Dr. Martin Oppermann vom Zentrum für mikrotechnische Produktion an der TU Dresden

Dr. Martin Oppermann vom Zentrum für mikrotechnische Produktion an der TU Dresden vor dem Anko Therm-Versuchsaufbau: „Das Verfahren hat eine hohe Prüfreife.“ (Bild: Kraus Hardware)

Sinterverbindungen sind für Elektromotoren oder bei Umrichtern von erneuerbaren Energien unverzichtbar – und ihre Qualität lässt sich nur schwer überprüfen, denn Röntgen- oder Ultraschalltechnik liefert keine guten Ergebnisse. Genau vor diesem Hintergrund erklärt sich eine langjährige Kooperation der TU Dresden mit den Firmen Budatec und Kraus Hardware: Die Partner haben ein Prüfverfahren zur Bewertung der Qualität von leistungselektronischen Aufbauten entwickelt. Dieses wurde im November 2023 mit dem „productronica innovation award 2023“ ausgezeichnet. Stellvertretend für das Projektkonsortium hatte sich die Firma Budatec mit dem „Kontaktthermografie“ genannten Verfahren für den Innovationspreis der productronica in der Kategorie „Inspection & Quality“ beworben.

Herr Dr. Oppermann, warum haben Sie sich vor einigen Jahren überhaupt dazu entschieden, ein neues Testverfahren für Sinter-Verbindungen zu entwickeln?

Schauen Sie sich dazu einfach in unserer Welt um. In vielen wichtigen Zukunftsfeldern wie der Elektromobilität oder bei Umrichtern für erneuerbare Energien kommt Leistungselektronik zum Einsatz, wobei zudem die allgemeinen technischen Anforderungen in vielen Anwendungsfeldern weiter zunehmen – man denke hier etwa an die hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards der Automobilhersteller. Eine besondere Herausforderung ist dabei, dass im Betrieb von Hochleistungs-Ansteuerelektronik häufig höhere Temperaturen entstehen. Folglich ist die thermische Leitfähigkeit des Ganzen besonders wichtig. Deshalb setzen Entwickler auf DCB-Substrate (Direct Copper Bonding) – sie führen die Wärme sehr schnell ab und verhindern so Schäden – sowie Sinter-Verbindungen, weil sie den höheren Temperaturen besser Stand halten als klassische Lötverbindungen. Allerdings gibt es bislang kein zerstörungsfreies Testverfahren für Sinter-Verbindungen zwischen DCB-Substrat und Chips.

Sinter-Verbindungs-Diagramm
Die Screenshots zeigen Messungen an der „guten“ Probe A1 (Foto oben) und einer „schlechten“ Probe C2 (unten). Es treten deutliche Unterschiede in der Maximaltemperatur auf (jeweils linkes Kurven-Diagramm): A1 erreicht hierbei ca. 63°C, C2 aber ca. 76°C. Die Kurve steigt also deutlicher nach oben an, was auf eine schlechtere Entwärmung hindeutet. (Bild: Kraus Hardware)

Könnte man nicht auf Röntgen- oder Ultraschall-Prozesse setzen?

Nein, sie funktionieren nicht, weil beim Sintern keine homogene Schicht entsteht. Folglich gibt es auch kein Kontrastsignal, von dem aus man per Röntgen auf einen qualitätsgerechten Produktionsprozess schlussfolgern könnte. Ultraschall lässt sich hingegen nicht immer in Serienprozessen verwenden. Man muss es deutlich sagen: In einem der anspruchsvollsten Felder der Elektronikproduktion fehlt ein schnelles und effektives Verfahren zur Qualitätssicherung. Das ist angesichts der Bedeutung dieses Anwendungsfeldes ein wenig paradox und macht zugleich deutlich, warum unsere Arbeit so wichtig ist. Es lag also in jeder Hinsicht auf der Hand, sich mit einem neuen Prüfverfahren für Sinter-Verbindungen zu beschäftigen. Unsere Technologie ist für Elektromobilität und Co. letztlich sehr wichtig.

Wie haben Sie diese Herausforderung gelöst?

Zusammen mit Budatec und Kraus Hardware arbeitete unser Zentrum für mikrotechnische Produktion in den letzten Jahren an einem ZIM-Forschungsprojekt mit dem Namen Anko Therm, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wurde. Unser technischer Ansatz lässt sich relativ einfach erklären: Eine miniaturisierte Heizstruktur wird an den gelöteten oder gesinterten Leistungshalbleiter angekoppelt. Dann sendet ein Heizkopf einen kurzen Heizimpuls, der sich hier je nach Qualität der darunter befindlichen Verbindungschicht mit unterschiedlicher Charakteristik ausbreitet, was man wiederum messen kann. Wir bringen hier also eine bestimmte Menge von Energie ein und überprüfen, wie lange es dauert, bis diese Energie das Bauteil wieder verlassen hat. Dabei gilt die einfache Regel: Je besser die Sinter-Verbindung bzw. der Gesamtaufbau ist, desto besser kühlt er ab.

Verfügen Sie am Ende in diesem Zusammenhang über genaue Messwerte?

Nein, das ist hier nicht der entscheidende Ansatz. Es geht uns nicht darum, einzelne Messwerte zu dokumentieren. Stattdessen wollen wir nur sicherstellen, dass die vorhandenen Löt- und Sinterverbindungen richtig im Sinne der Anwendung funktionieren. Das Ganze ist also vielmehr so etwas wie eine schnelle Inspektion, die aber sehr zuverlässig funktioniert.

Welche Aufgaben haben die verschiedenen Partner genau übernommen?

Die TU Dresden hat den kompletten Messkopf inklusive Heiztechnologie sowie Temperatursensor entwickelt und evaluiert die Prüfergebnisse, wobei Kraus Hardware entscheidend bei der Durchführung der Messreihen mitarbeitet – ein unschätzbarer Vorteil für uns, denn Kraus Hardware hat allein mehrere hundert Arbeitsstunden in die Programmierung der Mess-Software investiert. Budatec ist verantwortlich für die Konstruktion und Umsetzung der Anlagentechnik.

Durchführung der Messreihen
Benjamin Russ von Kraus Hardware hat die Dresdner Wissenschaftler bei der Durchführung der Messreihen intensiv unterstützt. (Bild: Kraus Hardware)

Welche Vorteile ergeben sich für die Unternehmen?

Ich weiß aus Gesprächen, dass alle Partner von einem solchen Projekt direkt profitieren, denn sie bauen ein noch größeres Verständnis für Löt- und Sinterprozesse auf und erweitern somit ihre Expertise in der Mess‑, Steuer- und Regelungstechnik. Übrigens war die gesamte Zusammenarbeit sehr eng – wir haben uns beispielsweise laufend in regelmäßigen Online- und Präsenzkonferenzen mit Budatec und Kraus Hardware ausgetauscht. Für mich ist das Ganze deshalb auch ein gutes Beispiel dafür, wie man die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie zielführend vollzieht.

ADwin-Messsystem
Das ADwin-Messsystem von Kraus Hardware steuert die gesamte Messanordnung sehr genau. (Bild: Kraus Hardware)

Gab es besondere technische Herausforderungen, die Sie lösen mussten?

Wir haben in den vergangenen rund zwei Jahren sehr viel Zeit in die Entwicklung der Messanordnung investiert. Dabei war es zum Beispiel nötig, einen robusten Heizkopf zu konstruieren, der einerseits der andauernden Wärmebelastung standhält und andererseits als sensibler Sensor für die Messung fungiert. Dazu kommen verschiedene Schutzmechanismen am Bauteil zum Einsatz. Eine weitere Herausforderung ergab sich durch das eingesetzte Oszilloskop, weil es zunächst zu viele Messwerte generierte – ein Problem, das speziell mithilfe des ADwin-Messsystems von Kraus Hardware gelöst wurde. Es verfügt über einen Echtzeitprozessor, schnelle analoge und digitale Ein- und Ausgänge sowie eine Kommunikationsschnittstelle zum PC und ein dazugehöriges Echtzeitprogramm. Auf dieser Basis steuert diese Technologie die gesamte Messanordnung sehr genau an. Im Endeffekt fallen nur noch genau jene Messwerte im System an, die wir für die Kontakt-Thermografie benötigen.

Heizkopf
Der Heizkopf dient zum Aufheizen des Prüfaufbaus und anschließend zur Messung der Entwärmung. (Bild: Kraus Hardware)

Welche Rolle spielt die Wiederholbarkeit der Messungen?

Das war ein entscheidender Punkt, denn unser Ziel war eine standardisierte Technologie, die absolut sicher und wiederholgenau in industriellen Prozessen zum Einsatz kommt. Deshalb durchliefen viele Proben immer wieder – bei unterschiedlichen Bedingungen – das Verfahren, wobei wir jeweils die Messparameter überprüft haben. Auf diese Weise konnten wir präzise ermitteln, wie lange zum Beispiel die Erwärmung für stabile Ergebnisse andauern muss. Im Übrigen gibt es sehr viele Details, die das Verfahren entscheidend beeinflussen. Wir haben zum Beispiel erst mit der Zeit herausgefunden, mit welcher Kraft der Heizkopf inklusive Sensor auf das Modul drücken muss. Am Anfang kamen hierbei eher zu niedrige Werte zum Einsatz. Insgesamt haben wir mittlerweile alle relevanten Parameter im Griff.

Heat-Flow-Test-System HFTS320
Das auf der productronica prämierte Heat-Flow-Test-System HFTS320 von Budatec (Bild: Kraus Hardware)

Wie kam es zur Bewerbung für den productronica innovation Award 2023?

Die Bewerbung ging von Budatec als Aussteller aus, wobei der Zeitpunkt ideal war. Schließlich ist das Verfahren mittlerweile prozesssicher anwendbar und verfügt über eine hohe Prüfreife. Allerdings liegt bis zur Serienreife auch noch viel Arbeit vor uns, wobei wir auf einem guten Weg sind. Grundsätzlich haben sich alle Beteiligten – also auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Zentrum für mikrotechnische Produktion der TU Dresden sowie von Kraus Hardware – über diese Auszeichnung sehr gefreut. Sie ist einerseits Bestätigung für den Erfolg unserer langjährigen Arbeit. Andererseits macht der Preis deutlich, welche Bedeutung dieses neue Verfahren in den nächsten Jahren noch bekommen kann. Das Ganze ist in jedem Fall ein echtes Zukunftsthema.

Was sind die nächsten Schritte?

Jetzt geht es darum, das Ganze in einen nachhaltigen Maschinenbau einzubinden, sodass am Ende eine robuste und reproduzierbare Prüftechnologie bereitsteht. Hierbei ist es übrigens immer denkbar, dass verschiedene Lösungen entstehen – also etwa eine In-Line-Technologie mit verschiedenen Heizköpfen für den Einsatz in großvolumigen Produktionsprozessen und eine Stand-Alone-Apparatur für den manuellen Gebrauch. Dazu arbeiten wir aktuell eng mit den beiden Projektpartnern zusammen. Und: Mit dem sogenannten Heat-Flow-Test-System HFTS320 von Budatec haben wir dazu bereits einen ersten wichtigen Schritt gemacht.

Petra Gottwald
(Bild: Hüthig Medien / Petra Gottwald)

Petra Gottwald

Chefredakteurin Elektroniktitel

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