Wolfram Harnack (links, hier im Gespräch mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK-Chefredakteur Alfred Vollmer): „Weltweit werden E-Fahrzeuge zum größten Teil mit SiC-basierenden Invertern und Onboard-Chargern ausgestattet sein.“

Wolfram Harnack (links, hier im Gespräch mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK-Chefredakteur Alfred Vollmer): „Weltweit werden E-Fahrzeuge zum größten Teil mit SiC-basierenden Invertern und Onboard-Chargern ausgestattet sein.“ (Bild: Alfred Vollmer)

Herr Harnack, wie laufen die Geschäfte?

Dies ist eine interessante Frage. Die letzten zwei bis drei Jahre waren starke Wachstumsjahre. Noch im zweiten Halbjahr 2022 waren die Erwartungen für 2023 sehr optimistisch. Diese Einschätzung hat sich nicht umsetzen lassen. Dennoch wachsen wir deutlich im Vergleich zum Vorjahr im Automotive- und Industrie-Bereich. Damit können wir unter den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen zufrieden sein. Wir erwarten, dass das Geschäft in der zweiten Jahreshälfte noch einmal stärker zunimmt.

Heißt das, dass Sie sogar noch Kapazitäten frei haben?

Ja, haben wir, denn die Allokationslage hat sich entspannt. Es gibt aber gewisse Produkte, die nach wie vor stark nachgefragt werden – gerade bei Leistungshalbleitern. Commodities von Transistoren über Dioden über Analog/LSIs bis zu Widerständen sind wieder wesentlich besser verfügbar. Wir haben in unserer Firmengruppe die komplette Supply Chain unter Kontrolle, so dass wir das Gefühl haben, in Zeiten der Halbleiterknappheit einen ganz guten Job gemacht zu haben. Kürzlich haben Bosch, Vitesco Technologies und Continental uns zum Beispiel mit Supplier Awards ausgezeichnet

Wolfram Harnack: „Bei Siliziumkarbid wollen wir einen Marktanteil von 30 Prozent weltweit über alle Märkte hinweg erreichen und damit zu den Top-3-Lieferanten im SiC-Bereich zählen.“
Wolfram Harnack: „Bei Siliziumkarbid wollen wir einen Marktanteil von 30 Prozent weltweit über alle Märkte hinweg erreichen und damit zu den Top-3-Lieferanten im SiC-Bereich zählen.“ (Bild: Alfred Vollmer)

Aber bei Siliziumkarbid ist die Nachfrage doch sehr hoch…

Ja. Der Ramp-up ist in vollem Gang – bereits in diesem Jahr gibt es viele neue SOPs. Ab 2024 /2025 werden in Europa die großen Anläufe starten. Bis 2027 soll unser Geschäft in Europa dann rund ein Drittel zu unserem Gesamt-Umsatz im Bereich SiC beitragen.

Wie sieht es bei Rohm in puncto GaN – Galliumnitrid – aus?

Bei GaN sind wir auf einem guten Weg. Wir haben bereits seit einigen Jahren 150-V-Produkte im Markt etabliert. Zur PCIM im Mai dieses Jahres haben wir auch 650-V-Produkte auf GaN-Basis vorgestellt. Zunächst werden wir uns bei den GaN-Anwendungen auf die Bereiche Server und Schaltnetzteile konzentrieren. Zumindest bis 2030 wird sich allerdings SiC bei den Automotive-Invertern behaupten. Bei den geringeren Leistungen sehe ich definitiv gute Erfolgschancen, dass Galliumnitrid Fuß fassen wird.

Wolfram Harnack: »Wir werden unsere SiC-Produktionskapazität bis 2030 um das 35-fache (im Vergleich zu 2021) erhöhen. «
Wolfram Harnack: »Wir werden unsere SiC-Produktionskapazität bis 2030 um das 35-fache (im Vergleich zu 2021) erhöhen. « (Bild: Alfred Vollmer)
Zitat

»Jetzt werden die Karten neu gemischt, und gerade die Substratfrage spielt eine entscheidende Rolle. Wer keine eigenen SiC-Substrate hat, der hat es deutlich schwerer, die Volumenstückzahlen zu liefern.«

Wolfram Harnack,
Rohm Semiconductor Europe

Glauben Sie, dass alle Ihre Automotive-Kunden inklusive Tier-1s und OEMs wirklich erkannt haben, wie wichtig es ist, sich sehr lange im Voraus mit langfristigen Liefervereinbarungen abzusichern?

Definitiv ja, durch die Reihe. Die Krise hat beide Seiten enger zusammengeführt. Die Automobilindustrie hat erkannt, dass Halbleiter sich nicht mit einem kurzen Planungshorizont beschaffen lassen. Deshalb gibt es derzeit auch viele Partnerschafts-Ankündigungen; das ist für beide Seiten extrem wichtig, denn es geht um Planungssicherheit für beide Seiten.

Wie wichtig ist der Automotive-Bereich für Rohm?

Weltweit sind wir auf Platz 11 der Halbleiter-Zulieferer für die Automotive-Branche. Rein von der Anzahl der Bauteile her stammen nach unserer Einschätzung 8 bis 10 Prozent aller Komponenten in Neufahrzeugen von Rohm.

Rohm macht etwa 60 Prozent seines Europa-Geschäfts im Automotive-Bereich. Bei Siliziumkarbid wollen wir einen Marktanteil von 30 Prozent weltweit über alle Märkte hinweg erreichen und damit zu den Top-3-Lieferanten im SiC-Bereich zählen.

Um dieses Ziel zu erreichen, spielt das SiC-Basismaterial eine wichtige Rolle – besonders wenn der Markt exorbitante Stückzahlen fordert. Jetzt werden die Karten neu gemischt, und gerade die Substratfrage spielt eine entscheidende Rolle. Wer über keine eingene SiC-Substratproduktion verfügt und keine langjährige Erfahrung in der Verarbeitung dieser hat, der hat es deutlich schwerer, die Volumenstückzahlen zu liefern.

Zitat

»Unser Ziel ist es, einen sehr tiefen technischen Support zu geben während der Evaluierung auf Kundenseite. Wir wollen die Evaluierung und die Freigabeprozesse massiv unterstützen.«

Wolfram Harnack,
Rohm Semiconductor Europe

Mit dem Nürnberger Unternehmen SiCrystal besitzt Rohm einen Inhouse-Lieferanten für die SiC-Substrate…

SiCrystal ist wichtig für uns, und wir bauen auch dort massiv Kapazitäten aus.

Wie bekommen Sie die Liefersituation bei SiC vom Ramp-up bis zur vollen Volumenproduktion in den Griff?

Wir haben natürlich LTAs, Long-Term Agreements, mit unseren Abnehmern. Zum Beispiel sind wir mit Vitesco Technologies im Jahr 2020 eine strategische Entwicklungspartnerschaft eingegangen. Kürzlich haben wir auch eine langfristige Siliziumkarbid (SiC)-Lieferpartnerschaft unterzeichnet – im Wert von über einer Milliarde US-Dollar bis 2030. Ganz frisch hat die Rohm-Gruppe auch eine neue Fab in Japan erworben. Diese Akquisition ermöglicht einen schnellen Produktionsstart durch die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur. So wird Rohm in der Lage sein, die stark wachsenden Bedarfe seiner Kunden weiterhin zeitnah und zuverlässig zu beliefern. Konkret bedeutet dies folgendes: Wir werden unsere SiC-Produktionskapazität bis 2030 um das 35-fache (im Vergleich zu 2021) erhöhen.

Wird das eine 200-mm-Fab für SiC?

Der Anteil an 8-Inch-Produkten, also 200 mm, ist derzeit noch eher gering, wird aber stetig wachsen.

Wolfram Harnack: »Ziel ist es, unsere Kunden schon vorab auf Risiken hinzuweisen, die sie noch gar nicht auf ihrer Agenda hatten.«
Wolfram Harnack: »Ziel ist es, unsere Kunden schon vorab auf Risiken hinzuweisen, die sie noch gar nicht auf ihrer Agenda hatten.« (Bild: Alfred Vollmer)

Mit dem Umstieg auf E-Fahrzeuge, die auch noch andere Fahrzeugarchitekturen als bisher nutzen, ändert sich der Markt radikal. Was heißt das für Rohm Semiconductor?

Der Markt ändert sich komplett, denn durch diese extrem dynamische Entwicklung herrschen turbulente Zeiten. Es ist ja nicht nur die Automobilbranche, die nach Siliziumkarbid fragt. Auch der Industriebereich, und hier besonders die Solarbranche, weiß die Vorteile dieser Technologie sehr zu schätzen – und zwar eigentlich schon seit Jahrzehnten. Eines ist bei Siliziumkarbid im Auto klar: Weltweit werden E-Fahrzeuge zum größten Teil mit SiC-basierenden Invertern und Onboard-Chargern ausgestattet sein.

Wie sieht die Lage bei IGBTs und anderen Halbleitern auf Siliziumbasis aus?

Im Traktions- und OBC-Bereich fragen die Kunden mehrheitlich Siliziumkarbid nach, aber bei den Zusatz-Aggregaten sind auch Silizium-Leistungshalbleiter wie IGBTs sehr gefragt.

Wie sehen Sie die Situation auf der Applikationsseite?

Ich bin jetzt seit 28 Jahren in der Halbleiter-Industrie tätig, und das ist derzeit eine der spannendsten Zeiten, besonders in Europa. Es gab nie zuvor einen derart kompletten Wandel, wie er im Moment stattfindet. Die Umstellung auf Elektromobilität sorgt dafür, dass der Halbleiter-Anteil in Fahrzeugen drastisch ansteigen wird. Die SiC-Bauteile innerhalb von Invertern haben hierbei einen bedeutenden Anteil am Gesamtpaket „Halbleiter“ im Fahrzeug.

Zusätzlich zu den Antriebsanwendungen kommen ADAS-Anwendungen hinzu, die wir mit analogen Halbleitern bedienen. Dazu gehören zum Beispiel Power Management ICs, Motortreiber, Display-ICs und DC/DC-Bauteile. All diese Produkte werden stark nachgefragt, weshalb wir unter anderem bei Stromversorgungs-ICs und Power-Management-ICs ebenfalls massive Steigerungen erwarten.

Da viele Kunden ihre Lieferantenbasis neu ausrichten wollen, passt das sehr gut. Aufgrund unserer hohen vertikalen Integration aller Prozesse entlang der Wertschöpfungskette sind wir ein sehr gefragter Partner. In herausfordernden Zeiten, zum Beispiel während der letzten Halbleiterkrise, haben unsere Kunden diese Eigenschaften insbesondere geschätzt.

Welche Bedeutung hat die Nano-Cap-Technologie für Rohm?

Wir haben Nano Cap entwickelt, um so kleinere Komponenten in der Umgebung der Power-Schaltung zu ermöglichen. Vor allem bei den Kondensatoren sind da massive Einsparungen möglich, aber auch eine höhere Integration und letzten Endes niedrigere Montage- und Systemkosten.

SiC: Technologie, Effizienz, Miniaturisierung

Elektronik für die Zukunft - Vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung, die künftige Generationen bedroht, steigt die Nachfrage nach energieeffizienten Geräten. Der Einsatz der SiC-Technologie führt zu erheblichen Energieeinsparungen und CO₂-Reduzierung. In diesem Kanal informieren wir Sie über unsere Schlüsseltechnologien, Produktionsprozesse und Dienstleistungen. Außerdem zeigen wir, wie ROHM als Unternehmen dazu beitragen will, die Welt mit unseren Produkten grüner zu machen.
(Bild: Rohm)

Elektronik für die Zukunft - Vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung, die insbesondere künftige Generationen bedroht, steigt die Nachfrage nach energieeffizienten Geräten. Der Einsatz der SiC-Technologie führt zu erheblichen Energieeinsparungen und CO₂-Reduzierung. In diesem Kanal informiert ROHM über Schlüsseltechnologien, Produktionsprozesse und Dienstleistungen.

Was ist derzeit die größte Herausforderung für Rohm Semiconductor?

Im Moment herrscht eine extreme Dynamik, und diese zu managen, das ist schon eine echte Herausforderung. Das betrifft die große Anzahl und die Agilität innerhalb der Projekte, bei denen wir Applikationssupport leisten sollen und wollen. Zudem haben wir mittelfristig weiterhin Bedarf an Elektroingenieuren. Zum Glück sind wir hier aktuell gut aufgestellt und können alle Projekte zuverlässig realisieren. Wir sorgen vor, indem wir eine Wertekultur im Unternehmen schaffen, die es den Mitarbeitern ermöglicht, in einem sehr angenehmen und motivierenden Arbeitsumfeld mit Perspektive tätig zu sein. In Europa unterstützen wir unseren Kundenservice mit unseren kompetenten Team-Mitgliedern, die insgesamt 32 Muttersprachen sprechen.

Welche Form von Applikationssupport bietet Rohm?

Chipentwicklungsaktivitäten finden hauptsächlich in Japan statt, aber wir haben natürlich echte Chip- und Modulexperten hier in Europa, die direkt mit den Entwicklungsstätten in Japan zusammenarbeiten. In Europa haben wir ein wirklich kompetentes Applikationsingenieurs- und FAE-Team, um zusammen bei unseren Kunden dessen Anwendungen zu entwickeln und ihm mit Applikations-Insides zur Seite zu stehen.

Vor einigen Jahren haben wir das Power Lab ins Leben gerufen, in dem die power-affinen FAEs, also die Field Application Engineers, ihre Spezialkennt-nisse für unsere Kunden praktisch anwenden können. Unterstützend gibt es unser Quality Assurance-Lab. Unser Ziel ist es, einen sehr tiefen technischen Support zu geben während der Evaluierung auf Kundenseite. Wir wollen die Evaluierung und die Freigabeprozesse massiv unterstützen.

Zu diesem Zweck haben wir unsere Labore in den letzten Jahren massiv mit modernstem Equipment erweitert. Damit können wir tiefgreifende Analysen erstellen – bis auf Chip-Level. So können wir unsere Kunden mit Daten und Erkenntnissen unterstützen, insbesondere während der Entwicklungsphase.

Zudem kommen sehr viele thermische Aspekte hinzu, die eng mit den Verbindungsprozessen gekoppelt sind. Ziel ist es, unsere Kunden schon vorab auf Risiken hinzuweisen, die sie noch gar nicht auf ihrer Agenda hatten.

Kurz gesagt: Wir treiben einen extremen Aufwand, um unsere Kunden in jeglicher Hinsicht zu unterstützen. Dazu gehört die Bereitstellung von Insights zur vorausschauenden und rechtzeitigen Risiko-minimierung. Hierbei ist es unser größtes Anliegen, für einen reibungslosen Projektverlauf unserer Kunden zu sorgen.

Nicht nur die Komponenten müssen von hoher Qualität und Zuverlässigkeit sein, sondern auch das Expertenteam vor Ort, welches den Entwicklungsprozess auf Kundenseite unterstützt.

Das Interview führte Alfred Vollmer,
Chefredakteur AUTOMOBIL-ELEKTRONIK

Sie möchten gerne weiterlesen?