Finanzinvestitionen

(Bild: Chaylek _AdobeStock_618008035)

Mein Name ist Simon Majer und ich berate bei Raymond James, einer internationalen Investmentbank, Gesellschafter und Unternehmen bei M&A Transaktionen und Finanzierungen. Mein Fokus liegt dabei auf dem Elektroniksektor. Neben verschiedenen abgeschlossenen Transaktionen haben mein Team und ich Private Equity Investoren sowie deren Portfoliounternehmen in der Evaluation von potenziellen Investitionen und Zukäufen im EMS-Sektor unterstützt.

Wichtige Kriterien bei der Investitionsentscheidung professioneller Investoren sind – exemplarisch – das Marktwachstum, die Profitabilität, die Kapitalintensität des Geschäfts, aktuelle Markttreiber- und Trends sowie die Fragmentierung der Unternehmenslandschaft bzw. Möglichkeit zum Wachstum durch Zukäufe anderer Unternehmen. Sowohl das Marktwachstum, welches seit Jahren im Durchschnitt im höheren einstelligen Bereich liegt, als auch auf die Fragmentierung, die mit mehreren tausend Unternehmen allein in Europa stark ausgeprägt ist, sprechen klar für ein Engagement von Finanzinvestoren. Bei anderen Kriterien muss man jedoch genauer hinsehen:

Ausgehend von einer Analyse von börsengelisteten Spielern, welche aufgrund von veröffentlichten Informationen eine der wichtigsten und transparentesten Datenquellen darstellen, ist sowohl die Profitabilität als auch die Kapitalintensität als weniger attraktiv anzusehen. So ist die Profitabilität als EBITDA-Marge im Durchschnitt einer Vergleichsgruppe seit 1998 von rd. 10,3% des Umsatzes um 3,3 Prozentpunkte auf 7,0% gefallen. Investitionen reduzieren die Erträge und freien Cashflows nochmals um gut 2,9% des Umsatzes.
Wirft man einen genaueren Blick auf die Branche, so stellt man jedoch fest, dass diese Wahrheit nur für einen Teilbereich der Branche korrekt ist.

Analyse börsennotierter LMHV-Unternehmen
Analyse börsennotierter LMHV-Unternehmen (Bild: FacSet)

Differenzierung High-Mix, Low Volume und Low-Mix, High Volume

Bei einer Differenzierung zwischen Low-Mix, High Volume (LMHV) und High-Mix, Low Volume (HMLV) EMS-Dienstleistern stellt sich ein differenziertes Bild dar. Es wird deutlich, dass HMLV-Dienstleister meist näher am OEM sitzen und schneller und flexibler reagieren können. Durch eine bessere Verbindung zum Kunden, Integration in der Wertschöpfungskette und Komplexität der Dienstleistung sind EBITDA-Margen von bis zu 20% (bei integrierten Unternehmen mit differenziertem Angebot und Endmarktfokus) kein Einzelfall. Damit rückt sich die Branche in ein neues Licht, was bereits einzelne Finanzinvestoren erkannt haben und entsprechend investieren.

Differenzierung High-Mix, Low Volume und Low-Mix, High Volume
Differenzierung High-Mix, Low Volume und Low-Mix, High Volume (Bild: Raymond James)

Investitionskriterien & Differenzierungsmerkmale

Neben den angesprochenen Kriterien schauen Finanzinvestoren insbesondere auch auf Endmarktfokus / Sektorpositionierung, Fertigungstiefe und -kapazität, Wachstum und Kundenkonzentration sowie KPIs wie Umsatz, EBITDA oder Umsatz pro Mitarbeiter. Die Endmarktausrichtung des Kundenstammes wird mit Schutz der Marge, Wachstum, aber auch Finanzierbarkeit einer Akquisition durch Banken in Verbindung gebracht, welche bestimmte Sektoren als risikoärmer einschätzen. In den letzten Jahren ist zusätzlich die Positionierung in Hinblick auf Environmental-, Social- und Governance-Kriterien (ESG) in Bezug auf Produktion und Footprint in den Vordergrund gerückt.

Perspektiven von Privat Equity
Exemplarische Investitionskriterien von Finanzinvestoren (Bild: Raymond James)

Was bedeutet die Positionierung für den Wert eines Unternehmens?

Basierend auf den dargestellten Investitionskriterien werden nicht nur die Investitionsentscheidungen, sondern auch die Einwertung und Bewertung von Unternehmen vorgenommen. Dabei spielt die Integration von Unternehmen in der Wertschöpfungskette, der beschriebene Industrieschwerpunkt oder die Differenzierung zwischen einfachem, undifferenziertem Dienstleistungsangebot vs. der Integration von Servicedienstleistungen, die möglichst breite Teile des Produktlebenszyklus abbilden können, eine große Rolle. Während eine einfache, vergleichbare Dienstleistung mit einer niedrigeren Bewertung einhergeht, werden integrierte Anbieter mit Entwicklungs- und After-Sales / komplexen Testing- und Tracebility-Fähigkeiten höher bewertet.

Gleichfalls sorgt die Ausrichtung hin zu aktuellen Trends wie erneuerbaren Energien oder EV-Charging sowie durch Zertifizierungen und Regulierung (Medtech, Verteidigung) geschützten Sektoren zu einem Zuschlag in der Bewertung, da auch hier die Margen als geschützter gesehen werden und ein solides, nachhaltiges Wachstum erwartet wird.

EMS Tiefe der Wertschöpfungskette
Die Ausrichtung hin zu aktuellen Trends wie erneuerbaren Energien oder EV-Charging sowie Zertifizierungen sorgen für einen Zuschlag in der Bewertung, da hier die Margen als geschützter gesehen werden und ein solides, nachhaltiges Wachstum erwartet wird. (Bild: Raymond James)

Ausblick

Abschließend lässt sich festhalten, dass eine Vielzahl an professionellen Investoren die Elektronikbranche als attraktiv erkannt hat. Für diese spielen neben den aufgezeigten Faktoren auch Trends wie die generelle Elektrifizierung von Gegenständen des Alltags, das Wachstum elektronischer Energie, Wärme- und Transportdienstleistungen sowie die durch zerrüttete Lieferketten und politische Instabilität aufgekommene Unterstützung lokaler Produktion eine Rolle. Das Wachstum westlicher Produktionskapazitäten und der Nachfrage nach solchen steigert die Attraktivität des Sektors weiter.

Dies spiegelt sich neben einer höheren Nachfrage auch in einem Anstieg der Transaktionen wider, da Unternehmer nach der Covid-Krise erstmals wieder auf solide Finanzzahlen für den Start von Verkaufsprozessen blicken.

Die aktuelle Zeit birgt damit eine Reihe von Chancen für Käufer- und Verkäufer, da beiden Seiten einer Vielzahl an Opportunitäten gegenüberstehen. Die gesteigerte Liquidität wird Transaktionen vereinfachen und hat das Potenzial, den Gesamtmarkt zu beleben.

Simon Majer
(Bild: Raymond James)

Simon Majer

Simon Majer berät bei Raymond James, einer internationalen Investmentbank, Gesellschafter und Unternehmen bei M&A Transaktionen und Finanzierungen.

Sie möchten gerne weiterlesen?