Der Elektromotor wird von der Umstellung der Automobil-Branche hin zum softwaredefinierten Fahrzeug profitieren. Er wird dadurch zu einem dynamischen Produkt, dass sich mit der Zeit weiterentwickelt und verbessert.

Der Elektromotor wird von der Umstellung der Automobil-Branche hin zum softwaredefinierten Fahrzeug profitieren. Er wird dadurch zu einem dynamischen Produkt, dass sich mit der Zeit weiterentwickelt und verbessert. (Bild: NXP)

Fahrzeuge durchlaufen einen Wandel von hardwaredefinierten Merkmalen und Fähigkeiten hin zu softwaredefinierten. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten für agile Entwicklung, kontinuierliche Verbesserungen und Fernwartung. SDVs eröffnen einen neuen Entwicklungsansatz, der kontinuierliche Fahrzeugverbesserungen und eine Optimierung von Software und ML-Modellen ermöglicht. Dieser basiert auf der Grundlage eines unmittelbaren Zugangs zu Echtzeit-Fahrzeugdaten, der Nutzung von Datenverarbeitung in der Cloud für digitale Zwillinge und maschinellem Lernen sowie des Einsatzes von Over-the-Air-Updates (OTA). Genau hier kommen auch modellbasierte Design-Tools zum Einsatz.

Automobilhersteller auf der ganzen Welt investieren stark in die Elektrifizierung ihrer Fahrzeuge, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und ihren Kunden E-Fahrzeuge anzubieten, die hohen Fahrspaß mit einer akzeptablen Reichweite und Zugang zu Ladestationen verbinden. Sie haben sich verpflichtet, ihre Flotten im Laufe des nächsten Jahrzehnts von Verbrennungsmotoren (ICE) auf E-Antrieb umzustellen. Die Einführung von E-Fahrzeugen ist heute bereits weit fortgeschritten. Die Umstellung auf eine stärker software- und elektrisch geprägte Zukunft bringt wichtige Veränderungen für die Branche mit sich, wie beispielsweise einen softwaredefinierten EV-Motor.

Was ist ein softwaredefinierter EV-Motor?

Der Elektromotor wird von der Umstellung der Branche hin zum SDV-Ansatz profitieren. Dieser bietet Zugang zu umfassenden Fahrzeugdaten zur Überwachung der Leistung und Alterung des Elektromotors. Zudem unterstützen leistungsfähigere Mikrocontroller fortlaufend neue Funktionen und die Bereitstellung neuer Software durch OTA-Updates. Der softwaredefinierte EV-Motor wird zu einem dynamischen Produkt, das sich mit der Zeit weiterentwickelt und verbessert. Dazu nutzt es Echtzeitdaten aus dem Fahrzeug und unterstützt die Entwicklung in der Cloud sowie die Bereitstellung von Funktionserweiterungen.

Eine softwaredefinierte Lösung für EV-Motoren hat Auswirkungen auf alle Entwicklungsphasen des EV-Motorsteuerungssystems. Sie kann die Entwicklungszyklen beschleunigen, die Leistung verbessern, den Wartungsbedarf überwachen und die Lebensdauer des Systems verlängern. Der Lebenszyklus einer Lösung auf hoher Ebene ist in Bild 1 dargestellt.

Eine softwaredefinierte Lösung für EV-Motoren hat Auswirkungen auf alle Entwicklungsphasen des EV-Motorsteuerungssystems.
Eine softwaredefinierte Lösung für EV-Motoren hat Auswirkungen auf alle Entwicklungsphasen des EV-Motorsteuerungssystems. (Bild: NXP)

Entwicklung der Motorsteuerung

Bei der Entwicklung von Motorsteuerungen geht der Trend zum Einsatz von hochentwickelten Modellierungstools wie MATLAB und Simulink von MathWorks. Dank ihnen können sich Entwickler auf ihre Kernkompetenzen bei der Steuerung von EV-Motoren und -Systemen konzentrieren, anstatt zu programmieren. Modellierungstools arbeiten auf der Ebene der Algorithmen, wo sie zur Verbesserung von Effizienz und Leistung optimiert werden können. Dabei bieten sie drei entscheidende Vorteile: Flexibilität, Geschwindigkeit und Sicherheit. Durch den Einsatz eines Modellierungswerkzeugs lassen sich Algorithmen schnell per Software testen und analysieren, ohne dass eine Hardwareintegration und -auswertung erforderlich ist. Das bietet sowohl Flexibilität als auch Schnelligkeit bei der Entwicklung eines EV-Motorsteuerungsmoduls.

Die Entwicklung auf Algorithmenebene mithilfe eines Softwaremodells kann besonders nützlich sein, wenn Strategien für eine optimierte Motorsteuerung analysiert werden. Sobald das Modell die gewünschten Eigenschaften und Funktionen aufweist, lässt es sich vom Modellierungstool direkt in ein Programm umwandeln. Dieser Ansatz unterstützt Sicherheitsanwendungen, da das Tool automatisch einen korrekten Code erzeugt, der in Produktionssystemen Verwendung finden kann. Zudem lassen sich mit der modellbasierten Entwicklung dank des geringeren Programmieraufwands die Kosten senken.

Der einzige Nachteil der modellbasierten Entwicklung besteht darin, dass der erzeugte Code weniger effizient sein könnte als ein von Programmierern erstellter Code. NXP bietet jedoch eine optimierte Automotive Math and Motor Control Library (AMMCLib) an, die wesentliche Bausteine enthält, die mit dem Simulink-Codegenerierungsprozess harmonieren und die Leistung für wichtige Algorithmuskomponenten verbessern. Field-Oriented Control (FOC) ist ein gängiger EV-Motorsteuerungsalgorithmus, der durch den Einsatz von Simulink, Codegen und der AMCCLib unterstützt wird, um die Leistung auf NXP-Prozessoren zu optimieren. Zudem verfügen die NXP-S32K39-MCU und der S32E-Echtzeitprozessor über eine höhere Performance als herkömmliche Automotive-MCUs und unterstützen damit eine schnelle und schlanke Entwicklung.

Eine weitere Möglichkeit, wie Software das Design von Motorsteuerungssystemen beeinflussen kann, besteht darin, externe Hardware zu ersetzen. Diese Strategie wird in der Regel zur Kostensenkung eingesetzt, kann aber auch Flexibilität bieten, wenn die externe Hardware durch eine Kombination aus Hardware und Software innerhalb der Motorsteuerungseinheit (MCU) ersetzt wird. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist die Implementierung eines sicheren Software-Resolvers, der auf der S32K39-MCU läuft, um die Winkelposition des EV-Motors zu bestimmen und somit kostspielige externe Hardware überflüssig macht. Die Softwarekomponente bietet mehr Flexibilität und kann die Erweiterung um neue Funktionen unterstützen. Zudem kann sie die Entwicklung von Steuermodulen vereinfachen, da ein Design eines Steuergeräts (ECU) in verschiedenen Konfigurationen verwendet werden kann, die normalerweise unterschiedliche Steuergeräte erfordern würden. Das kann die Anzahl der Steuergeräte, die entwickelt und in Fahrzeugen ersetzt werden müssen, verringern.

Bild 2: Die modellbasierte Design-Toolbox im Überblick. Sie involviert die Modellierungswerkzeuge MATLAB und Simulink.
Bild 2: Die modellbasierte Design-Toolbox im Überblick. Sie involviert die Modellierungswerkzeuge MATLAB und Simulink. (Bild: NXP)

Wartung per Mobilfunkverbindung

Mit der Verfügbarkeit von Mobilfunkverbindungen und einer höheren Rechenleistung im Fahrzeug lässt sich die Fahrzeugleistung sowohl im Fahrzeug als auch aus der Ferne überwachen und analysieren. Dadurch können Verschleiß und Alterung von Fahrzeugkomponenten kontinuierlich überwacht werden. Eine Hochleistungs-MCU wie der S32K39 von NXP kann neben der reinen Motorsteuerung auch künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) einsetzen, um Systeme im Fahrzeug zu überwachen und Anomalien zu erkennen. Spezielle Hardware wie digitale Signalprozessoren (DSP) und ML-Prozessorkerne können das maschinelle Lernen beschleunigen. Das bietet neue Möglichkeiten für die Überwachung aller Fahrzeugparameter, gleichzeitig sorgt die Übermittlung der Daten in die Cloud für mehr Optionen bei der Datenanalyse.

Die Datenverarbeitung in der Cloud ermöglicht neue Anwendungen wie digitale Zwillinge von Fahrzeugen, um die Notwendigkeit von präventiven Wartungsmaßnahmen besser abschätzen zu können. Die Daten können zudem zur Analyse von Fahrzeugdaten über ganze Fahrzeugflotten hinweg verwendet werden. Darüber hinaus lassen sich an der Edge digitale Zwillinge mit geringerer Auflösung in der S32K39-MCU in Echtzeit einsetzen, um den Betrieb des EV-Motors zu optimieren.

Ein OEM kann beispielsweise Daten aus seiner Flotte von Elektrofahrzeugen nutzen, um Probleme bei Elektromotoren zu diagnostizieren, die häufiger als erwartet Defekte haben. Während die Daten eines einzelnen Fahrzeugs möglicherweise nicht genügend Betriebszustände erfassen oder Wiederholungen aufweisen, liefert die Analyse des größeren Datenbestandes der gesamten Fahrzeugflotte möglicherweise Hinweise auf die Ursache des Problems. Eine Behebung dieses Problems kann dann die Kosten senken, da die Fahrzeuge nicht gewartet werden müssen. Das führt zu einer höheren Kundenzufriedenheit und verbessert die Qualität und Kundenbindung der Marke.

Eine weitere nützliche Funktion ist es, die wichtigsten Komponenten des Fahrzeugs fortlaufend daraufhin zu untersuchen, ob sie eine höhere Leistung erzielen können. Ein gutes Beispiel hierfür ist, die Stromversorgungskomponenten im Antriebssystem des Elektromotors dahingehend zu überprüfen, ob sie mehr Leistung aufnehmen können. Das Angebot dieser Funktion bietet eine potenzielle zusätzliche Einnahmequelle für den Fahrzeughersteller. Sie könnte als einmaliges Upgrade oder gegen eine monatliche Gebühr mit kontinuierlicher Überwachung verkauft werden.

Während das fortlaufende Überwachen von Fahrzeugen und die vorausschauende Wartung für die meisten Fahrzeuge einfach nur praktische Vorteile sind, sind sie für Einsatzfahrzeuge wie Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen unerlässlich. Diese Einsatzfahrzeuge müssen immer betriebsbereit sein und dürfen keine unerwarteten Ausfälle haben.

Lebensdauer per Digital Twin optimieren

Die Lebensdauer eines Elektrofahrzeugs ließe sich verlängern, wenn gesammelte Fahrzeugdaten zur Steuerung digitaler Zwillingsmodelle in der Cloud genutzt werden. So ließen sich Algorithmen und maschinelle Lernmodelle, die im Fahrzeug laufen, auf Basis dieser gesammelten Daten weiter verbessern. Aktualisierungen der Software für die Motorsteuerung von Elektrofahrzeugen lassen sich dann mit sicheren OTA-Updates vornehmen ohne die Hardware aufzurüsten oder das Fahrzeug zur Wartung zu bringen. Außerdem kann die Lebensdauer durch die Anpassung einiger Fahrzeugfunktionen verlängert werden. Dies kann insbesondere nützlich sein, wenn Fahrzeugteile altern und ihr Austausch kostspielig ist. In diesem Fall wären viele Kunden unter Umständen auch mit geringfügig geringerer Leistung und Ausstattung mit ihrem aktuellen Fahrzeug zufrieden. Das schränkt zwar die Bedürfnisse von Fahrzeugherstellern, regelmäßig alte Fahrzeuge durch neue zu ersetzen, ein - es ist aber besser für die Umwelt, da keine Ressourcen für neue Fahrzeuge benötigt werden.

Die Entwicklung des softwaredefinierten Elektrofahrzeugs ermöglicht eine schnellere, flexiblere und sicherere Entwicklung von Elektrofahrzeugen und erfordert gleichzeitig eine höhere Performance und mehr Funktionen von neuen MCUs. Die Herausforderung für die Entwickler besteht darin, zu lernen, wie sie diese neuen MCUs effektiv einsetzen können, um deren Funktionen und Leistung optimal zu nutzen.

Prozessoren für das softwaredefinierte Fahrzeug

Die Umstellung der Automobilindustrie auf softwaredefinierte und elektrische Fahrzeuge hat große Auswirkungen auf das gesamte Fahrzeug. Einer der wichtigsten und vielversprechendsten Bereiche ist der softwaredefinierte Motor. Er nutzt die fahrzeuginternen Daten und deren intelligente Verarbeitung gemeinsam mit der Cloud, und kann so im Laufe der Zeit durch agile Entwicklung weiter verbessert werden. NXP bietet mit seinen S32-Automobilprozessoren Lösungen sowohl für softwaredefinierte als auch für Elektrofahrzeuge an, welche die Anforderungen an die Rechenleistung durchgängig erfüllen. Dazu gehören der zentrale Fahrzeugcomputer (S32G), die Antriebssteuerung (S32E), die Zonensteuerung (S32Z), die leistungsstarke Traktionsumrichtersteuerung (S32K39) sowie weitere Datenverarbeitungsanwendungen für E-Fahrzeuge (S32K37).

Allerdings bilden leistungsfähigere Prozessoren lediglich eine technische Grundlage - zur Umsetzung einer End-to-End-Lösung für softwaredefinierte Motoren reichen sie alleine nicht aus. Deswegen arbeitet NXP mit externen Partnern zusammen. Dazu gehören zum Beispiel MathWorks für modellbasiertes Design mit MATLAB und Simulink oder Amazon Web Services (AWS) für Cloud-Services wie CodePipeline für die Code-Entwicklung, Schulung und Simulation sowie zur Unterstützung von OTA-Implementierungen für die EV-Motorsteuerungen. Diese Kooperationen bilden die Basis für den Aufbau einer DevOps-Plattform für softwaredefinierte Innovationen bei EV-Motoren, die den Entwicklungsprozess der Kunden beschleunigt. (na)

Brian Carlson

Director Global Product and Solutions Marketing bei NXP

Jeff Loeliger

Electronic Systems Engineer bei NXP

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