Der Wandel in der Automobilindustrie ist überall zu spüren: Automobilhersteller investieren in vernetzte Elektrofahrzeuge (EVs), die immer autonomer werden. Die Zukunftssicherheit der Funktionen wird dabei über Over-the-air (OTA)-Updates während der gesamten Lebensdauer gewährleistet. Die Software, die auf den neuen elektrischen und elektronischen (E/E-)Architekturen läuft, muss auf innovative Weise entwickelt werden, um all diese bedeutenden Investitionen zu unterstützen.
Dies führt zu einer Verlagerung von einem hardwarezentrierten zu einem softwaredefinierten Fahrzeugansatz (SDV). Doch wie wirkt sich dieser vielschichtige Wandel auf verschiedene Ebenen der Automobilentwicklung aus, z. B. auf die Hardware-, Netzwerk- und Softwareentwicklung, bei gleichzeitiger Nutzung der Cloud für die Fahrzeugentwicklung und Bereitstellung von Support über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs hinweg? Werfen wir einen Blick unter die Haube.
Massiver Wandel in der Automobilindustrie
Die Automobilbranche erlebt eine Revolution, die Fahrzeuge von Grund auf verändern wird. Die Automobilhersteller haben erkannt, dass ihre traditionellen flachen E/E-Architekturen nicht mehr schrittweise mittels elektronischer Steuergeräte (ECUs) skalierbar sind und die Anforderungen an Rechenleistung und Datenbandbreite von vernetzten, autonomen, gemeinsam genutzten, elektrischen Fahrzeugen nicht erfüllen können. Große Sorgen bereitete dabei auch die Sicherheit: Jeder böswillige Angriff auf eine dieser Boxen könnte zu schwerwiegenden Sicherheitsproblemen führen. Um die Branche voranzubringen, haben die OEMs sich daher für einen dynamischeren und softwaredefinierten Ansatz entschieden, der auch bei Alltagsprodukten wie Smartphones verwendet wird.
Der erste Schritt eines Automobilherstellers auf dem Weg zum softwaredefinierten Fahrzeug besteht darin, die einzelnen Funktionen innerhalb des Fahrzeugs logisch in isolierte Abschnitte zu gruppieren. Diese Isolierung in der Domain-Architektur sorgt für eine zusätzliche Sicherheitsebene, bei der das zentrale Gateway den Datenfluss mit den Domain-Controllern kontrolliert. Die logische Folge ist eine Zusammenführung von Funktionen wie Kommunikation, Karosserie und Komfort, Fahrerassistenzsysteme (ADAS) und autonomes Fahren sowie eine Anbindung an die Cloud.
Zonen-Architekturen teilen Funktionen physisch auf
Neue Architekturen, die für das Jahr 2025 geplant sind, verfolgen stärker den zonalen Ansatz. Anstelle der logischen Aufteilung der Funktionen wie beim Domain-Ansatz basiert der neue Ansatz auf der physischen Aufteilung in Zonen. Die Vorteile einer Domain- oder Zonenarchitektur gegenüber einer flachen Architektur bestehen vor allem in einer Reduktion der Komplexität des Kabelbaums, was eine geringere Größe, ein niedrigeres Gewicht und günstigere Herstellungskosten zur Folge hat.
Durch den Wechsel von ECUs zu Software-Modulen mit einer einheitlichen Softwarearchitektur, die funktionale Domänen in zonalen Gateways umfasst, können OEMs Software über Domänen hinweg nutzen, anstatt in die Pflege und Weiterentwicklung der Software für jede einzelne Hardware-Box investieren zu müssen. Dieser zonale Fokus vereinfacht Hardware- und Software-Upgrades erheblich. Da die Software alles definiert, von der Benutzeroberfläche bis zur Leistung und Reichweite des Fahrzeugs, sind Verbesserungen im Laufe der Zeit durch OTA-Updates möglich. Ein Upgrade zum autonomen Fahren oder eine Steigerung der Leistung könnte sogar den Wert des Fahrzeugs erhöhen.
Bevorstehende Herausforderungen: Von Halbleitern bis künstliche Intelligenz
Ein wahres Feuerwerk an Technologien steht bevor, um das softwaredefinierte Fahrzeug zu verwirklichen. Erstens gibt es leistungsfähige, für die Automobilindustrie qualifizierte Prozessoren oder System-on-Chips (SoCs), die Dutzende von Prozessoren und Funktionen vereinen. Normalerweise haben Automobilhersteller einen Antriebsstrang-Ingenieur, einen Karosserie- und Komfort-Ingenieur und einen Infotainment-Ingenieur, die alle in ihren eigenen Silos arbeiten. Nun werden jedoch einige dieser Funktionen auf demselben Prozessor ausgeführt.
Hinzu kommen Hochgeschwindigkeitsnetzwerke und drahtlose Konnektivität mit 5G-Netzen und Wi-Fi 6 sowie die Zusammenarbeit mit Cloud-Anbietern. Dabei sind vor allem die Reife der Cloud-Infrastruktur, der Cloud-Native Software und der Tools entscheidend.
In den Fahrzeugen selbst gab es erhebliche Fortschritte bei der Automotive-Ethernet-Technologie. Sehr schnell kam es zum Übergang von 100 Mbit/s auf 2,5 Gbit/s – nun ist 10 Gbit/s in Sicht. Dieses Multi-Gigabit-Ethernet mit Time-Sensitive Networking (TSN) sorgt für eine hohe Servicequalität (QoS) und gewährleistet die Fähigkeit zur gemeinsamen Nutzung von Daten im gesamten Fahrzeug.
Hinzu kommt das maschinelle Lernen (ML), was ebenfalls die Cloud erfordert. Der kontinuierliche Fluss von Live-Daten verbessert die Modelle innerhalb des Fahrzeugs über seine gesamte Lebensdauer hinweg und führt zum Einsatz neuer Algorithmen. Darüber hinaus müssen die neuen Cybersicherheitsvorschriften und -standards implementiert werden, einschließlich OTA-Management und der Erkennung und Erfassung von Angriffen (Intrusion Detection and Logging).
All diese neuen Technologien stellen eine große Herausforderung für Automobilhersteller dar, für deren Umsetzung sie beträchtliche Investitionen tätigen und Tausende von Softwareingenieuren beschäftigen müssen. Zudem findet eine Verschiebung zu neuen Entwicklungsmethoden und kontinuierlicher Integration und Bereitstellung (CI/CD) statt – mit einer stärkeren Abhängigkeit von der Cloud und umfangreicher Softwareintegration. Eine weitere Herausforderung stellen die Umstrukturierungen dar, um die Kommunikationssilos aufzubrechen, da Funktionen im Fahrzeug konsolidiert werden. Auch die Gewinnung neuer Talente und die Entwicklung neuer End-to-End-IT-Systeme erfordern großen Aufwand.
Doch es besteht Hoffnung. Obwohl es viele verschiedene Ansätze für softwaredefinierte Fahrzeuge gibt, besteht ein grundsätzlicher Bedarf an engerer Zusammenarbeit. Zudem muss die Branche einen Weg finden, um plattformübergreifende Dienste zu fördern. Dabei geht es nicht darum, das Rad neu zu erfinden.
Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg
Entscheidend für den Erfolg des softwaredefinierten Fahrzeugs ist die Zusammenarbeit. Es ist wichtig, offene Standards zu nutzen und bewährte Praktiken auszutauschen, Ansätze anzugleichen und so viel wie möglich wiederzuverwenden. Open Source ist der Schlüssel für eine einheitliche Vorgehensweise und beseitigt redundante und proprietäre Ansätze in der Branche. Anstatt isoliert zu handeln, müssen einheitliche Mechanismen und Anwendungsprogrammierschnittstellen (APIs) vorhanden sein, um die Voraussetzungen für Innovationen innerhalb eines Ökosystems zu schaffen.
In letzter Zeit gab es in der Branche viele Impulse für Allianzen, die sich mit verschiedenen Aspekten von softwaredefinierten Fahrzeugen befassen. Die „Scalable Open Architecture For Embedded Edge“ (SOAFEE) strebt eine gemeinsame cloudbasierte Architektur an, die für verschiedene kritische Anwendungen im Automobilbereich optimiert ist, z. B. Echtzeit- und anwendungsspezifische Datenverarbeitung. Das Projekt wird auch entsprechende Open-Source-Referenzimplementierungen bereitstellen, die offene Standards nutzen, um die SDV-Entwicklung zu unterstützen und zu beschleunigen.
Im Gegensatz dazu konzentriert sich die „Connected Vehicle Systems Alliance“ (COVESA) mit der Vehicle-Signal-Specification (VSS) stärker auf die Entwicklung eines branchenüblichen Fahrzeugdatenmodells. Inzwischen gehen sie noch einen Schritt weiter und arbeiten an der Telemetrie von softwaredefinierten Fahrzeugen. So sollen die Nutzererfahrung verbessert und Praktiken zur Kombination von Softwareentwicklung und IT-Betrieb (DevOps) entwickelt werden, um die Leistung und andere datengesteuerte Aspekte im Zusammenhang mit softwaredefinierten Fahrzeugen zu verbessern.
Schließlich hat die Eclipse Foundation die SDV-Arbeitsgruppe gegründet, um eine offene Technologieplattform für softwaredefinierte Fahrzeuge zu schaffen und die Innovation von Software-Stacks für die Automobilindustrie zu beschleunigen. Ziel ist es, die Industrie anzuregen, ihre Kräfte zu bündeln, um gemeinsam an der für SDVs erforderlichen übergreifenden Infrastruktur zu arbeiten.
Fazit
Herkömmliche E/E-Architekturen für Fahrzeuge lassen sich nicht mehr durch den Einsatz zusätzlicher Hardware-Boxen (ECUs) anpassen und können die zukünftigen Anforderungen von CASE Fahrzeugen in Bezug auf Rechenleistung und Datenbandbreite nicht mehr erfüllen. Das langfristige Ziel muss eine Verringerung der Hardwarekomplexität durch eine stärkere Software-Definition des Fahrzeugs sein. Diese wiederum trägt zu einer Effizienzsteigerung bei der Fahrzeugproduktion bei, unterstützt die Fähigkeit zu Software-Upgrades, beschleunigt die Entwicklung neuer Funktionen und Innovationen und eröffnet neue Einnahmequellen durch OTA-Dienste.
Wenn Automobilhersteller dann noch die verbleibenden Herausforderungen durch Umstrukturierung und die Anwerbung neuer Talente aus dem Silicon Valley und anderen Orten bewältigen, stehen die Chancen gut für den Erfolg von softwaredefinierten Fahrzeugen.