Computer-CPU mit EU-Flagge isoliert auf schwarzem Hintergrund

Spätestens die weltweiten Lieferengpässe im Zuge der Pandemie haben eindrücklich gezeigt, wie wichtig Halbleiter sind. Mit dem EU Chips Act will die Europäische Kommission darauf reagieren. Aber wie ist die Meinung von Verbänden und Unternehmen? (Bild: viperagp – Adobe Stock)

Die Halbleiterknappheit dauert noch bis 2023 an, vermeldete Infineon vor Kurzem. Ob nächstes Jahr tatsächlich das Ende der Krise zu feiern ist, bleibt abzuwarten. Noch immer stehen Werke, z.B. in der Automobil- und Elektronikindustrie, still, weil Vorprodukte fehlen. Teils aus Rohstoff-, oft aus Chipmangel. Das Momentum hat sich gedreht. Diktierten einst Kunden aus dem Automotive- oder Elektronikbereich die Preise für Vorprodukte, sitzen inzwischen Chiphersteller und Rohstofflieferanten – dank knappen Angebots und hoher Nachfrage – in der weitaus besseren Verhandlungsposition.

Die Europäische Kommission will die Widerstandsfähigkeit und die technologische Souveränität der EU im Bereich der Halbleitertechnologien und -anwendungen stärken. Dazu hat sie kürzlich das Europäische Chip-Gesetz (Chip Act) vorgelegt. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und internationalen Partnern sollen mehr als 43 Mrd. Euro an öffentlichen und privaten Investitionen mobilisiert werden. Ziel ist es, den derzeitigen Marktanteil der EU bis 2030 auf 20 Prozent zu verdoppeln.

Wie reagieren Verbände und Unternehmen auf diese Ankündigung? Wir haben uns umgesehen und Stimme für Sie zusammengefasst:

Supplyframe: Maßnahmen im Rahmen des Chips Act reichen nicht aus

Sascha Bütterling, Senior Director SaaS DACH bei Supplyframe, erklärt: „Wir von Supplyframe halten die Maßnahmen der EU-Kommission für nicht ausreichend, denn: Die neuen Fabriken sind noch Jahre von ihrer Fertigstellung entfernt, und der Bau und Betrieb hier in Europa sind deutlich teurer als zum Beispiel in China. Zudem sprechen viele Kollegen in der Branche bereits jetzt von einer Halbleiterrezession Ende 2022/Anfang 2023. Diese und andere Herausforderungen, wie die sich ständig ändernden Verbraucherpräferenzen, die Arbeits- und Personalkosten und das rasche Entwicklungstempo sind Faktoren, die man berücksichtigen sollte.

Es stimmt, dass 80 Prozent der heute hergestellten Chips aus Taiwan und Südkorea kommen. Allerdings ist dies nicht der Teil der Halbleiter-Lieferkette, in dem sich die wichtigsten Dinge abspielen. Allein das Design der Halbleiter macht fast die Hälfte des Marktwertes aus und hier dominiert noch immer der amerikanische Markt. Daher sind jetzt Unternehmen gefragt, ihre Lieferketten zu optimieren und diese mit Hilfe von neuesten Technologien – vom Design bis hin zur Rohstoffbeschaffung – kontinuierlich in Echtzeit im Blick zu behalten. So können sie sich am besten auf die Unbeständigkeiten im Markt vorbereiten.”

So reagiert der ZVEI auf den Chips Act

Mit dem European Chips Act legt die Europäische Kommission ein zukunftsweisendes, umfassendes Paket für die Halbleiterbranche vor. Auch der ZVEI hält es für richtig, jetzt das gesamte Halbleiter-Ökosystem in Europa nachhaltig zu fördern. Allerdings sei der Fokus auf Strukturgrößen unter zehn Nanometer zu eng gewählt und gehe am Bedarf der europäischen Abnehmerindustrie vorbei. Denn schließlich seien auch Leistungselektronik und Sensorik entscheidend für das Gelingen der grünen und digitalen Transformation.

Kritisch sieht der ZVEI zudem den geplanten Krisenüberwachungsmechanismus. Die im Regulierungsentwurf vorgesehenen weitreichenden Markteingriffsmöglichkeiten durch die Europäische Union, die damit sogenannte Halbleiterkrisen ausrufen darf und dann einzelne Hersteller gegebenenfalls dazu verpflichtet, spezifische Aufträge zu priorisieren, seien unverhältnismäßig. Das wecke nicht nur rechtliche Bedenken, auch lasse sich die Halbleiterproduktion technisch nicht mal eben umstellen.

Trotzdem sieht der ZVEI im European Chips Act viele gute Ansätze. So etwa direkte Maßnahmen wie das Chips-for-Europe-Programm zum Stärken der technologischen Kompetenz oder auch direkte Investitionen mit mitgliedsstaatlicher Unterstützung in innovative Produktionsstätten.

Statement von Silicon Saxony zum europäischen Chip-Gesetz

„Während die Halbleiterbranche beim Programm IPCEI immer noch auf eine rechtsverbindliche Zusage wartet, legt die Europäische Kommission nun die Geschwindigkeit an den Tag, die dringend geboten ist, um im weltweiten Wettbewerb um Investitionen für neue Produktionskapazität nicht noch stärker ins Hintertreffen zu geraten. Es ist absolut notwendig, dass in Europa die Rahmenbedingungen geschaffen werden, die in anderen Regionen der Welt bereits seit langem gelten. Noch sind europäische Halbleiterunternehmen zurückhaltend, wenn es darum geht, außerhalb der EU zu investieren. Folgen nun keine verbindlichen Entscheidungen der europäischen Nationalstaaten, wird es schwieriger, Investoren diese Zögerlichkeit plausibel zu erklären. Der ‚Chip Act‘ ist eine sehr gute Basis wirtschaftliches Engagement der Chipindustrie in Europa und im Silicon Saxony zu halten und neue Investitionen, wie sie z. B. Intel oder TSMC für Europa in Aussicht gestellt haben, zu ermöglichen. Diese Chance muss jetzt ergriffen werden“, sagt Dirk Röhrborn, Vorstandsvorsitzender des Branchenverbands Silicon Saxony e. V.

STMicroelectronics: Chips Act stärkt Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Halbleiterindustrie

Es ist von entscheidender Bedeutung, über die IPCEI hinaus kohärente Unterstützung für die gesamte Wertschöpfungskette zu bieten: für Forschung und Entwicklung, für Design, für Fertigung und für das Wachstum der verschiedenen Halbleiter-Ökosysteme von Weltrang in Europa. Dies wird zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Halbleiterindustrie auf den Weltmärkten beitragen. Das gesamte Statement von STM auf LinkedIn

NXP Semiconductors: Beitrag zum grünen und digitalen Wandel

Lars Reger, CTO von NXP Semiconductors, kommentierte auf LinkedIn: „Wir bei NXP Semiconductors begrüßen [...] den Vorschlag zum EU-Chipgesetz, der das klare Ziel verfolgt, das europäische Halbleiter-Ökosystem zu stärken und die Widerstandsfähigkeit der EU in wichtigen Technologiebereichen zu verbessern. Gezielte F&E&I-Programme und das neue, einzigartige europäische Instrument sind die richtigen Tools, um den Bedürfnissen der EU-Industrie gerecht zu werden und einen Beitrag zum grünen und digitalen Wandel zu leisten. Der Vorschlag für den EU-Chip Act spiegelt die Bedeutung eines starken europäischen Halbleiter-Ökosystems wider, insbesondere angesichts des heutigen schwierigen globalen Umfelds. Wir begrüßen, dass der Schwerpunkt auf F&E&I und den Aufbau von Chipfertigungskapazitäten gelegt wird, um die Nachfrage der EU-Schlüsselindustrien besser zu decken.“

VDMA: Chipfabriken in Europa müssen zur Industrie passen

Zum "Chips Act" der EU-Kommission und der Rolle des Maschinen- und Anlagenbaus für die technologische Souveränität der EU sagt VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann: „Mit dem Chips Act startet die EU-Kommission eine ehrgeizige Aufholjagd mit geplanten Investitionen von insgesamt 47 Milliarden Euro. Das kann nur gelingen, wenn die EU die Mittel strategisch klug einsetzt, um bei den entscheidenden Technologien Marktanteile auszubauen. Die geplanten Chipfabriken in Europa sollten passgenau auf den europäischen Bedarf geplant werden. Die Bedarfe des Maschinenbaus - einer der größten europäischen Industriebereiche - müssen hierbei berücksichtigt werden: Diese liegen bei Chips in der Größenordnung >16 Nanometer, was sich bis Ende 2030 nicht grundlegend ändern wird. Die Kommission muss dafür sorgen, dass der Fokus nicht nur auf Fabriken für 2 Nanometer-Chips liegt, sondern den Bedarf der breiten Masse der europäischen Industrie berücksichtigt.“

Intel: Chips Act stärkt unser Engagement in Europa

Bruce Andrews, Vizepräsident der Intel Corporation: „Der Vorschlag der Europäischen Union für das #EUChipsAct ist ein Katalysator für Wachstum, einschließlich wichtiger Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in die Produktion, die der EU helfen, ihre Ziele im Bereich der Halbleiterindustrie zu erreichen. Da wir eine Ausweitung unserer europäischen Präsenz in Erwägung ziehen, ist es wichtig, dass die EU und die USA im Ökosystem der Halbleiterherstellung zusammenarbeiten.“

ASML: Zustimmung auf breiter Front

Wouter Berkhout, bei ASML zuständig für europäische Regierungsangelegenheiten, fand eigene Wort der Zustimmung: „Ein weiterer Tag im Halbleitersattel, der in Erinnerung bleiben wird: Die Europäische Kommission hat einen EU-Chip-Gesetzentwurf vorgelegt, der darauf abzielt, die Bedeutung Europas in einer schnell wachsenden globalen Wertschöpfungskette zu erhöhen. Halbleiter haben sich schnell zu einem strategischen Aktivposten und zu einem Diskussionsthema in der öffentlichen Politik entwickelt. ASML hat sich Gedanken darüber gemacht, was dieser "Chips Act" leisten kann.“ Damit meint er das 13-seitige Positionspapier zum Chips Act . Darin heißt es unter anderem: ASML begrüßt und unterstützt nachdrücklich den Vorschlag der Europäischen Kommission für einen "European Chips Act" mit dem Ziel, den Anteil Europas an der weltweiten Halbleiterproduktionskapazität bis 2030 auf 20% zu verdoppeln. Der Chips Act sollte nicht nur auf die Chipproduktion konzentrieren.

Digital Europe: positive Aspekte aber auch Vorbehalte

Auf LinkedIn veröffentlichte Digital Europe dieses Pro-und-Contra-Statement: „Wir glauben, dass diese Initiative Europa die Halbleiterführerschaft zurückgeben kann, wenn wir es richtig anpacken. Kurz gesagt, das Gesetz hat positive Aspekte:

  • Der Schwerpunkt wurde auf den Aufbau von Kompetenzen gelegt, einschließlich des Chipdesigns, um den aktuellen und zukünftigen Marktanforderungen gerecht zu werden.
  • Die Maßnahmen, die auf den Bau neuer Fabriken und die Erleichterung der schwerfälligen Baugenehmigungsverfahren abzielen, sind ebenfalls ein wichtiger Schritt für Europa zum Ausbau der Kapazitäten.

Unsere größten Vorbehalte sind jedoch:

  • Bei der Überwachung sollten die Berichtspflichten auf ein Minimum beschränkt werden, da sie den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen erhöhen und die Gefahr von Doppelarbeit mit sich bringen.
  • Es ist immer noch unklar, wie viel indirekte Finanzierung (d. h. Gelder aus den Mitgliedstaaten) sichergestellt werden soll und wie diese ausgegeben werden soll.“

Hier finden Sie die vollständige Erklärung der Generaldirektorin Cecilia Bonefeld-Dahl

Semi: florierendes europäisches Halbleiter-Ökosystem schaffen

Laith Altimime, Präsident von Semi, einem Industrieverband, der die weltweite Lieferkette für Elektronikfertigung und -design vertritt, äußerte sich positiv: „Da die Chip-Knappheit das Wachstum zahlreicher Branchen weltweit beeinträchtigt, begrüßen wir die Einführung dieser zeitgemäßen Initiative. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und den SEMI-Mitgliedern, um Europas Führungsrolle und Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Zeitalter zu erhalten, indem wir ein florierendes europäisches Halbleiter-Ökosystem und eine widerstandsfähige Lieferkette schaffen.“

Fraunhofer: den Chips Act gemeinsam zum Erfolg führen!

Auch aus Deutschland gab es positive Resonanzen zur Entscheidung der EU: „Wir sind begeistert von der EU-Initiative zur Förderung der europäischen Industrie und ihrer Fähigkeiten zur Halbleiterherstellung. Wir freuen uns darauf, unsere Kräfte zu bündeln und unsere Zusammenarbeit mit unserem Netzwerk von weltweit führenden lokalen, nationalen und internationalen Partnern fortzusetzen, um Europas Position in Forschung und Entwicklung zu stärken!“, schrieb das Fraunhofer IPMS. In diesem Zusammenhang sprach Institutsleiter Prof. Hubert Lakner in einem Interview mit CNBC darüber, dass Dresden ein florierendes Ökosystem für die Chipherstellung bietet und wie sich eine gemeinsame digitale Souveränität in Europa erreichen lässt.

Presseerklärung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum EU-Chipsgesetz

AT&S: ehrgeizigen Plan für Europa

„Wir bei AT&S begrüßen den EUChipsAct, einen ehrgeizigen Plan für Europa, um die Widerstandsfähigkeit des europäischen Halbleiter-Ökosystems zu erhöhen und den Weltmarktanteil bis 2030 auf 20 % zu steigern und damit eine führende Position am Chipmarkt einzunehmen, zu der AT&S einen Beitrag leisten will.“ So AT&S auf LinkedIn. Zudem hat das Unternehmen gleich ein passendes Projekt parat: „Die Investition von 500 Millionen Euro an unserem Standort in Leoben (Österreich) für den Bau eines neuen F&E-Zentrums inklusive der Produktion von Kleinserien und Prototypen für Substrat- und Packaging-Lösungen für die globale Halbleiterindustrie wird dazu beitragen, Europas Zugang zu Spitzentechnologien zu sichern.“

Bitkom: Meilenstein zur Stärkung der europäischen Halbleiterindustrie

Bitkom-Präsident Achim Berg erklärte: „Der EU Chips Act ist ein wichtiger Meilenstein, um die Halbleiterindustrie in Europa zu stärken. Für Europa und Deutschland muss es darum gehen, im Wettbewerb um Technologien und Innovationen auf Augenhöhe mit globalen Vorreitern wie den USA und Asien zu gelangen – als starker, selbstbewusster, digital souveräner Player. Wichtig ist dabei, die Offenheit gegenüber dem Weltmarkt und komplexen globalen Lieferbeziehungen zu bewahren. Die Nachfrage nach Halbleitern ist in den vergangenen Jahren überall auf der Welt rasant gestiegen und wird auch künftig wachsen. Zentrale Bereiche der Digitalwirtschaft wie Telekommunikation, Rechenzentren, Cloud und Edge Computing sind genauso auf eine zuverlässige Versorgung mit Halbleitern angewiesen wie die klassischen Industriebranchen Automobil- oder Maschinenbau.

 

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