SG Automotive Slowenien

(Bild: SG Automotive)

Klaus Schuster, SG Automotive
(Bild: SG Automotive)

Mein Name ist Schuster, Klaus Schuster und ich komme nicht aus der Elektronikfertigung, sondern ich bin Manager und Sachbuchautor. Vor vielen Jahren habe ich mit meinem Team eine kleine slowenische Nischenbank kontrolliert abgewickelt und die Privatisierung eines Unternehmens mit 4.000 MitarbeiterInnen erfolgreich koordiniert. Heute leite ich das EMS-Unternehmen SG Automotive d.o.o. und ich erzähle Ihnen, wie ich dieses Unternehmen gemeinsam mit meinem Team saniert habe.

Zu ihren besten Zeiten, vor rund zehn Jahren, erzielte die SG Automotive im slowenischen Slovenske Konjice circa 60 Mio. Euro Jahresumsatz und beschäftigte 500 Mitarbeiter. Dann kam die Krise, ausgelöst durch eine Überschuldung. Als Folge wechselten Eigentümer und Management und das übliche Krisenmanagement setzte ein.

Wir kennen es alle aus eigener Anschauung oder Erfahrung: Kosten runter, Liquidität sicherstellen, keine Gläubiger bevorzugen. Kurz gesagt: Vorgehen nach Lehrbuch. Wenden wir uns daher sechs Erfolgsimperativen zu, die eher nicht im Lehrbuch stehen.

Stelle eine Roadmap auf!

Wenngleich die Versuchung angesichts eines praktisch von Natur aus bedrohlichen bis chaotischen Sanierungsfalls auch groß sein mag, so schnell wie möglich drauflos zu sanieren: Wir widerstanden der Versuchung und stellten vielmehr ganz zu Beginn einen Fahrplan auf, eine Roadmap. Sie definierte relevante Meilensteine und teilte die Sanierung in die vorrangige Finanzsanierung und die Sanierung des operativen Geschäfts ein. So wussten wir jederzeit, wie wir im Rennen lagen und welche Etappenziele noch offen waren.

Folge dem Transparenz-Ethos!

Gemäß Lehrbuch werden in einer Finanzkrise die Finanzen saniert und stabilisiert – der kurzfristige Aspekt jeder Sanierung. Langfristig ist diese jedoch nur dann erfolgreich, wenn das eigentliche operative Geschäft wieder attraktiv genug für (neue) Kunden wird. Muss ein Kunde jedoch erkennen, dass es bei einem Lieferanten schlecht läuft, macht er keine neuen Geschäfte mit ihm. Doch genau diese braucht der Lieferant, um sich erfolgreich zu sanieren. Also was tun?

Wir entwarfen ein Ethos: „Wir kommunizieren stets offen, ehrlich und transparent mit unseren Kunden.“ Also nicht, wie viele es in vergleichbarer Situation praktizieren: Krise leugnen, verharmlosen oder beschönigen. Oder qualitativ-abstrakte Marketing-Poesie verbreiten à la „Unsere Sanierung verläuft nach Plan – alles im grünen Bereich!“ Das überzeugt keinen skeptischen Kunden. Vielmehr lieferten wir unseren Kunden während der Sanierung, natürlich vertraulich, Monatsberichte mit aktuellen Finanzdaten, Risiko-Abschätzung und Geschäftsentwicklung. Auf der einen Seite versorgten wir damit ihr Risikomanagement optimal mit Daten, damit sie fundierte Entscheidungen treffen konnten. Auf der anderen Seite gewannen wir damit ihr Vertrauen zurück – und ohne Vertrauen kein Geschäft. Mit unseren Mitarbeitenden praktizierten wir eine andere Variante des Ethos.

Dies war nötig, da in fast jedem Meeting die Mitarbeitenden wissen wollten, wie es denn nun weitergeht mit der Firma – welche Projekte überleben, welche sterben? Ich machte es mir zur Gewohnheit, so offen wie möglich zu antworten: „Ich spekuliere nicht. Ich mache euch keine falschen Hoffnungen, aber auch keine falsche Panik. Ich rede erst über neue Projekte, wenn der Kunde seine Unterschrift darunter gesetzt hat.“ Die Belegschaft honorierte diese Offenheit mit bestärktem Vertrauen. Wir formalisierten diese Transparenz unter anderem mit einem monatlichen Mitarbeiter-Frühstück; zu Beginn noch mit je circa 30 Teilnehmenden, heute in kleineren Runden mit circa acht Teilnehmenden: keine Management-Keynote, sondern Off-the-Record-Diskussionen. Und je kleiner die Runde, desto produktiver der Austausch.

Wieder eine andere Art von Transparenz übten wir gegenüber dem neuen Eigentümer: Wir kommunizierten Forecasts und Pipelines, damit dieser frühzeitig sehen konnte, was sich am Horizont abzeichnet.

Zeige Demut!

SG Automotive - Vertriebschef Juan
Acht Nationalitäten arbeiten im Team der SG Automotive. Der Vertriebschef kommt aus Mexiko. (Bild: SG Automotive)

...nämlich gegenüber den Gläubigern. Auch unsere Lieferanten verloren bei dem Crash viel Geld. Doch anstatt nach erfolgreicher Sanierung zum Tagesgeschäft überzugehen und so zu tun, als wäre nichts passiert, ging unser Management auf unsere Gläubiger zu, entschuldigte sich in aller Form und setzte alles daran, ihr Vertrauen zurückzugewinnen. Nach Abschluss der Sanierung haben wir unsere Verbindlichkeiten von 20 auf acht Millionen Euro verringert. Die Vorauskasse konnten wir mittlerweile um fast 90 Prozent reduzieren. Doch natürlich halten wir uns eisern daran: Wenn eine offene Rechnung auf dem Tisch liegt, halten wir das Zahlungsziel ein, ohne jede Diskussion.

Kümmere dich um deine liebsten Kunden!

Wir aktivierten in der Krise nicht nur die Number Cruncher und Finanzspezialisten, sondern auch den Vertrieb, um möglichst viele Kunden bei der Stange zu halten. Zwar gibt es im B2B-Bereich an Qualität und Preis nichts zu rütteln, beide gelten als gesetzt – wir liefern durchschnittlich mit 2 PPM (zwei defekte Teile pro Million). Doch darüber hinaus behandeln wir unsere Kunden nicht nur wie Kunden, sondern wie Menschen. Unter anderem laden wir sie zu uns ein, führen sie herum, erklären ihnen alles. Und jeder Besucher sieht: Unsere Leute sind stolz zu zeigen, was sie alles draufhaben. Das beeindruckt, schafft Vertrauen sowie eine stabile Bindung und half natürlich auch aus der Krise. Regelmäßig bestätigt positives bis begeistertes Feedback den Nutzen solcher Maßnahmen. Einer der Besucher, Geschäftsführer eines Kundenunternehmens, meinte nach seinem Rundgang im Betrieb: „So beeindruckend der Besuch bei euch auch war – jetzt muss ich wieder zurück in meine Schrummelbude.“ Wir versuchen, nicht nur kundenzentriert zu sein, sondern auch gastfreundlich. Das verlangt keiner, das ist nicht üblich.

Üblich ist, dass Kunden bei Aufträgen und Anliegen durch Hierarchie und Abteilungen gereicht werden. Wir regeln das anders. Bei ihren Besuchen lernen unsere Kunden unsere Experten und Entscheidungsträger persönlich kennen. Wenn sie dann nach ihrer Abreise ein Anliegen haben, marschieren sie nicht durch die Hierarchie, sondern rufen gleich bei Robi (unserem Projektmanager) oder bei Juan (Vertriebschef) oder Rosana (Logistik-Chefin) an. Die regeln das dann. Auch darüber erhalten wir regelmäßig Feedback von Kundenseite: „Wenn wir ein Problem haben, wissen wir: Anruf genügt.“

Baue dein Team um!

Unsere Sanierung gelang nur deshalb so schnell und erfolgreich, weil wir a) ausschließlich Leute im Team hatten, denen ich hundertprozentig vertrauen konnte und b) die bereit waren, die Extrameile zu gehen. Woher solche Leute nehmen? Ganz zu Beginn „putzte ich Klinken“ an den Bürotüren und ließ mir persönlich bestätigen – oder eben auch nicht: „Bist du dabei? Ziehst du mit 120 Prozent mit?“ Das taten alle benötigten Experten, sobald sie sahen, dass ich nicht nur die Extrameile forderte, sondern sie voranschritt – eben die berühmte Vorbildfunktion. Natürlich musste ich zu Beginn alles anschieben, doch danach musste keinem mehr gesagt werden, was zu tun ist, weil das jeder selber sah und selber machte. Für mich entfiel damit der Großteil des Kontrollaufwands und die komplette kalte Rückdelegation aus den beiden o.g. Gründen a) Vertrauen und b) Extrameile.

Rekrutiere kreativ!

Ein heißes Thema ist derzeit der Personalmangel – auch hier in Slowenien. Daher rekrutieren wir auch im Ausland. Unser Vertriebschef kommt aus Mexiko, der Projektmanager aus Schottland, eben beantragen wir eine Blue Card für eine neue Kollegin aus der Türkei. Wir haben acht Nationalitäten im Team. Wenn also ein spanischer Kunde Spanisch mit uns sprechen möchte: Bitte schön. Und obwohl wir in Slowenien sind, sprechen wir intern größtenteils Englisch. Das ist das eine.

Das andere ist die „Rekrutierung“ externer Experten. Wir haben zum Beispiel keine eigene IT-Abteilung mehr. Manche sprechen hier von Risiko. Doch es ist gerade umgekehrt: Früher, wenn unser eigener IT-Administrator in Urlaub ging, hatten wir ein Problem. Das haben wir heute mit unserem externen IT-Dienstleister nicht mehr.

SG Automotive im Kundengespräch
Petra Majdič (Bronzemedaillengewinnerin im Skilanglauf 2010 in Vancouver), anlässlich ihres Besuches bei SG Automotive im Frühjahr 2023. (Bild: SG Automotive)

Fazit der Sanierung

Wir haben heute 100 Mitarbeiter, 20 Prozent Eigenkapital und machen 20 Mio. Euro Jahresumsatz. Wir haben wieder genug Selbstvertrauen, um zu sagen: Wir machen das, was unsere größeren Konkurrenten nicht wollen und das, was die Kleineren nicht können. Tatsächlich brachte die Sanierung – neben der Gesundung – einen weiteren Vorteil: Wir haben freie Kapazitäten, während unsere Mitbewerber weitgehend ausgelastet bis überbucht sind.

Wir können froh sein – wir kamen relativ schnell aus der Krise: Die Finanzsanierung erreichten wir in zwei Jahren, die operative Umstrukturierung schafften wir in einem halben Jahr – und das alles in Zeiten von Corona und Chipmangel. Uns traf damals einfach jede Krise. Doch wir haben uns rausgekämpft und wieder genügend Liquidität (in vernünftigem Rahmen). Wir sind krisenkompetent geworden, was gut ist, denn: Auf freien Märkten gibt es immer Krisen. So ist Konjunktur definiert: ein Auf und Ab. Doch es kommt nicht auf die aktuelle Krise an, sondern wie man sie bewältigt. Wir haben unsere gemeistert.

Klaus Schuster, SG Automotive
(Bild: SG Automotive)

Klaus Schuster

Geschäftsführer SG Automotive d.o.o., Slovenske Konjice/Slowenien

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