Futuristische Darstellung eines Autos

Der Kabelbaum trägt heute extrem viel Gewicht zum Auto bei. Der Ansatz der zonalen Architektur soll dies drastisch reduzieren. Aber wie? (Bild: Nataliia – Adobe Stock)

Die ersten Autohersteller haben bereits mit der grundlegenden Neukonzeption ihrer E/E-Architektur begonnen. Es ist der Versuch, die zunehmende Komplexität des softwaredefinierten Fahrzeugs in den Griff zu bekommen. Mittlerweile verlangen zahlreiche Sensoren und Kameras nach einer zentralisierten Datenverarbeitung. Connected Services ziehen sich bis in die klassischsten Fahrzeugfunktionen. Elektrofahrzeuge benötigen effizientes Energiemanagement für eine größtmögliche Reichweite.

Auf der NXP Connects in Santa Clara stand all dies im Fokus, doch am vehementesten plädierte der Halbleiterhersteller für den Wandel zur zonalen Architektur. Ein Blick in die Vergangenheit offenbart die Gründe: Um die Jahrtausendwende enthielt jedes elektronische Steuergerät (ECU) im Auto rund 4.000 Zeilen an Code. Gut zwanzig Jahre später umfasst dieser in einer typischen ECU bereits 100 Millionen Zeilen und bald könnten 200 Millionen erreicht sein. Angesichts der Vielzahl solcher Steuergeräte und dem komplexen Geflecht von Strom-, Signal- und Kommunikationsverbindungen scheint ein neuer Ansatz bei der Partitionierung von Hardware- und Softwarefunktionen unausweichlich.

Was ist eine Domänenarchitektur?

Die domänenbasierte E/E-Architektur ist der aktuelle Standard für Autos. Sie unterteilt das Fahrzeug zwecks Struktur und Hierarchie in unterschiedliche Domänen. Ähnliche Funktionen für Fahrgestell, Antriebsstrang, Karosserie oder Infotainment werden in ihnen zusammengefasst. Kommt anschließend etwa ADAS hinzu, muss eine neue Domäne geschaffen und deren Steuergerät mit dem zentralen Gateway verbunden werden.

Welche Vorteile hat eine zonale Architektur?

Das softwaredefinierte Fahrzeug ist buchstäblich vernetzt, da die bisherigen Domänen sich über das komplette Fahrzeug verteilen. Das Ergebnis ist eine aufwändige Vernetzung, die den Kabelbaum zum schwersten Bauteil abseits des Motors macht. Der größte Vorteil einer zonalen Architektur liegt somit in der Verringerung des Gewichts, aber auch in einem geringeren Montageaufwand. Zudem müssen die Signale in diesem Sinne nicht mehr um das gesamte Fahrzeug gesendet werden und es benötigt weniger Transceiver. Damit lässt sich auch Energie einsparen – ein besonders gewichtiger Vorteil für Elektrofahrzeuge.

Ein weiterer Pluspunkt bei der Zonenarchitektur ergibt sich aus der Anzahl der Steuergeräte: Mit zum Teil mehr als 120 ECUs wird die Komplexität derzeit nahezu unüberblickbar. Der zonale Ansatz verringert die Zahl der ECUs und sorgt dafür, dass neue Funktionen in bestehende Zonen eingebettet werden können. Stetig neue Domänen wären Geschichte. Diese Zentralisierung der Funktionen ermöglicht schnellere Entwicklungszyklen und damit bessere Anpassungen, Neukonfigurationen oder Updates. Die E/E-Architektur bleibt im Optimalfall also für alle Fahrzeugklassen und -modelle gleich, während die Zonen je nach Bedürfnis angepasst werden.

Mögliche Architekturen im Auto
Die SW-Partitionierung (Software-Partitionierung) spielt eine wichtige Rolle bei der Gestaltung und Umsetzung von Softwarearchitekturen. Bei der SW-Partitionierung geht es darum, eine Software in einzelne Komponenten oder Module zu unterteilen, um sie besser zu verstehen, zu entwickeln, zu warten und zu skalieren. (Bild: NXP)

Wie wird die E/E-Architektur zonal partitioniert?

In einer zonalen Architektur verlagert sich die Funktionalität von Domänencontrollern zu zonalen Steuergeräten und zentralen Prozessoren. Anstatt ähnliche Funktionen in Domänen zu gliedern, werden sie je nach Lage im Fahrzeug einer Zone zugeordnet. „Dieser Ansatz reduziert die Komplexität des Bordnetzes deutlich und erleichtert die Standardisierung“, meint auch Thomas Kost, verantwortlich für Bordnetzentwicklung bei Dräxlmaier. Beleuchtung, Aufhängung, Blinker, Bildsensoren, Bremsen, Lenkung etc. ließen sich zusammenfassen. Die Geräte einer Zone werden von einer oder mehreren ECUs gesteuert, welche wiederum mit einem lokalen Host oder zonalen Gateway kommunizieren. Mehrere Datenströme und Funktionen teilen sich damit eine Hardware.

Ein simpleres Auto könnte in diesem Sinne aus drei oder vier Zonen bestehen, bei komplexeren Fahrzeugklassen wären auch sechs Zonen denkbar. Die Ausgestaltung der Zonen ist variabel – auch was die Elemente in der Hierarchie betrifft. Zudem muss der Umstieg nicht schlagartig geschehen. „Es gibt reichlich Gründe für eine zonale Architektur, aber zugleich auch dafür, diesen Wandel nicht in einem Rutsch zu vollziehen“, betonte in diesem Zusammenhang Brain Carlson, Global Marketing Director, NXP Semiconductors Processing. Möglich wären folgende drei Entwicklungsstufen:

Body Zonal

Die Body-Domain mit ihren vielen verteilten Aktoren und Sensoren sowie Sensor-ECUs wird voraussichtlich eine der ersten Domänen sein, die auf eine Zonenarchitektur übergeht. Dieser erste Ansatz reduziert die Komplexität der Kabelbäume innerhalb des Fahrzeugs. Der Anschluss von Geräten an ein zonales Gateway erfolgt lokal, wodurch sich Anzahl und Länge von Daten- und Stromkabeln reduzieren lässt. Das zonale Gateway fungiert dabei nicht nur als Verarbeitungszentrale, sondern auch als Stromverteilungsmodul. Die Kommunikationsverbindungen zwischen den Gateways und dem zentralen Computing-Cluster lassen sich mit wenigen Hochgeschwindigkeits-Netzwerkverbindungen herstellen. So ist auch die Redundanz, die in sicherheitskritischen Systemen erforderlich ist und aufgrund derer viele Kupferkabel verlegt werden müssen, mit geringerem Materialeinsatz möglich.

Cross-Domain Zonal

In der zweiten Phase geht es um weit mehr als „nur“ die Reduzierung von Gewicht durch weniger komplexe Kabelbäume. Hier wird in den einzelnen Steuerungen sowie der zentralen Recheneinheit zunehmend mehr Rechenleistung benötigt. Die Anzahl der ECUs wird konsolidiert, der Zentralcomputer zum Gehirn des Fahrzeugs. Anstatt etwa die Chassis-Control gemeinsam mit dem Antriebsstrang über einen Motion Domain Controller auszulagern, könnte sie Teil der Zonen werden.

Consolidated Compute

Das finale Ziel der Zonenarchitektur ist ein vollständig software-definiertes Fahrzeug, das idealerweise standardisierte Komponenten für Sensoren, Aktuatoren, zonale Module und Datenverbindungen kombiniert. In der Vision von NXP besteht sie dann aus drei Kategorien von Zonen-Gateways: dem Zonal-Aggregator, dem Zonal-Controller und dem Zonal-Prozessor.

Der zonale Aggregator übernimmt dabei das Traffic-Management und die Echtzeitverarbeitung. Er fasst unterschiedliche Datentypen mit verschiedenen Anforderungen an Kritikalität, Safety und Security zusammen. Dabei ist sowohl der Zugang und das Verlassen der Datenautobahn und schließlich die Rückwandlung von Ethernet-Paketen in CAN- oder LIN-Bus-Signale sicherzustellen, ohne die oben genannten Anforderungen jedes einzelnen Informationsbits zu beeinträchtigen.

Dem zonalen Controller kommt die erweiterte Netzwerkverarbeitung zu. Hier sind Sensoren, Aktoren und gelegentlich auch Funktionen lokal mit dem angesiedelten Controller verbunden. Diese lassen sich auch als Mini-Gateways betrachten, da bei ihnen CAN oder LIN auf Ethernet trifft. Die Zonen-ECUs werden schließlich über einen Hochgeschwindigkeits-Ethernet-Netzwerk-Backbone mit dem zentralen Gehirn des Fahrzeugs verbunden.

Zusätzlich zu all diesen Funktionen ist der Zonen-Prozessor in der Lage, Anwendungsverarbeitung und erweiterte Gateway-Dienste zu leisten. Diese Architektur stellt hohe Ansprüche an die Datenübertragung, die eingesetzten Mikrocontroller und die Edge-Intelligenz. Allerdings liegen die Vorteile auf der Hand: die Controller sind wiederverwendbar und lassen sich einfach updaten, da die notwendigen Funktionen gemeinsam im Zentralrechner vorliegen.

Welche Herausforderungen hat der zonale Ansatz?

Die Revolution der Fahrzeugarchitektur stellt die Autoindustrie selbstverständlich auch vor Herausforderungen. Einige betreffen die zonale Architektur als solche, andere reflektieren die zunehmende Komplexität der Fahrzeuge und den Aufwand für die Unternehmen. Für die Abkehr von der bisherigen Legacy benötigt es schließlich Investitionen, Expertise und wandlungsfähige Organisation. Laut S&P Global könnte dies vor allem Autohersteller an die Grenzen ihrer Software-Kompetenz bringen.

Damit die Vorteile eines Zonenkonzepts zum Tragen kommen, benötigt es laut NXP vor allem Modularität und Flexibilität. Zwischen Systemelementen wie den ECUs müsse es ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten geben, da sie trotz unterschiedlicher Einsatzbereiche auf dieselbe Hardware zurückgreifen. Flexibilität erzielen die Autohersteller hingegen durch die softwaredefinierten ECUs und damit verbundene Over-the-Air-Updates. Letztere können dadurch nicht nur Softwarefehler beheben oder Bestehendes verbessern, sondern auch völlig neue Funktionen hinzufügen.

Technologieseitig werden dabei im Bereich der Datenübertragung PCIe (Peripheral Component Interconnect Express) und Gigabit-Ethernet punkten. Bei Mikrocontrollern braucht es zukünftig hohe Echtzeit-Performance, viel Programm- und Datenspeicher. Zudem müssen sie Support für Mixed-Criticality-Daten durch Virtualisierung bieten und High-Speed-Kommunikationsschnittstellen hin zum Backbone bereitstellen. Notwendig sind außerdem multiple Instanzen für die Low-End-Kommunikationsperipherie (CAN FD oder LIN) als Schnittstelle zu den intelligenten Sensoren und Aktoren. Da in einer vollausgereiften Zonenarchitektur Steuergeräte und Sensoren nicht mehr direkt nebeneinander liegen, ist gerade an der Edge, also direkt am Sensor, mehr Intelligenz notwendig.

Die größte Herausforderung bei einer Zonenarchitektur ist indes die funktionale Sicherheit. Ausfälle in kritischen Komponenten müssen erkannt und behoben, sowie die Architektur gegen Cyberangriffe geschützt werden. Der Unterschied zum bisherigen Status Quo liegt darin, dass eine Hardware-Komponente sich fortan banale und sicherheitsrelevante Aufgaben teilen kann. Lenkung, Bremse oder Sensorik liegen dann eben nicht mehr in einer isolierten Domäne, sondern könnten über zahlreiche andere Features korrumpiert werden.

Wie werden zonale Gateways vernetzt?

Bislang hat sich die Automobilindustrie auf CAN-Netze verlassen. Die zunehmende Datenflut aus Sensoren, Kameras und anderen Komponenten werden diese jedoch nicht mehr lange bewältigen. Die Lösung könnte ein „deterministisches Ethernet“ sein. Es soll die Zonensteuerungen untereinander sowie mit den zentralen Rechenressourcen verbinden. CAN-Infrastruktur würde dann lediglich innerhalb der einzelnen Zonen verwendet werden, um Zonensteuergeräte mit Edge-ECUs zu verknüpfen.

Da Leistung und Durchsatz der Hardware die wichtigsten Faktoren für eine zonale Architektur sind, soll die fahrzeuginterne Vernetzung in diesem Sinne auf IEEE 802.1AS-2020 beruhen. Bei diesem Standard für Zeitsteuerung und Synchronisierung in TSN-Anwendungen (Time-Sensitive Networking) können Daten nach strengen Zeitkriterien priorisiert und auf kürzestem Wege weitergeleitet werden. Das Gigabit-fähige Ethernet bildet damit das Rückgrat der zonalen Architektur. Zusätzlich minimieren Algorithmen auf Multicore-Prozessoren etwaige Verzögerungen über das zentrale Steuergerät.

Der TSN-Standard hebt sich damit klar vom herkömmlichen Ethernet ab. Dieses könnte Datenpakete nur dann weiterleiten, wenn das Backbone frei ist. Eine Rangfolge nach relativer Bedeutung wird nicht definiert. Überspitzt ausgedrückt, müsste sich eine Kollisionswarnung hinter der Sitzheizung einreihen. Zudem könnte es die Arbeitslast einer hierarchischen Zonenarchitektur nicht handhaben. Die „Sprünge“ im Netzwerk würden zu Latenz- und Jitterproblemen führen. Verzögerungen beim Öffnen des Fensters oder Wechseln des Radiosenders wären ebenso die Folge wie verspätetes Bremsen.

Wie erfolgt die Konfiguration des Netzwerks?

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung und Leistungsfähigkeit der fahrzeuginternen Vernetzung (IVN) steigt auch die Komplexität der Netze, die unterschiedliche Elemente wie Switches und Gateways umfassen. Software Defined Networking (SDN) soll die Konfiguration dieser unterschiedlichen Komponenten durch eine standardisierte Schnittstelle vereinfachen. Autohersteller könnten die Netzwerkkonfiguration dadurch auf Flottenebene verwalten und sie mittels Over-the-Air-Updates anpassen.

Welche Autohersteller nutzen bereits Zonenarchitektur?

Wie so oft gilt Tesla als Vorreiter – auch bei der zonalen Architektur. Bereits im Jahr 2017 wurde der Kabelbaum des Tesla Model 3 mit einem solchen Ansatz reduziert. Damit habe der US-Hersteller einen Vorsprung von gut fünf Jahren, konstatiert S&P Global Mobility. Chinesische Hersteller gehen das Thema ebenfalls schneller an. Mit der kommenden Architektur will etwa Nio deutlich an ECUs einsparen. Gerade Startups im Bereich Elektromobilität müssen demnach kaum Rücksicht auf eine Legacy nehmen. BYD hat bereits 2022 einen Zentralcomputer eingeführt. Xpeng und Dongfeng setzen seit dem vergangenen Jahr ebenfalls auf zonale Architekturen. Noch in diesem Jahr könnten Great Wall, Changan, GAC und FAW nachziehen.

Für alteingesessene Autohersteller ist die Zonenarchitektur indes eher Zukunftsmusik. Zu den maßgeblichen Treibern zählen die Stellantis-Marken Jeep und Peugeot. Unter den deutschen OEMs ist der Wandel lediglich bei BMW greifbar. Ab 2025 wollen die Münchener die moderne E/E-Architektur in den Modellen der Neuen Klasse einsetzen. Mercedes-Benz und Volkswagen sind davon weit entfernt, so die Analyse von S&P. Eigentlich sollten alle Marken des Volkswagen-Konzerns im Jahr 2026 auf eine zonale Architektur in der SSP (Scalable Systems Platform) umsteigen. Mittlerweile wurde der Rollout verschoben und für Fahrzeuge ab dem C-Segment eingegrenzt. Die restlichen Modelle sollen laut S&P weiterhin Domänenarchitektur nutzen.

Die restlichen Branchengrößen schlagen sich jedoch kaum besser: Renault, GM und Ford veranschlagen ähnliche Zeiträume für die Umstellung. Und auch der Geely-Konzern mit seinem Zugpferd Volvo musste bereits einen Dämpfer hinnehmen. Zwar soll die zonale Architektur schon 2025 ausgerollt werden, ursprünglich sei die Ankündigung aber für den Volvo XC90 im Jahr 2022 erfolgt. Einen vollkommen eigenen Weg gehen hingegen die südkoreanischen und japanischen Hersteller: Sie beobachten die Schritte der Konkurrenz und planen derzeit keinen Umstieg auf eine zonale E/E-Architektur. Mit zentralisierten Domänen-Controllern können sie viele ihrer Bestands-ECUs weiter nutzen, vergeben aber die Chance, die Anzahl der ECUs sowie die Komplexität des Kabelbaums zu reduzieren, fasst S&P zusammen. Letztlich prognostiziert das Unternehmen, dass der Anteil der Fahrzeuge mit zonaler Architektur bis 2024 auf 38 Prozent steigen wird. Die Ausgestaltung der Zonen wird sicherlich variieren und einige Hersteller werden sich nur sukzessiv ihrer Legacy entledigen, verwehren werden sich dem Trend allerdings nur die wenigsten.

Tempo des Übergangs zu zonalen Architekturen je nach Region
Das Tempo des Übergangs zu zonalen Architekturen ist je nach Region unterschiedlich. (Bild: S&P Global)

Fabian Pertschy

ist Autor bei unseren Schwestermagazinen Automobil Produktion und AutomotiveIT.

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