Shai Shalev-Schwartz (Mobileye): „Zentralisierung ist nicht der richtige Weg“

Shai Shalev-Schwartz (Mobileye): „Zentralisierung ist nicht der richtige Weg“ (Bild: Matthias Baumgartner)

Das autonome Fahren – das Fahren auf den Levels 4 oder 5 der SAE-Skala – kommt in Europa nur im Schritttempo voran. Das hat möglicherweise etwas mit den strategischen Prioritäten der Fahrzeughersteller zu tun. Auf dem 27. Automobil-Elektronik Kongress in Ludwigsburg war es zumindest ein vieldiskutiertes Thema, und auch mehrere Vorträge drehten sich um das Thema AD.

Save the date: 28. Automobil-Elektronik Kongress

Am 18. und 19. Juni 2024 findet zum 28. Mal der Internationale Automobil-Elektronik Kongress (AEK) in Ludwigsburg statt. Dieser Netzwerkkongress ist bereits seit vielen Jahren der Treffpunkt für die Top-Entscheider der Elektro-/Elektronik-Branche und bringt nun zusätzlich die Automotive-Verantwortlichen und die relevanten High-Level-Manager der Tech-Industrie zusammen, um gemeinsam das ganzheitliche Kundenerlebnis zu ermöglichen, das für die Fahrzeuge der Zukunft benötigt wird. Trotz dieser stark zunehmenden Internationalisierung wird der Automobil-Elektronik Kongress von den Teilnehmern immer noch als eine Art "automobiles Familientreffen" bezeichnet.

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Im Channel zum Automobil-Elektronik Kongress finden Sie Rück- und Vorberichterstattungen sowie relevanten Themen rund um die Veranstaltung.

Maximale funktionale Sicherheit erzielen: „Übermenschliche“ Fehlersicherheit

Die größte Herausforderung besteht im entscheidenden Schritt vom Fahrerassistenzsystem zum wirklich autonomen Fahren im großserientauglichen Maßstab, erläuterte Mobileye-CTO Shai Shalev-Shwartz. Denn während beim ADAS-System – auch bei den bereits am Markt verfügbaren L3-Systemen – im Wesentlichen der Mensch fährt und dabei von der Maschine unterstützt wird, findet beim autonomen Fahren ein Rollentausch statt: Die Maschine steuert das Fahrzeug, der Mensch überwacht sie dabei.

Um diesen Schritt erfolgreich zu gehen und ein Maximum an funktionaler Sicherheit zu gewährleisten, setzt Mobileye auf einen in methodischer Hinsicht inkrementellen und in technischer Hinsicht modularen Ansatz. Dabei geht es darum, alle Entscheidungsprozesse durch Redundanz abzusichern. Hierfür setzt das Designteam von Shalev-Shwartz auf Konstruktionsprinzipien, die sich in der Luftfahrt seit vielen Jahren bewährt haben. Ein hohes Maß an Redundanz wird durch mehrere unabhängige, unterschiedliche Wege der Datenerfassung und -verarbeitung erreicht. Auch die Validierung der Systeme muss unabhängig voneinander erfolgen. Ziel sei es, eine „übermenschliche“ Fehlersicherheit zu erreichen: Nach vorliegenden Statistiken kommt im Straßenverkehr ein tödlicher Unfall auf 3,75 Millionen Fahrstunden. Die Industrie strebt eine wesentlich höhere Fehlersicherheit von 10 Millionen Fahrstunden an. „Das ist allerdings eine Frage der gesetzlichen Regulierungen“, räumte Shalev-Shwartz ein. Der Mobileye-CTO gewährte auch einige Einblicke in die praktische Implementierung einer solchen Plattform. Die Plattform für das autonome Fahren des israelischen Unternehmens nutzt danach eine Haupt- und mehrere Nebenkameras sowie einen Lidar-Sensor. Das Thema Radar sprach er in seiner Rede jedoch nicht an.

Shai Shalev-Shwartz, CTO von Mobileye, gab das Ziel aus, eine „übermenschliche“ Fehlersicherheit zu erzielen.
Shai Shalev-Shwartz, CTO von Mobileye, gab das Ziel aus, eine „übermenschliche“ Fehlersicherheit zu erzielen. (Bild: Matthias Baumgartner)

Mobileyes Lösungen sind in sehr vielen Fahrerassistenzsystemen verbaut, wobei stets eine Vor-Ort-Datenverarbeitung mit Hilfe des „Mobileye-Chips“ innerhalb der Kamera erfolgt. Vor diesem Hintergrund gewinnt die von Shai Shalev-Shwartz in Ludwigsburg geäußerte These  „Zentralisierung ist nicht der richtige Weg“ noch eine Bedeutung, über die er in seinem Vortrag gar nicht sprach.

Schon jetzt automatisiert durch den Großstadtverkehr

Einen ganz anderen Blick auf das autonome Fahren warf Robert Chu, Leiter des „Apollo“-Programms beim chinesischen Technologiekonzern und Autohersteller Baidu. Im Rahmen dieses Programms hat Baidu umfangreiche Erfahrung mit autonomen Autos gesammelt. Die Baidu-Fahrzeuge kommen bereits in komplexen großstädtischen Verkehrssituationen zum Einsatz. Basis dieser autonomen Autos ist eine im Rahmen von Apollo entwickelte Plattform. Mit dem Einsatz dieser Plattform bei mehreren chinesischen OEMs erwartet Robert Chu einen schnellen Durchbruch des autonomen Fahrens in China: „Wir machen diese Technik erschwinglich für die Massen.“

Robert Chu, Baidu: „Marktteilnehmer sollten Technik für autonomes Fahren in China entwickeln.“
Robert Chu, Baidu: „Marktteilnehmer sollten Technik für autonomes Fahren in China entwickeln.“ (Bild: Matthias Baumgartner)

Das Unternehmen baut aber nicht nur selbst Robotaxis, sondern bietet konkurrierenden OEMs seine Technologie als Ganzes oder in Komponenten an. Das Angebot schließt die Elektronik-Plattform ebenso ein wie hochauflösendes Kartenmaterial für das chinesische Straßennetz. Dieses Kartenmaterial wird über Crowd-Sourcing erfasst und kontinuierlich aktualisiert. Apollos Self-Driving-Plattform stützt sich bei der Sensorik in erster Linie auf Kameras und Radar; Lidar-Sensoren sind aus Redundanzgründen ebenfalls mit an Bord. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch KI-Mechanismen zur Signalverarbeitung und Entscheidungsfindung. Außerdem gibt Robert Chu den Anwesenden noch einen Rat: „Marktteilnehmer sollten Technik für autonomes Fahren in China entwickeln.“

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