Bei der Konstruktion von Karosserie und Struktur heutiger Fahrzeuge geht es in erster Linie darum, die Sicherheit von Fahrer und Mitfahrenden zu gewährleisten und dennoch möglichst leicht zu bauen. Für Elektrofahrzeuge ist dies besonders wichtig, denn jedes Gramm weniger trägt zu einer höheren Reichweite bei – und dies ist das entscheidende Kriterium, damit sich die neue Mobilität auch auf dem Markt durchsetzt. Stahl – noch immer der wichtigste Werkstoff im Automobilbau– kommt hier schnell an seine Grenzen. Aluminiumlegierungen können Stahl an vielen Stellen ersetzen und Aluminium ist ein entscheidender Werkstoff für die Elektromobilität.
Diese fordert einen gesamtheitlichen Leichtbau, um das zusätzliche Gewicht der bis zu 700 kg schweren Batterien zu kompensieren. Das Leichtmetall hat seinen Platz aber auch in sicherheitsrelevanten Anwendungen, denn es lässt sich leicht bearbeiten, vielseitig einsetzen und steht in jeglicher Halbzeugform zur Verfügung, wie etwa als Extrusionen, welche aufgrund spezifischer Formgebung vorgegebene Aufgaben erfüllen können. Zusätzlich lässt sich das Metall ohne Qualitätsverlust recyceln, so dass Recyclingaluminium auch aus ökologischen sowie ökonomischen Gründen im Automobilbau eine immer größere Rolle einnimmt.
Aluminiumlegierungen für alle Einsatzzwecke
Inzwischen stehen Aluminiumlegierungen für verschiedene Zwecke zur Verfügung. Die Bandbreite reicht von hochverformbaren bis zu hochfesten Werkstoffen. Je nach Einsatzgebiet kommen Eigenschaften wie eine gute Umformbarkeit, eine hohe Steifigkeit oder ein überdurchschnittliches Korrosionsverhalten hinzu. Zugleich bietet Aluminium eine hohe Crashsicherheit aufgrund seiner Duktilität bei hoher Festigkeit, was es vor allem auch für crashrelevante Bauteile interessant macht.
Eine erhöhte Crash-Performance etwa bietet das Walzprodukt Securalex. Die Legierung verformt sich gut bei einer gleichzeitig hohen Energieabsorption und ist zugleich sehr fest. Das macht sie für den Einsatz in sensiblen Bereichen geeignet, etwa in Strukturverstärkungen, der inneren Verkleidung der Motorhaube oder als Bodenplatte von Batteriegehäusen. Geht es um den Schutz der Batterie vor Korrosion bietet die Strukturlegierung Coralex auch bei thermischer Belastung eine hohe Korrosionsbeständigkeit. In der gleichen Produktfamilie angesiedelt sind Strongalex und Ultralex, die eine hohe Festigkeit und Umformbarkeit bei geringem Gewicht mitbringen, was sie Stahl durchaus ebenbürtig macht.
Surfalex hingegen ist für die sichtbaren Teile optimiert und bietet eine gute Formbarkeit. Das Material bietet eine umfassende Außenansicht nach Umformung und lässt sich gut tiefziehen, so dass sich etwa Außenflächen möglichst dünn ausführen lassen, um Gewicht zu sparen. Außerdem hat Constellium weitere Legierungen in Bezug auf ihre Verarbeitbarkeit und damit verbunden einen schnelleren Herstellungsprozess optimiert. So ist Formalex zum Beispiel gut kaltverformbar, während seine Variante Formalex Remote, eine warm aushärtbare, monolithische Legierung ist und das Remote-Laserschweißen ohne Zusatzwerkstoff erlaubt.
Bei den Strangpressprodukten fokussiert sich das Unternehmen auf Legierungen, die eine gute Verformbarkeit, welche bei Deformationselementen notwendig ist, bieten, und zugleich hohe Steifigkeiten für Strukturteile aufweisen. Zu diesen gehören beispielsweise HCA6TM (high crash alloy) und HSA6TM (high strength alloy) aus dem 6000er Bereich. Mit HSA6TM hat das Unternehmen zudem eine neue Familie hochfester Legierungen auf den Markt gebracht, die eine gute Umformbarkeit mit hoher Korrosionsbeständigkeit, Festigkeit und Recyclingfähigkeit kombiniert. Der Werkstoff ermöglicht reduzierte Wandstärken in extrudierten Bauteilen. Das spart in Crash-Management-Systemen oder Strukturteilen zusätzlich Gewicht. Im Gegensatz zu Legierungen der 7000er-Familie lassen sich damit komplexere Querschnitte realisieren und sie bieten gleichzeitig auch ohne Oberflächenbehandlung ein besseres Korrosionsverhalten.
Anwendungen in der Elektromobilität
Egal, ob als Blech oder Extrusion – spezielle hochfeste Aluminiumlegierungen stehen Stahl in ihrer Anpassungsfähigkeit auf die Anwendung und in ihren Eigenschaften in nichts nach. Beispielsweise sind hochfeste Aluminiumlegierung der HSA6TM-Familie den hohen Anforderungen gewachsen, die an die in Elektroautos eingesetzten Hilfsrahmen (Subframes) als wesentlicher Teil der Fahrzeugarchitektur und Teil der Crash-Lastpfade gestellt sind. Aus ihnen entstehen spezifische Strangpresslösungen mit hoher Steifigkeit – bei geringem Gewicht. Eine hohe Verformbarkeit im Fall eines Crashs und damit guten Schutz der Batterie bietet hingegen die Hightech-Legierung der 6000er-Reihe Securalex. Bei hohen Lastniveaus, wie sie beispielsweise die Crashboxen von Crash-Management-Systemen standhalten müssen, sind die Legierungen der HCA6TM-Familie (High Crashabel Alloy 6XXX) besser geeignet als andere Aluminiumlegierungen.
Constellium bietet auch Lösungen für den sehr sensiblen Bereich der Batteriekühlung in Elektroautos an. Derzeit in Arbeit ist das Cald-Solutions-Konzept, eine Möglichkeit eine aktive und passive Kühlung in einem Bauteil zu kombinieren. Hierbei werden Kanäle von Aluminiumextrusionen zur Führung des Kühlmediums genutzt und separate Kammern mit einem Phasenwechselmaterial (Phase Change Material; PCM) befüllt und verschlossen. Bei erhöhter Temperatur verändert das PCM seinen Aggregatzustand von fest zu flüssig und absorbiert dabei Wärme und verhindert somit Schäden an den Batterien durch Temperaturspitzen, welche beispielsweise beim Schnellladen auftreten, ohne dabei die aktive Kühlung für den Normalgebrauch überdimensionieren zu müssen. Für einen erhöhten Korrosionsschutz in diesem Bereich stehen die Legierungen der Reihe Kool-X zur Verfügung.
Eigene Forschung fördert anwendernahe Lösungen
Die Anforderungen an die Werkstoffe variieren je nachdem, was in der Konstruktion neuer Fahrzeugmodelle oder Fahrzeuge gefordert ist. Das Unternehmen forscht daher konstant an Aluminiumlegierungen und arbeitet gemeinsam mit den Anwendern an Lösungen. Eigene Forschungsaktivitäten betreibt das Unternehmen in seinem Forschungszentrum in Voreppe und in einer Partnerschaft mit der Brunel University in London. Ein Projekt dort widmet sich dem Aluminium Ultra Low Emission Vehicle (Al-ULEV). Hier entstehen hochfeste Aluminium-Strangpresswerkstoffe für Fahrzeugstruktur und Batteriegehäuse einer neuen Generation leichter Hybrid- und Elektrofahrzeuge für den britischen Markt. Ein weiteres Projekt ist vor kurzem gestartet. Es hat zum Ziel, recycelbare Aluminium-Komponenten für Fahrzeugbatteriegehäuse zu entwickeln. Am neuen Advanced Metals Processing Center (AMPC) entstehen Technologien, die Constellium direkt vom Labor in seine Produktionsstätten verlagert.
Fazit
Automobilhersteller werden im Zuge der Elektrifizierung der Mobilität verstärkt auf Aluminium setzen müssen. Mit neuen Fahrzeugstrukturen lassen sich Bauteile effizient kombinieren oder sogar ganz neu formen – hier punktet Aluminium durch seine vielseitige Verwendbarkeit. Zudem ist es günstiger als neue Leichtbauwerkstoffe wie CFK oder GFK. Aluminium bietet damit einen guten Mittelweg zwischen Gewicht und Kosten.
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(aok)
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