Zu den bei der Batterieprüfung angewendeten Methoden gehört auch der Abuse-Test, bei dem die Batterie Bedingungen außerhalb der Spezifizierung ausgesetzt werden. Dazu sind spezielle Prüfeinrichtungen notwendig.

Zu den bei der Batterieprüfung angewendeten Methoden gehört auch der Abuse-Test, bei dem die Batterie Bedingungen außerhalb der Spezifizierung ausgesetzt werden. Dazu sind spezielle Prüfeinrichtungen notwendig. (Bild: AdobeStock 446569766, EDOYO)

Batterietests werden auf Zell-, Modul-, Pack- oder Fahrzeugebene durchgeführt. Bei den Performancetests wird die Leistungsfähigkeit, Ruhespannung oder entnehmbare Energie einer Batterie geprüft. Alterungstests zielen darauf ab die Abnahme der Kapazität über den Nutzungszeitraum zu bewerten, wobei im Wesentlichen zwischen zyklischer und kalendarischer Alterung unterschieden wird. Zu den Umweltsimulationstests gehören verschiedene thermische Tests (z. B. Übertemperatur, Temperaturschock und Feuchtevariation), der Einfluss von Strahlung oder Schadgas sowie die Vibrations- und Höhensimulation. Missbrauchstests gehören zu den zerstörenden Sicherheitstests, für die besondere Testsysteme notwendig sind.

Zersetzungsreaktion bei Lithium-Ionen-Zellen

Eine Lithium-Ionen Batterie wird in der Regel im Bereich bis zu 100 °C sicher betrieben, ohne dass es zu nachhaltigen Auswirkungen kommt. Erhöht sich das Temperaturlevel darüber hinaus, beginnen im Inneren der Batterie entsprechende Zersetzungsreaktionen (Bild 1). Ab einer Temperatur oberhalb von 100 °C kommt es zunächst zur Zersetzung der Feststoff-Elektrolyt-Grenzphase (SEI – Solid Electrolyte Interphase) und wenig später zur allmählichen Auflösung des Seperatormaterials zwischen Anode und Kathode. In Abhängigkeit der Zellzusammensetzung einer Batterie entstehen ab einem Temperaturbereich von 160 °C bis 200 °C exotherme Reaktionen. Dieses Temperaturlevel ist zugleich charakteristisch für den Beginn des thermischen Durchgehens (engl. thermal runaway) der Batterie.

Das Erreichen dieses Zustands hängt bei Lithium-Ionen Batterien in erster Linie von der Art des Zellversagens (Missbrauchsbedingung) sowie der Zellzusammensetzung ab, da hierdurch die Temperaturanstiegsgeschwindigkeit innerhalb der Batteriezelle maßgeblich beeinflusst wird. Bei einem Temperaturanstieg von 10 K/s ist von einem thermischen Durchgehen auszugehen. Wenn dieser Zustand erreicht ist, kann eine unkontrollierbare Wärmefreisetzung nicht mehr unterbunden werden, d.h. die entstehende Wärme lässt sich nicht mehr in ausreichendem Maß abführen. Die anfallende Wärmeenergie führt dazu, dass sich die exothermen Reaktionen weiterhin beschleunigen. Aufgrund des Temperaturanstiegs in der Batterie bildet sich ein hoher Druck aus, der ab einem gewissen Druckniveau zu einem Bersten der Batterie führt. In diesem Zustand strömt heißes Gas (Venting Gas) aus der Batterie und wird durch die hohe Zelltemperatur entweder direkt gezündet oder kurze Zeit später, wenn die Mindestzündenergie vorhanden ist, nachgezündet. Gasmengen bis zu 3 l/Ah können freigesetzt werden, je nach Trigger und Zellchemie.

Bild 1: Temperaturbereiche mit den korrespondierenden inneren Vorgänge einer Lithium-Ionen Batterie.
Bild 1: Temperaturbereiche mit den korrespondierenden inneren Vorgänge einer Lithium-Ionen Batterie. (Bild: Weisstechnik)

E-Mobility: Batterie und Sicherheit

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(Bild: AdobeStock_277540900)

Wie entstehen bessere E-Auto-Batterien und sind sie sicher? Bewährte und neue Batterietechnologien von Entwicklung bis Recycling, Brandschutz von Simulation über Materialien bis Batteriemanagement und Safety-Konzepten, sowie Testverfahren von EMV bis Sicherheit. Die Technologien dahinter finden Sie hier.  

Grundlagen für ein Testsystem

Da bei den Zersetzungsreaktionen ein Reaktionsprodukt u.a. Sauerstoff ist, wird der Verbrennungsvorgang aufrechterhalten. Es lassen sich daher lediglich die Auswirkungen des Brands eindämmen. Eine vollständige Löschung des Brands ist nicht möglich. Es wird dabei unterschieden zwischen Tests auf Zellebene, Modulen, Packs und gesamten Systemen inklusive Batteriemanagementsystem (BMS).

Zur Ermittlung eines adäquaten Testsystems ist es entscheidend, welche Art von Tests durchgeführt und welche Auswirkungen durch den Batterieprüfling beim Test zu erwarten sind. Daraus leitet sich das Gefährdungspotenzial ab, welches von geringer Gefahr bis hin zur Explosion und Freisetzung von Schadgasen variiert (Bild 2). Hierzu hat sich die Gefahrenbetrachtung gemäß den EUCAR Hazard Level bewährt. Die einzelnen Level beschreiben den Fehlerfall einer Batterie, beginnend bei Level 0 (kein Fehler) und endend bei Level 7 (Explosion). Sie dienen zur Auslegung des Batterieprüfsystems einschließlich der erforderlichen Sicherheitsausstattung. Wichtig ist hierbei auch die Beurteilung der Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadensfalls. Die zusätzlichen Ausstattungsmerkmale dienen zwar zur Schadensbegrenzung, allerdings stellen diese keine bautechnischen Maßnahmen dar, die eine wiederholte Prüfung von Lithium-Ionen-Batterien mit einem thermischen Durchgehen (Brand und Explosion) ermöglicht.

Bild 2: Gefährdungspotenzial bei der Batterieprüfung. Beim Abuse-Test treten Brand und Explosion regelmäßig auf.
Bild 2: Gefährdungspotenzial bei der Batterieprüfung. Beim Abuse-Test treten Brand und Explosion regelmäßig auf. (Bild: Weisstechnik)

Explosionsschutz bei Lithium-Ionen-Batterien

Bei den Lithium-Ionen-Prüfschränken wird üblicherweise der primäre Explosionsschutz angewendet, welcher das Ziel hat, die Bildung einer gefährlichen, explosionsfähigen Atmosphäre zu verhindern. Sofern trotz der Maßnahme eine Havarie entsteht, können ernsthafte Schäden am Gerät nicht ausgeschlossen werden. Der sekundäre Explosionsschutz hingegen verhindert die Zündung einer gefährlichen, explosionsfähigen Atmosphäre und wird im Batteriebereich üblicherweise nicht angewendet. Das neue Abuse-Testsystem besitzt einen tertiären Explosionsschutz und ist dadurch in der Lage, regelmäßig auftretende Havariefälle ohne Schaden zu überstehen. Das Ziel ist es hierbei, die Auswirkungen der Explosion auf ein unbedenkliches Maß zu reduzieren.

In der Regel führen alle zerstörenden Batterietests mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zum thermischen Durchgehen und weisen somit ein hohes Gefahrenpotenzial auf. Dies betrifft in der Regel bei den mechanischen Tests die mechanische Integritätsprüfung und Nagelpenetration. Bei den thermischen Tests trifft dies üblicherweise auf den Übertemperaturversuch und bei den elektrischen Tests auf den Überlade- sowie Kurzschlussversuch zu.

Daneben kommen zerstörende Batterieprüfungen häufig im frühen Entwicklungsstadium oder zu Forschungszwecken zum Einsatz, beispielsweise wenn untersucht wird, wie sich das Feuer einer Batteriezelle in Modulen auf umgebende Zellen ausbreitet (Sicherheitsszenarien).

In einigen Fällen führt ein Test nicht unmittelbar zum thermischen Durchgehen, birgt jedoch ein Gefahrenpotenzial durch weitere Ausgasung oder Brand, sodass der Prüfling „entschärft“ werden muss. Hierzu ist ebenfalls eine Umgebung notwendig, die es erlaubt den Prüfling kontrolliert bzw. sicher thermisch durchgehen zu lassen, damit dieser anschließend entsorgt werden kann und keine weiteren Gefahren für Personen und Gegenstände vorliegen.

Anwendungsfälle und Konstruktion

Als Anwendungsfeld für das Testsystem steht aktuell die zerstörende Prüfung von Batterien im Fokus. Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Prüfung von elektronischen Bauteilen im Hochvoltbereich (Lichtbogenprüfung). Weitere Anwendungsfelder für das Prüfsystem, in denen hohe Drücke (z. B. Ventile) oder explosive Gasgemische auftreten (z. B. Brennstoffzellen), sind grundsätzlich denkbar.

Die Prüfumgebung besitzt einen tertiären Explosionsschutz. Dies bedeutet, dass es in der Lage ist, regelmäßig auftretende Havarien von Batterien (Feuer und Gasexplosionen) ohne Schaden zu überstehen. Das Ziel ist es beim tertiären Ex-Schutz die Auswirkungen einer Explosion oder Havarie (Druck- und Wärmefreisetzung) auf ein unbedenkliches Maß zu reduzieren.

Bild 3: Explosionsversuche mit dem Testsystem von Weiss Technik.
Bild 3: Explosionsversuche mit dem Testsystem von Weiss Technik. (Bild: Weisstechnik)

Test und Validierung

Als die kritischste explosionsfähige Atmosphäre wird für die Versuche ein stöchiometrisches Wasserstoff-Luft-Gemisch angenommen. Dieses Gemisch wird auf -40 °C gekühlt und anschließend gezündet (Bild 3). Bild 4 zeigt schematisch den Versuchsablauf.

Bild 4: Schematischer Messaufbau für den Explosionsversuch.
Bild 4: Schematischer Messaufbau für den Explosionsversuch. (Bild: Weisstechnik)

Wichtig ist, daß sich das Gas bei der Versuchsdurchführung im Prüfraum nicht verflüchtigt und die gewünschte Konzentration erzielt werden kann. Das Gasgemisch wird durch Massenströmungsregler für Druckluft hergestellt und über eine Schlauchleitung in den Prüfraum eingeleitet. Über eine Entnahmestelle in der Ausleitung kann die Gaszusammensetzung überwacht werden.
Durch ferngesteuerte Pneumatikventile lässt sich die Einleitung von Gasgemisch (Ventil 1) und die Ausleitung von Gasgemisch (Ventil 2) steuern. Weiterhin werden die Pneumatikventile vor Zündung geschlossen, um eine Ausbreitung der Explosion durch die gasgefüllten Schlauchleitungen zu verhindern. Die Kontrolle der Gastemperatur im Inneren erfolgt mit Hilfe eines eingebrachten Thermoelementes (TE1).
Gleichzeitig wird auch die Temperatur auf der Außenseite einer Explosionsklappe gemessen (TE2). Der Explosionsdruck wird in der Nähe der Explosionsklappe (pex 1) und an der unteren hinteren Ecke des Prüfraums (pex 2) gemessen.
Als Zündquelle wird eine Zündpille (Zündenergie ca. 100 J) in das Innere des Prüfraums vor Spülbeginn eingefügt. Zur Bewertung der Funktion der Explosionsklappen wird eine Hochgeschwindigkeitskamera eingesetzt. Die Sensorik nimmt die jeweiligen Messwerte auf, die dann mit den dazugehörigen Auswertegeräten ausgewertet und gespeichert werden. Alle Versuche wurden mehrmals durchgeführt.

Erläuterung der Varianzen

Die Versuchsergebnisse besitzen eine gewisse Varianz, die sich durch Unterschiede in der Gastemperatur sowie die Anordnung und Position der Zündpille erklären lässt. Bei den Versuchen entstanden auch hohe Explosionsdrücke, die durch Kaskadeneffekte begründet sind. So konnten die Grenzen der Prüfraumfestigkeit untersucht werden.
Im Prüfraum herrschten reale Explosionsbedingungen in Bezug auf den Anwendungsfall im Testbetrieb. Neben dem intern entwickelten Composite-Klappenmaterial wurde auch Stahl als preiswerteres Material getestet. Tabelle 1 zeigt die entsprechenden Versuchsergebnisse noch einmal im Detail.

Tabelle 1: Versuchsergebnisse (theoretisch ermittelte und gemessene Drücke).
Tabelle 1: Versuchsergebnisse (theoretisch ermittelte und gemessene Drücke). (Bild: Weisstechnik)

The Automotive Battery Congress

Die Elektromobilität wird in den nächsten Jahren einer der Haupttreiber in der Automobilindustrie sein. Dabei spielt die Batterie eine der wichtigsten Rollen bei der weltweiten Verbreitung von Elektrofahrzeugen, wobei die entscheidenden Faktoren die Reichweite der Batterie, die Lademöglichkeiten und die Finanzierung der Produktionskosten sind. Alle diese Themen vereint die nächste Ausgabe der „The Automotive Battery“ vom 09. Juli bis 10. Juli 2024 in Augsburg.

Weitere Infos zum Automotive Battery Congress finden Sie hier.

Ausblick

Ziel der Entwicklung ist es, den Prototypen der Abuse-Test-Box durch weitere Beta-Tests zur Serienreife zu bringen. Dazu gehört u.a. auch die Integration von weiterem Test-Equipment für die zerstörende Batterieprüfung und weitere Zusatzoptionen wie Gassensorik und die Integration einer Hochgeschwindigkeitskamera. Künftig wird zudem die Entwicklung eines Abgassystems, welches eine an die Test-Box angebundene Peripherie darstellt, forciert (Bild 5).

Bild 5: Abuse-Gesamtsystem (Test-Box und Abgasaufbereitung)
Bild 5: Abuse-Gesamtsystem (Test-Box und Abgasaufbereitung) (Bild: Weisstechnik)
Matthias Eydner, Weisstechnik
(Bild: Weisstechnik)

Matthias Eydner

Projektleiter für Abuse Testsysteme bei Weiss Technik

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