenner/The Autonomous)

Autonomes Fahren (AD) erfordert sichere, hoch verfügbare Systeme

Ein zugrunde liegendes „Problem, das es zu lösen gilt, besteht darin, die Systeme sicher und hochverfügbar zu machen“, erklärte Peter Schäfer, Executive Vice President und CMO Automotive bei Infineon. „Wenn wir ein wunderbares Level-4-System haben und es nicht jederzeit verfügbar ist, werden die Verbraucher letztendlich das Vertrauen in neue Systeme verlieren.“ Aber wie sicher ist sicher genug? Phil Koopman, außerordentlicher Professor an der Carnegie Mellon University, weiß eine Antwort: „Im Grundsatz: mindestens so sicher wie ein menschlicher Fahrer. Aber bedenken Sie auch, wie Todesopfer künftig unter den Verkehrsteilnehmern verteilt sein sollen: Es kann nicht sein, dass die Todesfälle zwar halbiert werden, aber jeder Einzelne davon ein Fußgänger ist.“

Um echtes autonomes Fahren in Form von selbstfahrenden Autos Wirklichkeit werden zu lassen, arbeiten zahlreiche Unternehmen mit enormen Ressourcen an der notwendigen Level-4-Technologie. Dabei gibt es allerdings noch zahlreiche Hürden. „Die Mobilitätsbranche steht vor einer historischen Chance“, konstatierte Ricky Hudi in seiner Eröffnungsrede. „Insbesondere bei der Sicherheit des autonomen Fahrens sind Kompromisse oder Konkurrenz fehl am Platz. Bei der Sicherheit geht es darum, alles von Anfang an richtig zu machen!“ Sein Apell zur Kooperation fiel sehr eindeutig aus: „Mit einem abgestimmten Ansatz ist es bedeutend einfacher, Standardisierungs-, Regulierungs- und Justizbehörden jedes Landes davon zu überzeugen, dass sie sich auf erstklassige Lösungen verlassen können. Nicht zuletzt dadurch können sich Verbraucher auf ähnliche Sicherheitsniveaus für das autonome Fahren verlassen - überall auf der Welt.“

Ricky Hudi forderte eindringlich zur Kooperation über Unternehmensgrenzen auf, um vor allem die Sicherheitsthemen voranzubringen: „Ein einzelnes Unternehmen kann die Safety-Aspekte nicht alleine in der bestmöglichen Art und Weise handhabe. … Bei The Autonomous sitzen die Partner auf dem Fahrersitz, und sie stehen nicht am Straßenrand.“
Ricky Hudi forderte eindringlich zur Kooperation über Unternehmensgrenzen hinaus auf, um vor allem die Sicherheitsthemen voranzubringen: „Ein einzelnes Unternehmen kann die Safety-Aspekte nicht alleine in der bestmöglichen Art und Weise handhaben. … Bei The Autonomous sitzen die Partner auf dem Fahrersitz, und sie stehen nicht am Straßenrand.“ (Bild: Philipp Lipiarski/The Autonomous)

Systemprobleme beim Autonomen Fahren

Die Automobilindustrie entwickelt aktuell das software-definierte Fahrzeug. Dies ist nicht nur eine wichtige Grundlage für das autonome Fahren, sondern ermöglicht es Verbrauchern, ihr digitales Leben ins Fahrzeug zu übertragen. „Bis 2025 könnten wir softwaredefinierte Architekturen in den Händen von Autoherstellern sehen“, erklärte Nakul Duggal, Senior Vice President and General Manager Automotive bei Qualcomm, in seiner Keynote. Das autonome Fahren bezeichnet er als Systemherausforderung: „Ich glaube nicht, dass die Herausforderung in zwei, drei oder fünf Jahren vollständig gelöst sein wird. Die Technologie wird sich kontinuierlich weiter verbessern und immer weitere Mobilitätsbereiche werden von der zunehmenden Sicherheit und Autonomie profitieren.“

Auch in diesem Jahr: The Autonomous Hauptevent in Wiener Hofburg
Auch in diesem Jahr fand der Hauptevent von The Autonomous wieder in der Wiener Hofburg statt. (Bild: Alfred Vollmer)

Was sind die ersten Anwendungsfälle von AD?

Autonome Fahrzeuge versprechen viele Vorteile. Was erste Anwendungsfälle sein werden und wie genau sich Menschen und autonome Fahrzeuge die Straße teilen werden, diskutierte ein Expertengremium auf dem Hauptevent. „Langsam fahrende hyperlokale Fahrzeuge sind der erste und effektivste Anwendungsfall“, erklärte Mike Potts, CEO von StreetDrone, aber er äußerte sich skeptisch gegenüber Robotaxis: „Weltweit gibt es 1,4 Milliarden Fahrzeuge auf den Straßen. Davon wurden im Mai dieses Jahres in den USA nur 1.400 Fahrzeuge autonom betrieben. Und die Hälfte davon hatte einen Sicherheitsfahrer dabei.“

Christoph Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung von ETAS berichtet über die ersten Anwendungsfälle: „Die erstmalige Einführung des autonomen Fahrens wird im Hub-to-Hub-Einsatz zwischen bestimmten Verteilzentren geschehen. In urbanen Szenarien mit Bussen und Robotaxis müssen wir sehen, wie wir die frühe Einführung dieser Fahrzeuge mit infrastrukturbasierten Diensten unterstützen können.“

Andreas Tschiesner, Senior Partner bei McKinsey, befürwortete öffentlich-private Koordinierung: „Die Stadt Oslo untersuchte in einem Modell die Auswirkungen von in den öffentlichen Verkehr integrierten autonomen Fahrzeugen. Übertragen auf Wien könnten aufeinander abgestimmte Roboshuttles rund 90 % des Verkehrs im Stadtzentrum ersetzen und gleichzeitig die Betriebskosten um 30 % senken. Wenn dies auf intelligente Weise geschieht, verbessert sich die Lebensqualität deutlich.“

„Es muss mehr Zusammenarbeit zwischen erstklassigen Technologieorganisationen und Städten geben“, fasste Mike Potts zusammen. „Man kann nicht ohne weiteres auf vollautonomen Transport umsteigen. Das würde Chaos verursachen.“

So werden Level-4-Systeme sicher

Level 4 (L4)-Systeme stellen künftig die Basis für das autonome Fahren dar. Experten diskutierten in Wien die aktuellen Herausforderungen bei der Entwicklung und wie sich selbstfahrende Level-4-Fahrzeuge von Anfang an sicher entwickeln lassen.

„Level 4 ist die größte Herausforderung, mit der die Automobilindustrie je konfrontiert war“, stellte Jens Kötz, Connected Architecture, Energy, and Security Lead bei Audi, fest. Und warum ist das so? „Weil es das erste Mal ist, dass alles (einschließlich der Infrastruktur) mit dem gesamten Auto und dem System verbunden ist“, führt Jens Kötz weiter aus. „Die Sicherheitsanforderungen des Gesamtsystems – In-Car und Off-Car – müssen eingehend untersucht werden.“

„Es ist ganz klar, dass wir Redundanz brauchen; kein einzelner Chip, Sensor und keine Softwarekomponente kann diese Aufgabe allein bewältigen“, sagte Stefan Poledna, CTO bei TTTech Auto. „Wir müssen sicherstellen, dass jeder einzelne Ausfall einer Komponente abgemildert werden kann.“

Indu Vijayan, Director of Product Management bei AEye, fügte hinzu, dass Metriken zur Validierung und auch eine Standardmetrik „die fehlenden Dinge sind, auf die wir hinarbeiten müssen, um sicherzustellen, dass L4-Systeme sicher sind.“ Peter Schäfer fasste die Notwendigkeit einer standardisierten Zusammenarbeit zusammen: „Wir brauchen Arbeitsgruppen, um gemeinsam einen praktikablen Ansatz zu definieren, der sich mit der Community teilen lässt.“

The Autonomous: Was ist das?

Etwa 85 % der über 500 Besucher waren live vor Ort. Einige Redner beziehungsweise Diskussionsteilnehmer wurden über das Internet zugeschaltet, aber die hier sichtbaren Redner und Beteiligten waren vor Ort in der Wiener Hofburg.
Etwa 85 % der über 500 Besucher waren live vor Ort. Einige Redner beziehungsweise Diskussionsteilnehmer wurden über das Internet zugeschaltet, aber die hier sichtbaren Redner und Beteiligten waren vor Ort in der Wiener Hofburg. (Bild: Chrsitian Steinbrenner/The Autonomous)

Der weltweite Markt für autonome Fahrzeuge wird gemäß dem McKinsey-Compendium 2019/2020 voraussichtlich bis zum Jahr 2030 ein Volumen von 1,6 Billionen US-Dollar erreichen, wobei automatisiertes „umweltfreundliches Fahren“ laut Earth.org den Kraftstoffverbrauch um 15 % bis 20 % senken kann. Die autonome Technologie entwickelt sich laufend weiter und verbessert das tägliche Leben von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt. Dies geschieht oftmals unbemerkt vom Verbraucher, aber nur, solange die Fahrzeugsicherheit gewährleistet ist – und genau darum ging es auf dem dritten Hauptevent von The Autonomous in Wien. Die Initiative „The Autonomous“, die stark von TTTech Automotive unterstützt wird, hat sich das Ziel gesetzt, alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette rund um das automatisierte und autonome Fahren zusammenzubringen, um so prinzipielle Probleme zu lösen, die nicht wettbewerbsentscheidend sind. Dabei geht es nicht nur um technische Probleme sondern auch um gesetzliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Hürden, die es zu überwinden gilt.

Wo liegen die Grenzen für den Einsatz von KI im Fahrzeug?

Künstliche Intelligenz (KI) kann das autonome Fahren in Kombination mit maschinellem Lernen und neuronalen Netzen deutlich voranbringen. Ein Expertengremium diskutierte die Grenzen der KI und wie Menschen darauf vertrauen können, dass KI sicher ist, und wo KI in einem autonomen Fahrzeug eigentlich am nützlichsten ist, aber wo ist das der Fall? „Kurz gesagt, überall“, sagt Jens Petersohn, Leiter der Produktgruppe HAD bei Elektrobit. „Wir können uns alle möglichen Anwendungen vorstellen – Erkennung, Objektklassifizierung, Szenenerkennung, Entscheidungsfindung.“

Das Potenzial der KI-Technologie liegt darin, dass sie menschliche Fähigkeiten erweitert, so Hermann Hauser, Direktor bei Amadeus Capital Partners: „Menschen haben kein Radar oder Lidar. Die schiere Menge an Informationen, die KI zu Fahrentscheidungen zusammenführen kann, wird KI zu einem großartigen Autofahrer machen.“ So stellt sich die Frage, wo die Grenzen der KI liegen.

„Nach oben sind keine Grenzen gesetzt“, stimmt Georges Massing, Vice President MB.OS Automated Driving, Powernet und E/E Integration bei Mercedes-Benz, zu. „Menschen wachsen und lernen, aber an einem bestimmten Punkt verlieren wir den Überblick. Mit KI lernt die Maschine, lernt, lernt und hört damit auch nicht irgendwann auf.“ Dabei sei es wichtig, Vertrauen zu schaffen, ergänzte Riccardo Mariani, VP of Industry Safety bei Nvidia: „Wir arbeiten an neuen Standards und Richtlinien zur KI-Ethik und schaffen so Konsens und Vertrauen.“

Georges Massing: „Wir hier im Raum haben praktisch alle einen Führerschein, aber wir müssen erst die Interaktion mit dem automatisierten Fahrzeug lernen, wir müssen entspannter werden. … Deshalb sind Level-2-Systeme so wichtig. … Meine Kinder haben noch keinen Führerschein, aber wenn sie das Fahren beginnen, dann werden sie ganz anders rangehen, so etwa unter dem Motto: OK, schalten wir jetzt die Automatik ein.“
Georges Massing: „Wir hier im Raum haben praktisch alle einen Führerschein, aber wir müssen erst die Interaktion mit dem automatisierten Fahrzeug lernen, wir müssen entspannter werden. … Deshalb sind Level-2-Systeme so wichtig. … Meine Kinder haben noch keinen Führerschein, aber wenn sie das Fahren beginnen, dann werden sie ganz anders rangehen, so etwa unter dem Motto: OK, schalten wir jetzt die Automatik ein.“ (Bild: Philipp Lipiarski/The Autonomous)

Die Zukunft vertrauenswürdiger KI

Georges Massing fasste die Zukunft für vertrauenswürdige KI zusammen: „KI wird versuchen, das Ausmaß der Interaktion des Menschen zu begrenzen, … damit die Maschine ihre eigenen Entscheidungen treffen kann. KI beizubringen, wie der Mensch fährt, wird den Komfort bei autonomen Fahrzeugen erhöhen. … Der Fahrstil des autonomen Fahrens muss sich an den Fahrstil des Fahrers anpassen; wir sehen das besonders in Kurven.“ Der steigende Einsatz von hochentwickelten Level-2-Assistenzsystemen wie Spurhalteassistent, Brems- oder Parkassistent sorge für das notwendige menschliche Vertrauen, um später dem autonomen Fahrzeug die volle Verantwortung zu übertragen.

Warum The Autonomous?

„Wir haben den Grundstein für eine globale Zusammenarbeit in der Automobilindustrie gelegt“, sagte Philip Schreiner, Leiter von The Autonomous. „Jetzt laden wir alle Unternehmen des Ökosystems des autonomen Fahrens ein, sich aktiv zu beteiligen und die Zusammenarbeit innerhalb der Industrie auf die nächste Stufe zu heben. Nur durch eine aktive und breite Teilhabe aller Beteiligten können wir die dringend benötigten Synergien schaffen und die größten Sicherheitsherausforderungen lösen. Dies wird letztendlich die Grundlage für das Vertrauen der Kunden schaffen, das Haftungsrisiko für die Branche verringern und die Entwicklung des autonomen Fahrens beschleunigen."

Bei einem Bericht über eine derart breit und tiefgehend angelegte Initiative darf ein Schlusswort nicht fehlen: „Es ist unsere Generation, die den Weg von der Automatisierung zur Autonomie beschreitet. Ich freue mich, dass die Teilnehmer von The Autonomous diese Reise aktiv mitgestalten wollen.“ – Georg Kopetz, Mitbegründer von TTTech Auto.

Der Hauptevent 2022 von The Autonomous im Rückblick

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