Globale Wertschöpfungskette von Halbleitern

Europa – Asien und zurück: Die Halbleiterfertigung ist heute ein globaler Akt, wobei viele Hightech-Prozesse in Europa/Amerika stattfinden und der Aufbau und die Verbindungstechnik des Chips in Südostasien. (Bild: ZVEI)

Auch wenn es nach wie vor zu Auf und Abs auf dem Halbleiter-Weltmarkt kommt, ist ein klarer Aufwärtstrend erkennbar. Nach den Umsatzrückgängen 2019 und den Corona-bedingten Anstieg von Consumer-Elektronik 2021 scheint sich der Markt wieder zu normalisieren (Bild 1). 2022 wurden weltweit Chips im Wert von 580 Milliarden US-Dollar produziert, doch nur knapp zehn Prozent davon in Europa.

Entwicklung Halbleiter-Weltmarkt
Bild 1: Ein Trend am Halbleiter-Markt zeigt trotz aller Ups-and-Downs nach oben und soll bis 2030 ein Volumen von einer Billion US-Dollar erreichen. (Bild: WSTS / ZVEI)

Wachstum am Halbleitermarkt hält auch 2022 an

Der ZVEI geht auch von anhaltendem Wachstum aus. „Der globale Halbleitermarkt wird sich bis 2030 auf rund eine Billion US-Dollar verdoppeln“, ist sich Robert Kraus, Vorsitzender der ZVEI-Fachgruppe Halbleiter und CEO Inova Semiconductors, anlässlich eines ZVEI-Pressegesprächs sicher. „Obwohl der Halbleitermarkt derzeit ein typisch zyklisches Verhalten zeigt, bei dem kurzfristig Überkapazitäten aufgebaut werden, steht die Chip-Rallye der vergangenen Jahre noch nicht vor ihrem Ende.“ Weiterhin sind die Lieferzeiten von Chips für einzelne Produktgruppen kritisch und die Nachfrage hoch. Daran wird sich langfristig nichts ändern, denn der Bedarf an Chips - besonders in den für die Märkte Auto und Industrie relevanten Strukturgrößen - bleibt ungebrochen hoch. Nach Angaben des ZVEI wird der Umsatz mit Automotive-Halbleitern bis 2030 um 11 Prozent auf 170 Milliarden US-Dollar ansteigen (Bild 2), während der Industrial-Markt auf 140 Milliarden US-Dollar anwächst (9 Prozent Wachstum). In diesen beiden Bereichen ist auch der Bedarf an Halbleitern in Europa am größten. 37 Prozent der weltweiten Automotive-Halbleiter und 23 Prozent der Industrial-Halbleiter werden in Europa gebraucht (Bild 3).

Der ZVEI wies auch auf die Bedeutung der Halbleiter im Auto hin und merkte an, dass hier ältere Strukturgrößen oft gefragter sind als Leading-Edge-Technologien (Bild 4). Robert Kraus spricht hier von heutigen Autos als Potpourri aus Halbleitern mit verschiedenen Technologie-Knoten. Er weist aber auch darauf hin, dass vor allem Legacy-Technologien >22 nm gebraucht werden, in diesem Bereich in den vergangenen Jahren aber kaum Investitionen stattfanden.

Bedarf Halbleitermärkte
Bild 2: Gerade der Bedarf an den Märkten Industrial und Automotive wird in den nächsten Jahren stark steigen. (Bild: WSTS / ZVEI)

Europa braucht technologische Souveränität

Sämtliche Regionen der Welt, in denen Teile der Halbleiterindustrie beheimatet sind, stellen heute die Weichen richtig, um ihre Konkurrenzfähigkeit zu verbessern. Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung, befürchtet allerdings, dass Europa sich als Halbleiter-Region kaum halten kann, wenn der EU Chips Act zu spät umgesetzt wird oder die notwendigen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind.

Bereits im Herbst 2021 wurde der EU Chips Act angekündigt, der das Ziel hat, den Anteil Europas am globalen Halbleitermarkt auf 20 Prozent bis 2030 zu verdoppeln und so einen Beitrag zur technologischen Souveränität Europas zu leisten. Im Trilog zwischen EU-Kommission, Rat der Europäischen Union und Europäischem Parlament soll das Gesetz dieses Jahr verabschiedet werden. Wichtig ist dabei, den EU Chips Act stark an der Halbleiter- und Anwenderindustrie auszurichten und seinen Bedarfen an Chips aller Strukturgrößen.

Halbleiter-Vebrauch in EUropa
Bild 3: Automotive und Industrial sind europäische Kernmärkte und haben mit den größten Bedarf an Halbleitern. (Bild: WSTS / ZVEI)

Aktive Standortpolitik notwendig

Benchmark für Europa sollte der US Chips and Science Act sein, der ein Volumen von über 200 Milliarden US-Dollar umfasst. Europa spricht derzeit von 43 Milliarden Euro, die für den EU Chips Act eingesetzt werden sollen, wobei es sich bei dieser Summe nur zum kleinen Teil um vollständig neu allokierte Finanzmittel handelt. Die EU-Kommission setzt bislang nahezu ausschließlich auf die Unterstützung durch die Mitgliedsstaaten. Ohne erhebliche zusätzliche Investitionen der öffentlichen Seite, auch durch die Anwendung des angekündigten European Sovereignty Fund, sowie ohne Investitionsanreize für die private Seite, wird es trotz des European Chips Acts zu einer Verfehlung des 20-Prozent-Ziels Europas und einer weiteren Schwächung Europas als Investitionsstandort kommen

ZVEI / Infineon
Die Zahl der Halbleiter nimmt stetig zu, allerdings kommen hier weniger Leading-Edge-Technologien zum Einsatz, sondern eher höhere Strukturknoten. (Bild: ZVEI / Infineon)

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