Wafer

Wer forscht in Deutschland an Halbleitern? Wer produziert sie? Unsere Übersicht samt interaktiver Karte gibt Ihnen einen Überblick über das so wichtige Thema. (Bild: Bosch)

Dass Halbleiter eine immer größere Rolle spielen, hat man nun sicher schon oft gehört und gelesen. In den Fokus der breiten Öffentlichkeit ist das Thema aber erst durch die Corona-Pandemie und der daraus resultierenden Knappheit der Chips gerutscht. Hier war und ist vor allem der Automobil-Sektor betroffen.

Mehr zu den technischen Hintergründen des Halbleitermangels in der Automobil-Branche gibt es im Interview mit Globalfoundries und Silicon Saxony.

Anfang November 2022 gab es dann wieder neue Schlagzeilen rund um das Thema, denn das Wirtschaftsministerium unterband den Ende 2021 angekündigten Verkauf der 200-mm-Waferfertigung von Elmos am Standort Dortmund an die schwedische MEMS-Foundry Silex. Mit einem Gesamtverkaufspreis von rund 85 Mio. Euro eigentlich ein eher kleineres Geschäft auf dem milliardenschweren Halbleitermarkt. Das Problem bei der Sache: Silex ist ein Tochterunternehmen des chinesischen Sai-Konzerns. Hier bestand nun die Gefahr, dass mit dem Verkauf des Standort auch eine kritische Infrastruktur und technologisches Know-How nach Fernost verkauft werden könnte. Erst kürzlich stritt die Ampelkoalition beim chinesischen Einstieg bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen über den Einfluss des Landes in Deutschland.

Update vom 6.7.2023:  Elmos Semiconductor will seine Waferfertigung in Dortmund nach dem geplatzten China-Deal für 93 Millionen an Littelfuse verkaufen.

Aber zurück zu den Halbleitern: Der Vorgang, dass das Bundeswirtschaftsministerium bei solchen Entscheidungen mitentscheidet, ist keinesfalls neu. Quasi zeitgleich zur Elmos-Entscheidung, stoppte die Bundesregierung die Übernahme des Halbleiterzulieferers ERS Electronic. Bereits Anfang 2022 platze die Übernahme des deutschen Halbleiterkonzerns Siltronic, da das Wirtschaftsministerium eine Frist verstreichen ließ, ohne dem Deal zuzustimmen.

Wo in Deutschland werden Halbleiter produziert, wer forscht daran und welche Netzwerke gibt es?

Deutschland liegt im innereuropäischen Ranking hinsichtlich des Exporthandelswert für integrierte Schaltkreise (engl: integrated circuit (IC)), umgangssprachlich Mikrochips genannt, auf dem ersten Platz und hat 2020 Produkte im Wert von 12,8 Milliarden US-Dollar exportiert. Aber wo in Deutschland werden die Chips hergestellt? Welche Einrichtungen forschen daran und welche Netzwerke zum Austausch gibt es? Unsere interaktive Karte gibt Ihnen einen Überblick.

Für weitere Informationen zu den Standorten, auf einen Kreise klicken und dem Link "Zur Standortinformation" (in blau) folgen. Falls Sie die Karte nicht sehen können, kann ein Adblocker der Grund dafür sein.

Wo in Deutschland an Halbleitern gearbeitet wird

Wenn Ihnen ein Standort fehlt, lassen Sie es mich gerne unter martin.large@huethig.de wissen. Zulieferer für die Halbleiterindustrie in Deutschland haben wir erstmal nicht in die Karte aufgenommen.

Natürlich gibt es nicht nur in Deutschland Standorte zur Halbleiterei. Im näheren europäischen Ausland seien zum Beispiel das Forschungszentren für Nano- und Mikroelektronik Imec in Löwen, Belgien oder das CEA-Leti (Laboratoire d’électronique et de technologie de l’information), ein Forschungsinstitut für Elektronik und Informationstechnologie mit Sitz in Grenoble genannt. Auf Produktionsseite hat beispielsweise Infineon 2021 in Villach, Österreich eine Chipfabrik für Leistungselektronik auf 300-Millimeter-Dünnwafern eröffnet.

Wohin entwickelt sich die Halbleiterherstellung in Europa?

Anfang 2022 hatte die Politik in Form der Europäische Kommission mit dem EU Chips Act ein "Ökosystem" der Chipherstellung angekündigt. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und internationalen Partnern sollen mehr als 43 Mrd. Euro an öffentlichen und privaten Investitionen mobilisiert werden. Ziel ist es, den derzeitigen Marktanteil der EU bis 2030 auf 20 Prozent zu verdoppeln. Zum Factsheet EU Chips Act

Die Reaktionen von Verbänden und Unternehmen waren damals weitestgehend positiv, wobei sie dem Plattform-Anbieter für Elektronik-Wertschöpfungsketten Supplyframe beispielsweise nicht weit genug gehen. In ein ähnliches Horn blies kürzlich ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel beim Summit Microelectronics for Future 2022 in Berlin: „Der EU Chips Act ist von hoher Bedeutung, denn der Mikroelektronikindustrie kommt in Deutschland und Europa eine essenzielle Rolle zu, weil sie die in der Lieferkette nachgeschalteten Anwenderindustrien versorgt.“ Allerdings müssen laut Kegel zusätzliche Mittel für die Vorhaben des EU Chips Act zur Verfügung gestellt werden. „Im internationalen Wettbewerb können wir nur bestehen, wenn wir wichtige europäische Industrieprojekte mit hohem Einsatz umsetzen“, betonte Kegel

Sicherlich förderlich war der EU Chips Act bei der Entscheidung von Intel, zwei Halbleiterwerke in Magdeburg zu errichten. Das geht zumindest aus den Aussagen von Intel CEO Pat Gelsinger hervor, der den European Chips Act und das damit verbundene Engagement Europas als maßgeblich für die Entscheidung des Investments in Europa bezeichnete. Auch der weltweit größte Automobilzulieferer Bosch hat bereits und will weiterhin, Milliarden in den Standort investieren. Drei Milliarden Euro sollen es bis 2026 werden – geplant sind unter anderem zwei neue Entwicklungszentren sowie die Produktion von MEMS-Sensoren auf 300-Millimeter-Wafern. Mehr zu Halbleiter-Strategie des Konzerns lesen Sie im Interview mit Dr. Patrick Leinenbach. Auch Infineon kündigte Mitte November einen neuen Standort für 5 Milliarden Euro in Dresden an, allerdings “vorbehaltlich angemessener öffentlicher Förderung“. Hier könnte wieder der EU Chips Act ins Spiel kommen.

In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Gerüchte über eine Ansiedlung von TSMC – ebenfalls in Dresden, wo mit mit Silicon Saxony einen starken Branchenverband sitzt.  Ende 2023 hatte der taiwanische Halbleiterhersteller seine Pläne bestätigt. Dazu gründet er gemeinsam mit Bosch, Infineon und NXP ein Joint Venture, die European Semiconductor Manufacturing Company (ESMC), um eine 300-mm-Fertigungsanlage zu errichten. TSMC wird die Fabrik betreiben und hält 70 Prozent an dem Joint Venture, während Bosch, Infineon und NXP jeweils 10 Prozent halten. Die Gesamtinvestitionskosten sollen sich auf über 10 Milliarden Euro belaufen, hinzu kommt eine noch nicht bestätigte Förderung durch die Bundesregierung.

Das geplante Werk soll eine monatliche Produktionskapazität von 40.000 300 mm (12 Zoll) Wafern auf Basis der 28/22 Nanometer Planar-CMOS- und 16/12 Nanometer FinFET-Prozesstechnologie von TSMC haben, das europäische Ökosystem der Halbleiterfertigung mit FinFET-Transistortechnologie weiter stärken und rund 2.000 direkte Arbeitsplätze im High-Tech-Sektor schaffen. ESMC plant, mit dem Bau der Fabrik in der zweiten Jahreshälfte 2024 zu beginnen und die Produktion bis Ende 2027 aufzunehmen. In Dresden sollen dann vor allem Komponenten für die Automobilindustrie gefertigt werden.

Seit Berichten in der Saarbrücker Zeitung und dem Handelsblatt, spekulierte die Automobilindustrie über einen weiteren Standort einer Halbleiterfab in Deutschland. Im Gespräch waren dafür Wolfspeed und ZF. Am 1.2.2023 gab es dann die Gewissheit. In einem Live-Stream verkündete Gregg Lowe, CEO von Wolfspeed, die Neuheit:Die Partnerschaft umfasst eine finanzielle Beteiligung von ZF am geplanten Bau der weltweit größten 200-mm-Siliziumkarbid-Halbleiterfertigung im saarländischen Ensdorf. Wolfspeed wird dort eine hochautomatisierten 200-Millimeter-Wafer-Fabrik bauen. ZF beabsichtigt diesen Neubau mit einem dreistelligen Millionen-Euro-Betrag im Tausch gegen Wolfspeed-Stammaktien zu unterstützen. Als Teil dieser Investition erhält ZF eine Minderheitsbeteiligung an der Fabrik in Ensdorf. Die Kontrolle und operative Leitung der neuen Fabrik liegt bei Wolfspeed.

Zudem soll ein gemeinsames Forschungszentrum entstehen. Hier finden Sie weitere Details sowie den Kommentar des Chefredakteurs Alfred Vollmer und welche Schlagzeilen er voraussieht.

Welche Rolle spiele IPCEI für Halbleiterunternehmen in Europa?

Ein weiterer Fördertopf für Halbleiterunternehmen ist das IPCEI. Die Abkürzung steht für „Important Project of Common European Interest“. Dabei handelt es sich um ein transnationales Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse, das mittels staatlicher Förderung einen Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft leisten soll.

Mit den Fokusthemen Energieeffiziente Chips, Leistungshalbleiter, Smart Sensors, Optische Komponenten, Verbundmaterialien wurde 2018 ein ICPEI für Mikroelektronik mit dem Fokus auf den Aufbau von industriellen Produktionskapazitäten aufgelegt, wobei das CEA-Leti, Globalfoundries, Soitec, ST Microelectronics, X-FAB, Elmos, Infineon, Murata, Bosch, Semikron, TDK-Micronas, AMTC, Zeiss, Azur Space Solar Power und Osram beteiligt waren.

Im Juni 2023 gab die Europäische Kommission bekannt welche 68 Projekte sie im Bereich Mikroelektronik- und Halbleiter in Europa mit 8,1 Milliarden Euro stärken wird. Die Details – inklusive interaktiver Karte – gibt es hier.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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