Paul de Bot erklärte auf dem 27. Automobil-Elektronik Kongress, wie das Halbleitergeschäft funktioniert und was Automotive-Manager beim Thema Halbleiter unbedingt beachten müssen, weil in der Halbleiterbranche einfach andere Marktmechanismen gelten

Paul de Bot erklärte auf dem 27. Automobil-Elektronik Kongress, wie das Halbleitergeschäft funktioniert und was Automotive-Manager beim Thema Halbleiter unbedingt beachten müssen, weil in der Halbleiterbranche einfach andere Marktmechanismen gelten. (Bild: Matthias Baumgartner)

Diesen Schock wird die Autoindustrie nicht so schnell vergessen: Als sie zu Beginn der Covid-19-Pandemie ihre Produktionspläne zunächst kürzte, dann aber doch schneller als erwartet wieder hochfuhr, zeigte sich, dass Halbleiter kein Gut wie viele andere sind: Hat man die Bestellungen einmal storniert, so kann man nicht darauf hoffen, dass die Fertigungskapazitäten wieder sofort zur Verfügung stehen. Die damit verbundenen Lieferausfälle dürften zu den schmerzlichsten Erfahrungen zählen, die die Autoindustrie jemals machen musste.

Deswegen stieß der Vortrag von Paul de Bot, Europachef des weltgrößten Halbleiter-Auftragsfertigers TSMC, bei den Besuchern des 27. Automobil-Elektronik Kongress in Ludwigsburg auf großes Interesse, denn schließlich kommen dort die Entscheider der Branche zusammen. De Bot erläuterte, wie die Foundry-Branche, also die Halbleiter-Auftragsfertiger, tickt, nach welchen Gesetzmäßigkeiten sie funktioniert und welche Entwicklungen auf Halbleiter- und Autoindustrie zukommen.

In der Halbleiterbranche gelten andere „Gesetze“ als in der Automotive-Welt

Die Halbleiterfertigung ist extrem kapitalintensiv und daher auf eine hohe kontinuierliche Auslastung ihrer Produktionsanlagen angewiesen, erklärt Paul de Bot. Im Falle der Stornierung von Aufträgen sorgen die Foundries sofort für Ersatz aus anderen Kundenbranchen, um die Auslastung hoch zu halten. „Es ist nicht möglich, freie Kapazitäten für die Autoindustrie zu reservieren“, sagte der TSMC-Manager. Ein weiteres Charakteristikum der Halbleiterindustrie erschwert eine flexible, zeitnahe Anpassung der Auftragsmengen: Die Fertigung eines Chips einschließlich Tests und Packaging dauert sehr lange – vom Produktionsstart bis zur Anlieferung an das Fließband des Autoherstellers können durchaus sechs Monate vergehen. Eine vorausschauende Planung und Steuerung der Bestellmengen sind daher unbedingt notwendig.

Halbleiterplanung in der Automotive-Branche

Um diese Planung zu erleichtern, hat TSMC die Automotive Design Enablement Platform (ADEP) geschaffen. Sie unterstützt bei der Beurteilung der Halbleiter- und Fertigungstechnologie, beim Design Flow und beim eigentlichen Herstellungsprozess. Zudem enthält sie ein Ökosystem von Halbleiter-IPs mit Automotive-Bezug, etwa zur Sicherstellung diverser spezifischer Standards. Die Herstellung von Chips für die Autoindustrie bleibt auch für die Halbleiterfertiger eine Herausforderung. „Automotive heißt Lernen“, beschrieb de Bot die Haltung des Chip-Produzenten. Bevor ein Chipfertiger sich an den Bau von automobilspezifischen Schaltkreisen heranwagt, muss er jedes Detail seiner Technologie beherrschen. „Erst nach etwa einer Million verarbeiteter Wafer fangen wir mit Auto-Chips an“, führt de Bot weiter aus.

Paul de Bot (TSMC) auf dem #AEK_live im Jahr 2023 zum Thema Halbleiter: „Es ist nicht möglich, freie Kapazitäten für die Autoindustrie zu reservieren.“
Paul de Bot (TSMC): „Es ist nicht möglich, freie Kapazitäten für die Autoindustrie zu reservieren.“ (Bild: Matthias Baumgartner)

Save the date: 28. Automobil-Elektronik Kongress

Am 18. und 19. Juni 2024 findet zum 28. Mal der Internationale Automobil-Elektronik Kongress (AEK) in Ludwigsburg statt. Dieser Netzwerkkongress ist bereits seit vielen Jahren der Treffpunkt für die Top-Entscheider der Elektro-/Elektronik-Branche und bringt nun zusätzlich die Automotive-Verantwortlichen und die relevanten High-Level-Manager der Tech-Industrie zusammen, um gemeinsam das ganzheitliche Kundenerlebnis zu ermöglichen, das für die Fahrzeuge der Zukunft benötigt wird. Trotz dieser stark zunehmenden Internationalisierung wird der Automobil-Elektronik Kongress von den Teilnehmern immer noch als eine Art "automobiles Familientreffen" bezeichnet.

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Im Channel zum Automobil-Elektronik Kongress finden Sie Rück- und Vorberichterstattungen sowie relevanten Themen rund um die Veranstaltung.

Automotive-Chips allein füllen die Halbleiter-Fabs nicht

Ein Aspekt, den Kunden aus der Autobranche im Kopf behalten sollten, liegt in der Umsatzstruktur der Halbleiterfertiger. TSMC erzielt den überwiegenden – und wachsenden – Anteil seines Umsatzes mit den neueren Technologiestufen, also mit Chips, deren Geometrien 16 nm und kleiner sind. Dabei kommt der Autobranche zugute, dass sich die Technologielücke allmählich schließt: War es früher üblich, dass die ICs für den Einsatz in Fahrzeugen noch in deutlich größeren Strukturen gefertigt wurden als diejenigen, die etwa in Smartphones verbaut wurden, so sind heute schon verschiedene Automotive-Chips technologisch dicht an die Consumer-ICs herangekommen; laut de Bot folgt die Autobranche den Vorreitern in immer kürzerem Abstand. So führte die Automobilbranche zum Beispiel die 5-nm-Technologie bereits 2022 ein – nur zwei Jahre, nachdem sie überhaupt in die Fertigung gelangt war. Gleichzeitig steigt die Bedeutung der Automobilindustrie als Abnehmerbranche für Halbleiterprodukte – und sie wächst mit durchschnittlich 13 Prozent jährlich schneller als alle anderen. Bis zum Ende dieser Dekade wird die Automobilbranche 15 Prozent der weltweiten Halbleiterproduktion abnehmen, heute sind es nur 10 Prozent.

Ratschläge für die Automotive-Entscheider zum Thema Halbleiter

Nicht nur aus Sicht von TSMC ist das ein äußerst lukrativer Markt, der gerade während der Covid-Periode mit 40 Prozent pro Jahr zulegte. Diesen Kundenstamm möchte TSMC auch in Zukunft an sich binden. De Bot gab daher seinen Kunden einige Ratschläge mit auf den Weg, wie sich die Zusammenarbeit mit den Chipherstellern effizienter gestalten lässt: „Die Halbleiterindustrie benötigt eine stabile, langfristige Absatzplanung“, lautet ein Credo von de Bot. Das gelinge am besten, wenn die Autohersteller über die aktuellen Technologietrends im Bilde seien. So sei es essentiell für die Autoelektronik, angesichts der Verschiebung der Fertigungskapazitäten zu moderneren Technologien mit kleineren Geometrien möglichst früh auf diese neuen Technologien umzustellen. Dazu sollten die Unternehmen in der Lieferkette ihre Innovationskultur intensivieren: „Finden Sie Wege und Möglichkeiten, schneller umzustellen“, riet der Halbleiterexperte. Ohnehin würden die steigenden Performance-Anforderungen an die Automotive-Chips den Weg zu moderneren Technologien wie FinFET weisen. Zudem wäre es hilfreich, sich mit dem Aufbau von Pufferbeständen gegen allfällige Fluktuationen zu schützen, weshalb Paul de Bot ganz klar zu einem Pufferlager rät.

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