Der Wirkungsgrad der Leistungshalbleiter stellt einen wichtigen Hebel zur Senkung des Energiebedarfs von E-Autos und Hybriden dar, ist aber nur einer von mehreren Gesichtspunkten. Die Vermeidung von kostspieligen Rückrufen eines Automodells – also die Robustheit der Bauelemente – ist ein weiteres Auslegungskriterium für Fahrzeugkomponenten. Und zu guter Letzt sind Kosten ein Schlüsselfaktor für den kommerziellen Erfolg einer technischen Lösung, besonders da die Elektromobilität in Konkurrenz zu herkömmlichen Antriebslösungen steht. Dies alles ist bei der Auswahl der am besten geeigneten Technologie und der entsprechenden Gehäuse bei allen Leistungshalbleiter-Bauelementen zu berücksichtigen.
Großer Pool an Technologien
Auf dem Markt steht eine große Vielfalt an Leistungshalbleiter-Technologien zur Verfügung. Es gibt zum Beispiel IGBTs, die für Antriebsumrichter optimiert sind, schnell schaltende IGBTs, Super-Junction-MOSFETs, Wide-Bandgap-Bauelemente wie Siliziumkarbid (SiC)-MOSFETs und Galliumnitrid-HEMT-Technologien (GaN). Dies bietet Systementwicklern einerseits die Flexibilität, ein Design auf der Grundlage seiner individuellen Anforderungen zu optimieren. Andererseits ist es aber oft nicht einfach, die richtige Wahl zu treffen.
Obwohl sich alle Technologien an bestimmte Ziele anpassen lassen, hat jede Technologie ihre eigenen „Sweet Spots“. Eine Einheitslösung, die für alles passt, gibt es nicht. Der folgende Abschnitt beschreibt zusammen mit Bild 1 die auf dem Markt häufig verwendeten Leistungshalbleiter-Technologien. Tabelle 1 gibt einen ersten Hinweis auf die Vor- und Nachteile dieser Technologien. Anhand dieser Tabelle kann der Entwickler eine Vorauswahl treffen, welche Technologie für eine bestimmte Anwendung unter den spezifischen Randbedingungen am besten geeignet ist; ihre Anwendung wird im letzten Teil des Artikels am Beispiel des Antriebsumrichters demonstriert.
Die Klassiker: Silizium-Technologien
Leistungsbauelemente auf Silizium-Basis (Si) sind seit den späten 1950er Jahren auf dem Markt. Ihre Verwendung basiert also auf der Erfahrung mehrerer Jahrzehnte im Feld. Einige der relevanten Si-basierten Leistungshalbleiter-Technologien sind:
- Schnell schaltende IGBTs: Der IGBT Trenchstop 5 F5 von Infineon ist ein gutes Beispiel für einen schnell schaltenden IGBT. Er basiert auf einer Micro-Pattern-Trench-Zelle (MPT) in Kombination mit einem Fieldstop-Konzept. Diese Technologie ist für hohe Schaltfrequenzen (>65 kHz) und schnell schaltende Anwendungen wie On-Board Charger (OBC) und DC/DC-Wandler optimiert. Da bei diesen Anwendungen keine Kurzschlussfestigkeit erforderlich ist, wurde auf diese Eigenschaft bei der Entwicklung verzichtet, um die Performance zu optimieren.
- IGBTs für Traktionsumrichter: Ein Beispiel ist hier der EDT2-IGBT von Infineon, der ebenfalls auf dem zuvor beschriebenen MPT-Zellkonzept basiert. Diese Technologie ist jedoch für Traktionsumrichter-Anwendungen optimiert, bei denen Kurzschlussrobustheit ein Muss ist. Der Wirkungsgrad ist hier eine wichtige Voraussetzung, weshalb es bei der Entwicklung darauf ankommt, den besten Kompromiss zwischen Schalt- und Durchlassverlusten zu finden.
- Super-Junction MOSFET: Ein gutes Beispiel ist die aktuellste CoolMOS-CFD7A-Technologie von Infineon, die durch ein optimiertes Super-Junction-Konzept bestmöglichen R(DSon) bei gegebener Sperrspannung und Chipgröße ermöglicht. Das wird durch minimale Abstände zwischen den p-Implants in der n-Epi-Schicht erreicht. Die hochdotierten n-Bereiche liefern im Vergleich zu einem Standard-Leistungs-MOSFET viel mehr freie Ladungsträger für die Leitung, was zu einem deutlich geringeren Durchlasswiderstand führt. Die p-Bereiche gleichen die n-Ladung im blockierenden Zustand aus, wodurch hohe Sperrspannungen erreichbar sind.
Vielversprechend: SiC-Technologie
2001 brachte Infineon erste SiC-basierte Leistungsbauelemente für industrielle Anwendungen auf den Markt und optimierte sie im Anschluss für Automobilanwendungen. Heute dominieren Si-basierte Bauelemente weiterhin den Halbleitermarkt, wobei die weltweite SiC-Wafer-Produktion weniger als 0,1 % der gesamten Si-Wafer-Produktion entspricht. Aufgrund der technologischen Vorteile ist der Einsatz von SiC aber sehr vielversprechend.
SiC-MOSFETs sind, wie alle anderen MOSFETs auch, unipolare Bauelemente. Das bedeutet, dass nur Majoritätsladungsträger zur Leitung beitragen und Effekte wie der Tail Current beim IGBT fehlen. Infolgedessen kann das Bauelement geringere Schaltverluste als IGBTs aufweisen. Die ohmsche Vorwärtscharakteristik des MOSFET führt zu einer anderen Durchlassverlustkurve im Vergleich zu einem IGBT. Insbesondere im Teillastbereich weisen SiC-MOSFETs somit geringere Verluste auf.
Es gibt zwei SiC-MOSFET-Konzepte auf dem Markt: planare (DMOS) und Trench-MOSFETs (TMOS). Ein Beispiel ist die in Bild 1 dargestellte CoolSiC-Trench-Technologie. T-MOSFETs haben den Vorteil einer hohen Zelldichte, was zu einer höheren Leistung pro Fläche im Vergleich zu planaren MOSFETs führt. Aus diesem Grund geht der Trend bei jeder MOS-basierten Technologie wie IGBT oder MOSFET letztendlich in Richtung von Trench-Technologien. Ein weiterer Vorteil von T-MOSFETs gegenüber P-MOSFETs ist der Betrieb bei deutlich niedrigerer Feldstärke, was die Zuverlässigkeit erhöht. SiC-MOSFETs lassen sich entweder für schnell schaltende Leistungswandler wie OBC-Anwendungen oder für langsamer schaltende Anwendungen wie Antriebsumrichter optimieren, wie in Tabelle 1 dargestellt.
Und wie steht es um Galliumnitrid?
GaN-Transistoren haben bisher eine positive Entwicklung für Industrie- und Consumer-Anwendungen gezeigt. Für Anwendungen im Automobilbereich befinden sie sich derzeit jedoch noch in der Evaluierung. Infineons GaN-Technologie, CoolGaN-HEMT (High Electron Mobility Transistor), ermöglicht laterale Bauelemente im Enhancement Mode (normally-off), die durch epitaktisches Aufwachsen von GaN- und AlGaN-Schichten auf einem Si-Wafer hergestellt werden. Der Durchlass zwischen Drain und Source ist auf das zweidimensionale Elektronengas (2DEG) zurückzuführen, das sich an der Heterojunction zwischen den GaN- und AlGaN-Schichten bildet.
Minoritätsladungsträger tragen nicht zum Durchlass bei, CoolGaN-HEMTs haben daher keine Sperrverzögerungsladungsträger. Außerdem weisen sie eine niedrige Gate- und Ausgangsladung auf, so dass sie für Anwendungen mit hoher Schaltfrequenz sehr attraktiv sind.
Auch die Verpackung zählt
Damit die Chiptechnologien in der Anwendung einsetzbar sind, müssen sie entweder in einem diskreten Gehäuse oder in einem Modul verbaut sein. Dabei hat das Gehäuse großen Einfluss darauf, wie gut das Potenzial jeder Chiptechnologie ausgeschöpft wird. So ist zum Beispiel einer der Engpässe für eine schnell schaltende Anwendung die Streuinduktivität des Gehäuses. Gehäuse mit geringer Streuinduktivität sind daher von Vorteil.
Diskrete Leistungsbausteine
Diskrete Gehäuse sind in der Regel für Anwendungen mit geringerer Leistung (typischerweise <20 kW) die bevorzugte Wahl, wie zum Beispiel On-Board Charger, DC/DC-Wandler, Hilfsumrichter und Kompressorantriebe, bei denen Skalierbarkeit und eine gewisse Flexibilität beim Design erwartet wird. Darüber hinaus ermöglichen diskrete Standardgehäuse eine einfachere Aufrüstung auf neuere Chip-Generationen ohne großen Designaufwand. Gängige diskrete Gehäuse, die für Leistungshalbleiter im Automobilbereich relevant sind, sind Durchsteckgehäuse (THD) wie das TO-247 und Gehäuse für Oberflächenbestückung (SMD) wie der D2PAK, wie in Bild 2 dargestellt.
THDs können mehr Verlustleistung ableiten als SMDs, da sie auf Kühlkörpern montiert sind. Nachteil ist aber eine höhere Streuinduktivität und der zusätzliche Montageaufwand, da die Bauteile nacheinander dem Wellenlöten unterzogen werden müssen. SMDs eignen sich hingegen für Reflow-Löten, bei dem das Löten für mehrere Teile gleichzeitig geschieht, was den Montageaufwand und die Zeit reduziert. Darüber hinaus haben sie eine geringere Streuinduktivität, was zu niedrigeren dynamischen Verlusten führt, wodurch sie sich für schnell schaltende Halbleitertechnologien eignen.
Es gibt jedoch eine Einschränkung. Bei SMD-Gehäusen wie dem D2PAK erfolgt die Kühlung auf der Unterseite, und die Wärme wird durch die Leiterplatte abgeführt, was zu einem größeren thermischen Widerstand führt. Dadurch wird die Leistung, die die Gehäuse ableiten können, begrenzt. Neue SMD-Gehäuse wie die DDPAK- und QDPAK-Gehäuse überwinden diese Beschränkung, indem sie ein oberseitengekühltes Konzept implementieren, bei dem die elektrischen und thermischen Pfade entkoppelt sind, wodurch sich niedrigere thermische Widerstände erzielen lassen. Daher vereinen sie die Vorteile der Standard-SMD-Gehäuse und der THD-Gehäuse, was sie für Designs attraktiv macht, die eine höhere Leistungsdichte und Leistung erfordern.
Leistungsmodule
Für Anwendungen, die höhere Leistungen (typischerweise >20 kW) benötigen, kommen üblicherweise Leistungsmodule zum Einsatz (Bild 3). Für Anwendungen wie Antriebsumrichter, die Verlustleistungen im Kilowattbereich abführen müssen, eignen sich klassische Vollbrückenmodule wie das Hybridpack-Drive. Dieses Modul bietet bei gleichbleibenden Abmessungen folgende Freiheitsgrade zur Skalierung von Ausgangsstrom und Spannungsklasse:
- Chip-Technologie (EDT2, CoolSiC) – Leistung und Spannung
- implementierte Chipfläche – Leistung
- Bodenplatte (flach, Pin-Fin, „Wave“-Struktur) – Leistung
Dies ist attraktiv für skalierbare Umrichter-Plattformen, bei denen die Ausgangsleistung ohne ein komplettes Re-Design skalierbar ist. Darüber hinaus ist das Modul sowohl für IGBTs als auch für SiC-MOSFETs erhältlich, wodurch zusätzliche Anforderungen wie ein höherer Wirkungsgrad oder unterschiedliche Systemspannungen erreichbar sind. Ein Nachteil von Vollbrückenmodulen ist die Limitierung beim Umrichterdesign für spezielle Bauraumanforderungen, da die Modulgeometrie ein Mindestmaß vorgibt.
Für Systeme, die größere Bauraumflexibilität erfüllen müssen und eine höhere Leistungsdichte oder eine weiter reduzierte Streuinduktivität benötigen, ist das doppelseitig gekühlte Hybridpack-DSC-Gehäuse (Double Side Cooled) besser geeignet. Beim DSC handelt es sich um ein Halbbrückenmodul, dessen Gehäuse auf beiden Seiten gekühlt wird, was zu einem verbesserten thermischen Widerstand und damit zu einer höheren Leistungsdichte führt. Das kompakte und optimierte Moduldesign führt zu einer geringen Streuinduktivität, die auch schnell schaltende Anwendungen ermöglicht. Das DSC Modul bietet höhere Flexibilität bei der mechanischen Integration, beispielsweise sind auch spezielle Umrichter-Geometrien zur Integration in eine elektrische Maschine realisierbar. Hierdurch wird die Leistungsdichte des Antriebsstrangs weiter erhöht.
Anwendungsanforderungen beeinflussen die Wahl
Anwendungen der Leistungselektronik in elektrifizierten Antrieben weisen unterschiedliche Randbedingungen auf, die die Auswahl von Halbleitern jeweils beeinflussen. Das Beispiel eines Antriebsumrichters soll die Verwendung von Tabelle 1 demonstrieren.
- 1. Eine wichtige Anforderung an Leistungshalbleiter bei Antriebsumrichtern für Elektro- und Hybridfahrzeugen ist die Kurzschlussfestigkeit.
- 2. Heutige Leistungshalbleiter sind in der Lage, schnell zu schalten und Spannungsflanken von mehr als 50 kV/µs zu erreichen, was zu sehr geringen Schaltverlusten führt. Allerdings begrenzen elektrische Maschinenkonstruktionen typischerweise die maximale Steigung der Spannung auf nur 10 kV/µs, um die Verschiebungsströme in der Isolation zu begrenzen. Leistungsbauelemente (auch Si-IGBTs) sind in der Anwendung oft durch externe Gate-Widerstände auf Kosten der Effizienz zu verlangsamen.
- 3. Die Schaltfrequenz von Traktionsumrichtern ist in der Regel auf nur etwa 5-15 kHz beschränkt. Das bedeutet, dass die Fähigkeit von Leistungshalbleitern zu hohen Schaltfrequenzen nicht voll ausnutzbar ist – eine Daseinsberechtigung für Si-basierte Bauelemente.
- 4. Auch wenn Antriebsumrichter für die maximale Nennlast dimensioniert sind, arbeiten sie meist im Teillastbetrieb, in der Regel sogar bei weniger als einem Viertel des Nennstroms. Deshalb sollten Leistungshalbleiter für Antriebsumrichter auch für diesen Betrieb bezüglich ihrer Verluste optimiert sein.
- 5. Obwohl Leistungsmodule Streuinduktivitäten von weniger als 10 nH erreichen, fügen die heutigen Kondensatordesigns der Kommutierungsschleife mindestens weitere 5 bis 10 nH hinzu, was zu höheren Spannungsspitzen beim Schalten führt. Dies macht es notwendig, die Schaltgeschwindigkeit beim Ausschalten zu begrenzen, wiederum auf Kosten der Effizienz.
Bei Korrelation der obigen Punkte 1 bis 3 mit Tabelle 1 wird deutlich, dass die Technologien 2, 3, 4, 5, und 7 nicht für Antriebsumrichter geeignet sind und nur 1 und 6 bleiben. Für eine endgültige Auswahl müssen die Anforderungen des Umrichters natürlich mit dem konkreten Baustein abgeglichen werden. Im Allgemeinen würden CoolSiC-MOSFETs (6) den höchsten Wirkungsgrad erzielen. EDT2-IGBTs plus Si-Dioden bieten aktuell – auch abhängig von der Leistungsklasse – jedoch ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis.
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(na)
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