Kompass Fachkräftemangel

Kaum etwas treibt die Industrie so um, wie der Fachkräftemangel. Allerdings sind die Branchen sehr unterschiedlich betroffen. (Bild: Robert Kneschke – stock.adobe.com)

Wie sieht die Personalplanung in den Unternehmen aus? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Randstad-ifo-Personalleiterbefragung im vierten Quartal 2023. Die Antwort: schwierig. Neben den aktuell eingetrübten Konjunkturaussichten stellen eine Vielzahl weiterer wirtschaftspolitischer Themen die Unternehmen derzeit vor große Herausforderungen, nicht zuletzt der Bewerber- und Fachkräftemangel, den die Unternehmen immer stärker zu spüren bekommen und der den größten Einfluss auf die Personalstrategie hat.

Immer mehr Unternehmen sehen sich mit dem Problem konfrontiert, dass sie auf ihre Stellenausschreibungen nicht genügend Bewerbungen erhalten. Von den Unternehmen, die derzeit aktiv Personal suchen, bejahten 54% die Frage, ob sie unter einem Bewerbermangel leiden. 34% beantworteten die Frage indifferent (Antwortmöglichkeit “teils/teils“), 12% verneinten die Frage und rund 6% suchen derzeit kein Personal. Das Antwortverhalten nach Wirtschaftszweigen ist weitgehend homogen. Deutlichere Unterschiede zeigen sich hingegen im Vergleich der Größenklassen: In Unternehmen mit 500 und mehr Beschäftigten gaben 60% der Befragten an, einen Bewerbermangel zu verspüren. In Unternehmen der Größenklasse 3 (250-499 Mitarbeitende) waren es 39%, in Unternehmen der Größenklasse 2 (50-249 Mitarbeitende) 53% und in Unternehmen der Größenklasse 1 (bis 49 Mitarbeitende) 56%. Gleichzeitig gaben 5% der Unternehmen der Größenklasse 4 (500 und mehr Beschäftigte) an, genügend Bewerbungen zu erhalten, bei den kleinen Unternehmen (Größenklassen 1 und 2) waren es 14 bzw. 15%.

Welche Berufsfelder haben den meisten Bewerbermangel?

Neben der Frage, ob die Betriebe generell wenige Bewerbungen erhalten, ist vor allem von Interesse, in welchen Berufsfeldern ein Bewerbermangel besonders auffällt. Hierzu hatten die Betriebe die Möglichkeit, offene Antworten für Berufsfelder bzw. Berufsgruppen zu geben. Um die Antworten darstellen zu können, wurden sie zu Berufsfeldern zusammengefasst.

Am häufigsten wurden Tätigkeiten genannt, die dem Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung zugeordnet werden können (29%), dicht gefolgt von technischen und technologischen Berufen (24%). Ebenfalls häufig genannt wurden Computer und IT (12%) sowie Logistik und Verkehr (11%). Interessant ist hier auch, dass 5% der Teilnehmenden das Freitextfeld nutzten, um anzugeben, dass das Problem in allen Berufsfeldern besteht, was die Brisanz des Themas deutlich macht. Weitere 14% nannten nicht näher spezifizierte Fachkräfte und 3% allgemein Auszubildende. Dass bestimmte Berufsfelder weniger stark vertreten sind, liegt sicherlich auch daran, dass sich die Befragung auf Unternehmen aus den drei Wirtschaftsbereichen Industrie, Handel und Dienstleistungen beschränkt.

Fachkräftemangel: Diese Branchen sind am meisten betroffen

Einen anderen Ansatz der Auswertung unternahm Pens.com, eigentlich ein Unternehmen, dass sich auf maßgeschneiderte Werbeartikel spezialisiert hat. Im Rahmen ihrer Marktforschung im Vorfeld des Tages der Arbeit am 1. Mai hat das Unternehmen in einer Auswertung ermittelt, in welchen Branchen der Fachkräftemangel in Deutschland am größten ist. Dazu analysierten sie die Anzahl der Stellenangebote für jede Branche auf der Jobplattform Indeed sowie die jeweilige Vakanzzeit und vergaben daraus eine Punktzahl von 10.

Dabei ergaben sich folgende Ergebnisse:

    • Die Branche mit dem höchsten Fachkräftemangel in Deutschland ist das Ingenieurwesen mit insgesamt über 80.000 freien Stellen (Punktzahl: 8,24/10).
    • Der Einzelhandel weist mit einer Punktzahl von 7,29/10 und über 100.000 freien Stellen den zweithöchsten Fachkräftemangel auf.
    • Die Branche mit dem geringsten Mangel war die Sprache, in der über 80 % der offenen Stellen in weniger als 90 Tagen besetzt werden (Bewertung: 0,83/10).

Zur Methode

  1. Es wurde eine Liste von 55 Berufen ausgewählt, die für verschiedene Branchen repräsentativ sind, um die Branchen mit dem größten Mangel zu analysieren.
  2. Dazu wurde die Anzahl der Suchergebnisse für jeden Job von Indeed Deutschland gescrapt. (große Datenmengen der Websites wurden extrahiert)
  3. Darüber hinaus wurde die Anzahl der Suchergebnisse für Stellenangebote, die >30 Tage, >60 Tage und >90 Tage alt sind, ausgewertet und von der Gesamtzahl der Stellenangebote abgezogen, um den Anteil der Stellenausschreibungen zu erhalten, die >30, >60, >90 Tage alt sind.
  4. Bei ältere Ausschreibungen wurde angenommen, dass ein Hinweis darauf ist, dass es nicht genügend Bewerber gibt und daher von einem Mangel ausgegangen werden kann.
  5. Dies wurde für die zehn bevölkerungsreichsten Städte Deutschlands wiederholt: Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf, Dortmund, Essen und Leipzig.
  6. Die Daten wurden auch nach Branchen gruppiert.
  7. Abschließend wurde ein Indexwert als gewichteter Durchschnitt der folgenden Werte berechnet: der Gesamtzahl der Ausschreibungen, der Anzahl der nach >30, bzw. >60, bzw. >90 Tagen noch unbesetzt sind, mit höherer Gewichtung für längere Vakanzzeiten und der höchsten Gewichtung für die Gesamtzahl von Ausschreibungen.
  8. Die Daten wurden am 8. April 2024 erhoben und sind zu diesem Zeitpunkt korrekt.

Laut der Studie weist das Ingenieurwesen den größten Fachkräftemangel auf. Ein Hintergrund dafür könnte sein, dass die Anzahl der Studienanfänger*innen in den Ingenieurwissenschaften und Informatik laut Ingenieurmonitor in den letzten Jahren stark rückläufig ist. Mit einem Wert von 8,24 von 10 Punkten und 80.602 offenen Stellen zeigt die Statistik, dass nach 90 Tagen noch 46,25 % der Stellen unbesetzt sind. Zwei Drittel (66,95 %) der Stellen waren nach 30 Tagen und mehr als die Hälfte (54,21 %) nach 60 Tagen noch offen.

Der Einzelhandel folgt als zweitschwierigster Sektor mit einer Gesamtpunktzahl von 7,29 aus 10. Hier blieben von 106.859 offenen Stellen 58,02 % nach 30 Tagen, 46,92 % nach 60 Tagen und 38,5 % nach 90 Tagen unbesetzt.

Kundenservice, mit über 17.000 offenen Stellen, erzielte eine Punktzahl von 7,23 und verzeichnete den höchsten Prozentsatz unbesetzter Stellen nach 30 Tagen (69,11 %), während nach 90 Tagen 42,04 % der Stellen offen blieben.

Das Gesundheitswesen, das mit 139.455 die höchste Zahl offener Stellen aller Branchen aufweist, erhielt eine Bewertung von 7,17. Hier waren nach 30 Tagen 62,51 % der Stellen und nach 90 Tagen 34,93 % noch unbesetzt.

Die IT-Branche überrascht auf Platz sechs mit einem Gesamtwert von 6/10. Obwohl sie mit 38.921 Stellen die fünfthöchste Zahl in dieser Kategorie aufweist, waren nach 30 Tagen 57,47 % und nach 90 Tagen 36,51 % der Stellen unbesetzt.

Das Bildungswesen, das oft wegen Lehrermangels in den Nachrichten ist, erreichte nur den siebten Platz mit einer Punktzahl von 5,59/10. Mit nur 6.899 offenen Stellen für Lehrkräfte und pädagogisches Personal zeigte sich eine hohe Vakanzrate, bei der 68,24 % der Stellen nach 30 Tagen und 52,44 % nach 60 Tagen noch frei waren.

Der Sprachsektor wies mit einem minimalen Wert von 0,83 den geringsten Fachkräftemangel auf, wobei von 1.542 Stellenausschreibungen nach 30 Tagen noch etwas mehr als ein Drittel und nach 90 Tagen nur noch 16,6 % unbesetzt waren.

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Einordung der Ergebnisse

Die angewandte Methode zur Analyse des Fachkräftemangels in verschiedenen Branchen in Deutschland basiert zwar auf einem interessanten Ansatz, weist jedoch einige potenzielle Schwächen und Fehlerquellen auf, die berücksichtigt werden sollten:

  • Repräsentativität der Berufsauswahl: Die Studie basiert auf einer Liste von 55 Berufen, die repräsentativ für verschiedene Branchen sein sollen. Die Auswahl und Repräsentativität dieser Berufe ist von entscheidender Bedeutung, da sie je nach den ausgewählten Berufen bestimmte Sektoren systematisch bevorzugen oder benachteiligen könnte.
  • Abhängigkeit von einer einzigen Quelle: Die ausschließliche Verwendung von Daten von Indeed Deutschland könnte zu Verzerrungen führen. Indeed repräsentiert nicht notwendigerweise den gesamten Arbeitsmarkt, und einige Branchen oder Berufe könnten auf anderen Plattformen oder durch andere Rekrutierungsmethoden stärker vertreten sein.
  • Interpretation alter Stellenanzeigen: Die Annahme, dass Stellenanzeigen, die länger als 30, 60 oder 90 Tage offen sind, auf einen Fachkräftemangel hindeuten, ist nicht immer zutreffend. Einige Stellen können aus anderen Gründen unbesetzt bleiben, z. B. aufgrund von Budgetbeschränkungen, internen Umstrukturierungen oder ineffizienten Rekrutierungsprozessen.
  • Gewichtung der Indikatoren: Die Gewichtung älterer Ausschreibungen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Ausschreibungen kann das Ergebnis stark beeinflussen. Diese Gewichtung sollte klar definiert und begründet werden, um sicherzustellen, dass sie die tatsächliche Marktsituation widerspiegelt.
  • Lokale Marktunterschiede: Die Beschränkung der Daten auf die zehn bevölkerungsreichsten Städte Deutschlands könnte regionale Unterschiede in der Verfügbarkeit von Arbeitskräften und in den Arbeitsmärkten vernachlässigen. Ländliche und dünner besiedelte Gebiete könnten anders betroffen sein.
  • Aktualität und Dynamik des Arbeitsmarktes: Der Arbeitsmarkt ist dynamisch, und die Erhebung von Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt (hier der 8. April 2024) spiegelt möglicherweise nicht die Veränderungen oder Trends wider, die kurz nach der Datenerhebung eingetreten sind.

Um diese Schwächen zu beheben, könnte die Studie ergänzt werden durch die Einbeziehung weiterer Jobportale und Rekrutierungsquellen. Auch der Frage, warum die Stellen unbesetzt bleiben, könnte mehr nachgegangen werden. Neben mangelnden Bewerbern könnten auch andere Faktoren Gründe sein.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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