Single-Pair-Ethernet-Verbindungen müssen umfassenden ESD-Schutz bekommen, um Latenz und Bandbreite für Echtzeit-Übertragungen im IIoT zu erhalten.

Single-Pair-Ethernet-Verbindungen müssen umfassenden ESD-Schutz bekommen, um Latenz und Bandbreite für Echtzeit-Übertragungen im IIoT zu erhalten. (Bild: AdobeStock 267303092, Quardia Inc.)

Der Netzwerkprotokollstandard Ethernet IEEE 802.3 wurde ursprünglich in den 1980er-Jahren entwickelt und hat sich zu einer vertrauenswürdigen, äußerst zuverlässigen, belastbaren und bequemen Methode für die Verbindung von Servern, Computern und Peripheriegeräten zur Datenkommunikation entwickelt. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich Ethernet immer weiterentwickelt und wurde sowohl in Bezug auf die Bandbreite als auch auf die Anwendungsbereiche verbessert. Es war absehbar, dass die Netzwerkarchitektur, mit der die Finanz- und Betriebssysteme eines Unternehmens verbunden sind, eines Tages auch die Fertigungsanlagen miteinander vernetzen würde. Für Maßnahmen zur Verbesserung der industriellen Abläufe, wie z. B. Industrie 4.0, ist eine robuste Konnektivität unerlässlich. Daher war Ethernet sofort einsatzbereit, als die technologischen Konzepte für das Internet der Dinge (IoT) Realität wurden.

Industrie 4.0 und das industrielle Internet der Dinge (IIoT) sind nicht die ersten technologischen Implementierungen, die darauf abzielen, die Effizienz und Effektivität in der Fertigung zu verbessern. Seit über vier Jahrzehnten werden Fertigungsanlagen und kapitalintensive Produktionsmittel miteinander vernetzt. Methoden der seriellen Vernetzung wie Modbus, RS232, RS422 und Profibus gibt es schon sehr lange. Das IIoT hat jedoch eine schnellere Datenauswertung mit sich gebracht, wodurch wiederum schnellere Datenübertragungsraten und eine deutlich höhere Auslastung der vernetzten Sensoren, Aktuatoren und Steuerungssysteme erforderlich sind.

Die Entwicklung von Single Pair Ethernet

Aufgrund seiner Eigenschaften eignet sich Ethernet gut für verschiedenste Applikationen außerhalb der reinen IT-Welt. Mit Fortschritten wie dem Industrial Ethernet konnten zeitkritische Echtzeit-Netzwerke mit deterministischem Verhalten und der Fähigkeit umgesetzt werden, viele der oben hervorgehobenen industriellen Steuerungsprotokolle zu übertragen. Ethernet wird auch immer häufiger als Backbone für die Vernetzung in Fahrzeugen eingesetzt.

Doch obwohl die Flexibilität, Robustheit und Einfachheit von Ethernet unbestritten ist, erweisen sich die physikalischen Anforderungen an die Verkabelung mit vier verdrillten Adernpaaren und dem weitverbreiteten RJ45-Steckverbinder als wenig industrietauglich. In der Industrie mit ihren schwierigen Umgebungsbedingungen und beengten Platzverhältnissen in Schaltschränken sind die Cat6-Ethernet-Kabel zu dick und können nicht den engen Biegeradius von Metallrohren erfüllen. Darüber hinaus ist für den Einsatz riesiger Heerscharen von IIoT-Edge-Geräten eine zuverlässige Stromquelle erforderlich, die Power over Ethernet (PoE) zwar liefern kann, aber nur unter Verwendung von acht Leitern.

Im Jahr 2019 kündigte die Ethernet Alliance eine Ethernet-Lösung an, die alle Wünsche bei der Verkabelung erfüllt und den zukünftigen Erfolg von Ethernet in industriellen und Fahrzeuganwendungen sicherstellen soll.

Der Gigabit-SPE-Standard IEEE 802.bp 1000BASE-T1 bietet Gigabit-Konnektivität mit einem ungeschirmten Kabel, das aus einem einzigen Adernpaar besteht. Im Vergleich zum herkömmlichen vierpaarigen Cat6-Kabel ist ein SPE-Kabel 60 Prozent leichter und hat einen deutlich geringeren Durchmesser. Das Wichtigste ist jedoch: Die SPE-Power-over-Data-Line-(PoDL)-Standards 802.3bu und 802.3cg erlauben eine maximale Leistung von 52 W, die über das einzelne Paar übertragen wird. Anstelle des RJ45-Steckverbinders kann bei SPE der beliebte industrietaugliche IP65/67-Rundsteckverbinder in M8 und M12 zum Einsatz kommen.

Herausforderungen in der Netzwerkkommunikation

Trotz der ausgezeichneten Robustheit von Ethernet ist der Einsatz eines Netzwerks in einer elektrisch verrauschten Umgebung mit Herausforderungen verbunden. Durch verlorene Pakete erhöht sich die Bitfehlerrate, sodass sie erneut gesendet werden müssen, was zu einem geringeren Durchsatz und einer längeren Latenzzeit führt. Elektromagnetische Störungen (EMI) und elektrische Transienten sind häufige Störquellen, die eine schnelle Datenübertragung über das Netzwerk erheblich beeinträchtigen können. Große Motoren, Aktuatoren und Antriebe mit variabler Frequenz sind häufige Verursacher von abgestrahlten (typischerweise über 1 MHz) oder leitungsgebundenen EMI-Störungen, die in einer industriellen Umgebung mehrere Volt erreichen können. Auch wenn die SPE-Kabel paarweise verdrillt sind, ist es unvermeidlich, dass bei Steuerungssystemen in der Nähe von elektrisch betriebenen Geräten induzierte Störungen auftreten.

Bild 1 zeigt die Architektur einer typischen SPE-Verbindung zwischen zwei Geräten, z. B. einem Switch oder Mikrocontroller-Host (links) und einem Edge-Node-Sensor (rechts). Der Switch verfügt über eine „Power-over-Data-Line“-Einspeisung (Power Supply Equipment, PSE). Der Sensor bezieht den Strom aus der verdrillten Zweidrahtleitung – Power Delivery (PD).

Bild 1: Die Architektur einer SPE-Verbindung mit Darstellung der kritischen Schutz- und EMI-Komponenten.
Bild 1: Die Architektur einer SPE-Verbindung mit Darstellung der kritischen Schutz- und EMI-Komponenten. (Bild: Bourns)

Es gibt verschiedene Arten von leitungsgebundenen und abgestrahlten elektrischen Störungen und Rauschartefakten, die bei Netzwerkkabeln und Schnittstellen auftreten können. Bild 2 zeigt ein leitungsgebundenes Gleichtaktstörsignal, das einem Differenzsignal überlagert ist. Gleichtaktstörungen können auch auf den positiven und negativen Stromversorgungsschienen auftreten. Gleichtaktsignale fließen in dieselbe Richtung und haben in der Regel einen Rückweg über eine Masseverbindung und über Streukapazitäten.

Bild 2: Ein Gleichtaktstörsignal auf differentiellen Signalleitungen oder über Stromschienen.
Bild 2: Ein Gleichtaktstörsignal auf differentiellen Signalleitungen oder über Stromschienen. (Bild: Mouser)

Gleichtaktdrosseln, die aus zwei Wicklungen um einen Ferritkern bestehen, bieten eine bequeme Möglichkeit, um Gleichtaktstörungen zu unterdrücken, lassen aber die erforderlichen Signale ungehindert passieren. Beim Differentialmodusrauschen, das auch als Normalmodusrauschen bezeichnet wird, fließen die Signale in entgegengesetzte Richtungen (Bild 3). Auch hier lässt sich das Differenzialrauschen durch eine geeignete Filteranordnung, bestehend aus einer Induktivität und einem Kondensator, oder durch eine Differenzialdrossel unterdrücken.

Bild 3: Beim Differentialmodusrauschen fließen die Signale in entgegengesetzte Richtungen.
Bild 3: Beim Differentialmodusrauschen fließen die Signale in entgegengesetzte Richtungen. (Bild: Mouser)

Durch elektrostatische Entladungen (ESD) auf Netzwerkkabeln und Steuergeräten können Halbleiter und andere Komponenten beschädigt werden. Diese transienten Spannungsspitzen (hohe dV/dt) können gefährlich hohe Spannungen auf Netzwerkkabeln induzieren. Durch ein Bauteil zur Unterdrückung transienter Spannungen (TVS), wie z. B. eine Diodenanordnung, lassen sich empfindliche Schaltungen schützen.

SPE-Schutz implementieren

Bild 1 zeigt die empfohlenen EMI-Filter- und ESD-Schutzkomponenten für eine SPE-Implementierung. Ein diskreter Chip-LAN-Transformator (1), wie z. B. die SM4532xx-Serie von Bourns, ist ein kleiner 1:1-Transformator mit Mittelanschluss, der aus einem kompakten Spulenkern besteht und auch als Gleichtaktinduktivität verwendet werden kann. Die SM4532-Serie ist 802.3-konform und bietet mit ihren geringen Abmessungen von 4,7 mm × 3,3 mm × 2,9 mm eine hohe Flexibilität bei der Leiterplattenmontage. Die Serie hat eine niedrige Einfügungsdämpfung von typischerweise -2 dB bis zu 500 MHz, bietet eine Isolierung von 1500 VAC (HiPot) für 60 s und kann zur EMI-Reduzierung mit einer Gleichtakt-Chip-Induktivität kombiniert werden. Die SM4532 SPE-Serie umfasst sechs Varianten, die für 10Base-T1 bis 1000Base-T1 PoE geeignet sind.

Zur Unterdrückung von Gleichtaktstörungen (2) auf der PHY-Seite (Chip) ist eine Gleichtaktdrossel, z. B. die Gleichtakt-Chipdrossel SRF3216A von Bourns, geeignet. Sie ist für 50 VDC ausgelegt und hält bis zu 125 VDC stand. Sie ist geschirmt und mit bifilaren Wicklungen um einen Ferritkern aufgebaut. Der typische Gleichstromwiderstand beträgt 0,15 Ω bis 1,1 Ω und die Gleichtaktimpedanz liegt zwischen 90 Ω und 2200 Ω (bei 100 MHz) und ist bauteilabhängig. Die Differenzialmodus-Impedanz beträgt typischerweise weniger als 10 Ω bei 100 MHz. Ein weiteres Beispiel für eine PHY-seitige Gleichtaktinduktivität ist die SRF2012AA-Serie. Diese Serie hat einen Gleichtaktimpedanzbereich von 67 Ω bis 360 Ω bei 100 MHz, einen Gleichstromwiderstand von typischerweise 0,35 Ω und einen Nennstrom von bis zu 400 mA.

Eine netzseitige (3) Gleichtaktdrossel ist beispielsweise die Bourns SRF6545A. Diese Drossel bietet eine Gleichtaktunterdrückung von -43 dB bei 100 MHz und eine Differenz-/Gleichtaktunterdrückung von -50 dB bei 100 MHz. Die Einfügungsdämpfung bei 100 MHz beträgt typischerweise weniger als -3 dB, und die Drossel ist für einen Nennstrom von bis zu 350 mA ausgelegt.

Eine Doppel-Differenzialdrossel (4) reduziert das Differenzialrauschen in den Stromversorgungs- oder -übertragungsschaltungen. Ein Beispiel dafür ist die SRF1260A-Serie von Bourns, die aus geschirmten Leistungsdrosseln mit zwei Wicklungen besteht. Die Serie SRF1260 kann in Parallel- oder Reihenschaltung konfiguriert werden und ist mit verschiedenen Induktivitäten von 0,47 µH bis 4.000 µH erhältlich.

Ein Diodenarray wie das oberflächenmontierbare Diodenarray CDDFN6-3312P von Bourns bietet ESD-Schutz bis zu 8 kV, eine Mindestdurchbruchspannung von 4,5 V und eine Spitzensperrspannung von 3,3 V. Das CDDFN6 ist in einem DFN6 Gehäuse mit den Abmessungen 1 mm × 1,2 mm × 0,45 mm untergebracht und hat eine geringe Kapazität von 0,04 pF (I/O zu I/O) und 0,18 pF (I/O zu Masse).

Zusammenfassung

SPE vereint die jahrzehntelange Zuverlässigkeit und Erfahrung mit 802.3-basierten Netzwerkverbindungen, die in der Unternehmens-IT und in der Telekommunikation gesammelt wurden, mit Industrie- und Automobilapplikationen. Damit die Zuverlässigkeit und Robustheit der Verbindungen ohne Beeinträchtigung der Bandbreite und Latenz erhalten bleibt, müssen zuverlässige EMI-Filter und ein ESD-Schutz implementiert werden. Die in diesem Artikel vorgestellten Schutzkomponenten sind alle bei Mouser Electronics, einem autorisierten Distributor von Bourns-Produkten, erhältlich. (na)

Mark Patrick, Mouser
(Bild: Mouser)

Mark Patrick

Technical Marketing Manager bei Mouser Electronics

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