Single Pair Ethernet, kurz SPE, gehört zu den Trends in der Automatisierung. Markanter Vorteil von SPE ist die von der Leit- bis zur Feldebene durchgängige IP-basierte Kommunikation mit einem einheitlichen Protokoll-Standard, bei dem es keine Gateways für die Umsetzung auf andere Protokolle braucht. Nebenbei soll SPE Kosten sparen und die Installation vereinfachen. Die Eierlegende Wollmilchsau also?
Aus 4 mach 1: Wie funktioniert Single Pair Ethernet?
Mit Single Pair Ethernet (SPE) drängt eine Technologie aus der Automobilindustrie in den Markt der industriellen Automatisierung, die TCP/IP-basierten Datenströme über lediglich ein einziges verdrilltes Adernpaar, statt wie bisher über vier, übertragen kann. So wie heute vierpaarige Kupferkabel, fiberoptische Kabel oder Funk eingesetzt werden, ist SPE eine andere Form des Physical Layers, gedacht für die Kommunikation von der Cloud hinunter bis in die Feldebene. Zusätzlich wird neben der Datenübertragung per Ethernet auch eine Spannungsversorgung von Endgeräten via PoDL – Power over Data Line – möglich. Ideal geeignet also für Industrie-4.0-Themen wie das Industrial Internet of Things (IIoT). Warum Single Pair Ethernet entwickelt wurde und warum es kein Zufallsprodukt ist, erläutert Rainer Schmidt von Harting.
Interessant ist, dass – noch bevor SPE in der Industrie richtig angekommen ist – bereits über eine mögliche Kombination mit IO-Link diskutiert wird und wie diese technisch umsetzbar wäre.
Im Video: Was ist Single Pair Ethernet (SPE) / Single Pair Ethernet – einfach erklärt
Allianz oder Partner: Welche Organisationen gibt es bei Single Pair Ethernet in der Industrie?
Einigung möglich
Während es Hersteller aus beiden Lagern geschafft haben, sich für M12-Push-Pull auf einen Standard zu einigen, sieht es bei Single Pair Ethernet bisher nicht danach aus.
Mit Single Pair Ethernet steht eine weitere Kommunikationsinfrastruktur fürs Feld mit all den Sensoren und Aktoren in den Startblöcken. Voraussetzung für den großflächigen Einsatz und somit für die erfolgreiche Vermarktung der SPE-Technologie ist die Kompatibilität von Geräten, Kabeln und Steckverbindern. Aktuell favorisieren zwei Interessensgruppen unterschiedliche, inkompatible Stecker. Zum einen das SPE Industrial Partner Network sowie die SPE System Alliance. Während die SPE System Alliance die Varianten IEC 63171-2 (IP20) sowie IEC 63171-5 für IP67-Umgebungen favorisiert, spricht sich das SPE Industrial Partner Network geschlossen für die von der ISO/IEC JTC 1/SC 25/WG 3 und TIA42 in 2018 festgelegte Schnittstelle T1 Industrial nach IEC 63171-6 als einheitliches Media Depended Interface (MDI) aus.
Mit Hirschmann Automation and Controls gab sogar bereits ein Unternehmen, das den Verein gewechselt hat. Begründung des CTOs: „Einen ‚Steckerkrieg‘ kann sich der Markt nicht leisten.“
Einschub: Wie alles begann – die aktuellen IEEE802.3 Standards
Ausgangspunkt für die Entwicklung von SPE ist der BroadR-Reach Standard, der von der Broadcom Corporation entwickelt wurde. Nachdem die Automobilindustrie – auch im Zuge der durch das autonomes Fahren – auf der Suche nach einem Nachfolger für den CAN-Bus dieses TCP/IP-basierte Übertragungsverfahren identifiziert hatte, wurde der erste SPE-Standard von der IEEE 802.3 als Standard 100BASE-T1 in IEEE 802.3bw-2015 Clause 96 veröffentlicht. Damit will die Automobildinustrie der steigendende Datenmenge, etwa durch die wachsende Zahl an Sensoren und das autonome Fahren, Herr werden.
IEC 63171-?: Wie weit ist die Standardisierung von Steckgesichtern für Single Pair Ethernet?
Der IEC-Standard IEC 63171 befasst sich mit der Standardisierung der Verbindungstechnik von Single-Pair Ethernet (SPE). Hier gibt es mehrere Entwürfe von verschiedenen Firmen, die sich in den oben beschriebenen Vereinigungen organisiert haben. Mehr dazu lesen sie hier: „Single Pair Ethernet: Alles rund um Standards und Steckgesichter.“
Geht es nach Matthias Fritsche und Marian Dümke von Harting, Mitglied im SPE Industrial Partner Network, ist „normativ bereits alles klar„. Dagegen hält Simone Seereiner, Weidmüller, von der SPE System Alliance, dass „die Steckerfrage bei Single Pair Ethernet noch nicht entschieden ist.“ Hier herrscht also Uneinigkeit. Laut Andreas Muckes, igus, „entscheidet am Ende sowieso der Anwender die Steckerfrage – und sonst niemand.“
Und was sagen die Nutzerorganisationen – deren Wort sicher ein Zünglein an der Waage sein wird – zur Situation um den SPE Steckverbinder? Karsten Schneider von Profinet & Profibus International formuliert im Interview ganz klar: „Es darf nur einen SPE-Steckverbinder geben.“ Bei diesem Punkt sind sich die Vertreter beider Gruppen, also das Partner Network und die System Alliance, einig: Single Pair Ethernet hat nur eine Chance, wenn sich der Markt auf ein Steckgesicht einigt. Natürlich jeweils mit der Hoffnung, dass es ihres sein wird, das das Rennen gewinnt. Martin Rostan, Vorsitzender der Ethercat Technology Group (ETG), wartet noch ab.
Das große Ganze betrachtet Roland Bent von Phoenix Contact: „Die Diskussionen zur Verbindungstechnik werden der Breite des Themas nicht ganz gerecht. SPE ist viel mehr als nur ein ‚neuer Stecker‘. SPE betrifft alle Infrastruktur-Komponenten der industriellen Netzwerktechnik – Steckverbinder, Kabel, PHYs, Sensoren, Switche und weitere Geräte.“
Das alle Überlegungen rund um Single Pair Ethernet nicht nur graue Theorie sind, zeigt, dass die Unternehmen bereits erste Produkte präsentieren, etwa Harting, Weidmüller und Phoenix Contact. Auch Single-Pair-Ethernet-Leitungen für Schleppketten und Roboter wurden bereits vorgestellt.
Sicher wird es noch einige Jahre dauern, bis SPE mit seinem verdrillten Adernpaar richtig in der Industrie angekommen ist. Und auch dann, werden althergediente Technologien nicht Knall auf Fall verschwinden. Gerade das Beispiel Feldbusse zeigt, dass nur weil etwas Neues kommt, nicht alles Alte gleich entsorgt wird.