24. EE-Kolleg

Auch 2024 fand das beliebt EE-Kolleg statt. Welche Vorträge es gab, was die Rookies zur Veranstaltung sagen und was gekocht wird, erfahren Sie im Beitrag. (Bild: Rehm)

Auf LinkedIn schreibt dazu Frank Breer (Christian Koenen): „Wenn ich jemanden erzähle, dass ich beruflich zu einer Veranstaltung nach Colonia de Sant Jordi fliege, sind die Aussagen immer gleich: Ja, ja, beruflich nach Mallorca, du kannst mir viel erzählen, du machst doch Urlaub dort.“

Wo das „Du“ im Vordergrund steht

Auch ich werde im Verlag verschmitzt angelächelt, wenn ich meinen Reiseantrag für diese berufliche Veranstaltung stelle. Und ich kann durchaus verstehen, dass viele in der Branche gegenüber dem EE-Kolleg auf Mallorca etwas skeptisch sind, vor allem dann, wenn sich der neue Geschäftsführer, den man im Vorbeigehen bei der letzten Messe gesehen hatte, nur mit dem Vornamen vorstellt. Jedoch genau dieses freundliche und unverstellte „Du“, das die Veranstalter (ASMPT SMT Solutions, Asys Group, Balver Zinn, Christian Koenen Group, Kolb Cleaning Technology , Rehm Thermal Systems , Zevac) vor vielen Jahren zur „Eintrittskarte“ für das EE-Kolleg bestimmt hatten, vermittelt einem gleich ein Zugehörigkeitsgefühl zu dieser Gruppe, das ich so in meinem beruflichen Kontext noch nirgendwo erlebt habe.

Ulf Oestermann von Fraunhofer IZM
Ulf Oestermann von Fraunhofer IZM ist der neue Moderator der Veranstaltung und er hatte sich auch mächtig ins Zeug gelegt. (Bild: Hüthig Medien / Petra Gottwald)

Nun aber zu den harten Fakten: Knapp 110 Teilnehmer folgten der Einladung auf die Insel, denn die Veranstalter hatten mit 14 Vorträgen ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, das aktuelle Themen und zukunftsweisende Ansätze in der Elektronikfertigung beleuchtete und sich Zukunftsfragen widmete. Von der Integration neuer Digital Twin-Technologien über KI-Unterstützung in der Fertigung bis hin zu intelligenten Lösungen zur Fehlervermeidung – tief eingetaucht in die Welt der Elektroniktechnologie wurde aufgezeigt, wie getreu dem Motto Pain Points zu Game Points werden können.

Wie wir aus Fehlern lernen können

Und wie es sich für eine Business-Veranstaltung gehört, ging es am ersten Konferenztag um 8:15 Uhr dann gleich los. Als neuer Moderator eröffnete Ulf Oestermann (Fraunhofer IZM) das 24. EE-Kolleg mit der Frage, wer denn von den Anwesenden eine gute Work-Life-Balance hätte. Entweder trauten sich viele nicht, die Hand zu heben, oder die persönliche Situation jedes Einzelnen ist doch so schlecht, dass es einen nachdenklich stimmt. Wie man im späteren Verlauf der Veranstaltung sehen konnte, entspannte sich die Situation allerdings merklich.

Den Einstieg in die Pain Points und ihre Lösungen machte Domink Alfers (Rösnick), indem er aufzeigte, wie mit Titaneinsätzen bei Lötmasken deutlich komplexere Lötmaskendesigns realisierbar sind, die sich zudem auch weniger abnutzen.

Gunter Mössinger (HTV Conservation) berichtete anschließend aus seinem Prüf-Alltag, vor allem wie man "schlechter Elektronik" auf die Spur kommt und so Fehler in der Produktion erkennt und vermeidet, was für zuverlässige PCBAs entscheidend ist.

„Geht nicht, gibt‘s nicht“, das vermittelten im Anschluss Uta Pruß und Andreas Hänisch von der Prettl Electronics in Lübeck und zeigten auf, welche Megatrends einem so in Lübeck begegnen, wie zum Beispiel das Projekt Baltic Future Port für den Megatrend Smart Cities. Ziel war, den konkreten Nutzen des neuen Mobilfunkstandards 5G für einzelne Teilprojekte im Lübecker Hafen zu erproben.

Manchmal sind Leiterplatten so groß wie eine Briefmarke – Michael Matthes (Würth Elektronik) weiß, wovon er spricht, denn er designt diese. Er entführte die Zuhörer in seine Welt der schweren Komponenten auf Leiterplatten oder des Reaction Wheels, einem quadratischen Bauraum von der Größe eines Würfelzuckers mit einer 6-lagigen Starrflex-Leiterplatte. Dass die 3D-Elektronik dabei Fahrt aufnimmt, zeigte sich darin, dass mit dem Raketenstart in Baikonur die verbaute Leiterplatte im Kleinst-Satellit 600 Kilometer in die Höhe ins All geschossen wurde. Und sie hat es unbeschadet überstanden (Anm. der Redaktion).

„Automatische Türsysteme – das ist die Firma record,“ mit diesen Worten eröffnete Jonas Ruckstuhl seinen Vortrag zur Materiallogistik in der Produktion. Was haben nun Türen mit dem EE-Kolleg zu tun? - das fragten sich wohl einige Zuhörer. Sehr begeistert erzählte der Head of Electronic Production dann, wie es dem Unternehmen gelang, die outgesourcte Elektronikproduktion kosteneffizient sukzessive ins schweizerische Fehraltdorf zurückzuholen.

Vom Digital Twin bis zur GenZ

Um die Work-Life-Balance etwas zu verbessern, startet der 2. Vortragstag erst um 9:00 Uhr. Es gibt nicht nur digitale Zwillinge von Produkten, sondern auch von Produktionsprozessen oder Anlagen. Welche Daten dazu wann notwendig sind und welche digitalen Zwillinge und Datenprodukte dabei entstehen, zeigte Thomas Mückl (Zollner Elektronik). Sein Vortrag beleuchtete die Datenflüsse vom Eingang über die verschiedenen Analysen bis hin zur kompletten Planung und Simulation von komplexen Fertigungslinien.

Besser hätte ich den anschließenden Vortrag von Fabian Pelzl auch nicht erklären können, denn er erklärte seine Mission so: „In einer Welt, die sich nach qualifizierten Arbeitskräften sehnt, haben wir Knowron entwickelt: ein NLP-gestütztes Tool, das mobile Mitarbeiter um einen persönlichen Assistenten erweitert, der sie bei ihren täglichen Aufgaben unterstützt. Wir machen organisatorisches und technisches Wissen zu einem allgegenwärtigen Begleiter, der überall, in jeder Sprache und rund um die Uhr verfügbar ist.“

Thorsten Wiege kam vom Start-up maXerial aus Liechtenstein. Sein Unternehmen ermöglicht einen 3D-Blick in ein Bauteil ohne Präparation. Möglich macht dies die industrielle Computertomographie, denn die Scans haben eine hohe Aussagekraft, zeigen das Innenleben des Bauteils und lüften seine Geheimnisse.

Im Anschluss referierte Mario Kohl (Fraunhofer IFAM) über das Drucken von funktionellen Materialien mittels Dickschichttechnik. Er betonte, wie wichtig hierbei die Betrachtung der gesamten Prozesskette von der Erstellung der funktionellen Pasten über den Druckprozess bis zur abschließenden Nachbehandlung der gedruckten Schichten zur Einstellung der gewünschten Eigenschaften sei. Zudem zeigte er Anwendungsbeispiele für gedruckte Funktionen wie z.B. Temperatursensoren, Feuchtesensoren oder Heizstrukturen und beantwortete Fragen zu verschiedenen Druckverfahren oder verfügbaren Tinten und Pasten.

Den „Knüller“ der Vortragsveranstaltung setzte zum Schluss jedoch Alia Smektala (MTM Ruhrzinn) mit ihrem Vortrag über die GenZ und New Work, denn es wurde noch ganz lange viel und heftig über ihre fundiert belegten Aussagen im Anschluss diskutiert. Auch mich hat ihr Vortrag sehr „geflasht“, denn ich wusste nicht, dass „satte 77 % der Generation Z und 85 % der Generation Y sich nach einem anderen Job umsehen würden, wenn ihr Arbeitgeber Vollzeit-Büroarbeit ohne die Möglichkeit von Hybrid- oder Remote-Arrangements vorschreiben würde.“ Das wirft natürlich traditionellere Fertigungsbetriebe vor ganz neue Herausforderungen bei der Rekrutierung junger Mitarbeiter, die komplett neue Ansprüche an Flexibilität und Homeoffice stellen. Homeoffice in der Fertigung – das wird schwierig, aber da gibt es bestimmt ganz andere Lösungsansätze. Übrigens: sage und schreibe zwei Teilnehmer der GenZ waren auch beim EE-Kolleg dabei.

Was dieses Jahr besonders „cool“ war?

Da schreibt schon ‚mal jemand auf LinkedIn: „Malle ist nur einmal im Jahr“. Dem stimme ich für die Elektronikfertigung definitiv zu. Was aber besonders auffiel, war, dass dieses Jahr fast 50 % der Teilnehmer zum ersten Mal auf dem EE-Kolleg dabei war. Allen voran auch gleich vier davon als Referenten auf dem Podium. Grund genug bei den sogenannten „Rookies“ nachzufragen, wie sie auf die Veranstaltung aufmerksam wurden und mit welchen Erwartungen sie nach Mallorca gekommen sind.

Zwar kein „Rookie“, aber eine Aussage eines langjährigen Teilnehmers, der seinerzeit in der Produktion arbeitete, hat mich dann noch sehr gerührt: „Meine Firma hätte mich nie aufs EE-Kolleg geschickt, aber mir war klar, dass ich dort ganz viel für meine berufliche Karriere mitnehmen kann. Und so habe ich mir die Teilnahmegebühr immer selbst zusammengespart, um dorthin zu kommen. Es hat sich immer gelohnt.“

Das stimmt mich zuversichtlich, dass über das jährliche Netzwerken auf der Insel Verbindungen hergestellt werden, die unbezahlbar sind und über das EE-Kolleg hinausgehen. Was neben den Vorträgen sonst noch geboten war, dem empfehle ich, sich hier durch unsere Bildergalerie zu klicken. Übrigens: im nächsten Jahr feiert das EE-Kolleg vom 01.-06.April 2025 sein 25-jähriges Bestehen.

Die Autorin: Dipl. Ing. Dipl. Wirt. Ing (FH) Petra Gottwald

Petra Gottwald / Redaktion all-electronics
(Bild: Petra Gottwald)

Die Doppel-Ingenieurin (Textiltechnik und Wirtschaft) hat nur ein Ziel: Sie möchte Menschen für technische Themen begeistern - ob sie wollen oder nicht. So kommt es schon 'mal vor, dass sie ihren Freunden die komplexe Herstellung einer Leiterplatte in einer packenden Story erzählt oder wie man Elektronik in Textilien einbaut. Privat düst sie auf leisen Sohlen durch die Gegend, denn sie hat seit 2016 ein Faible für Elektromobilität und will mit ihrem Wissen Interessierten die Reichweitenangst beim voll-elektrischen Fahren nehmen.

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