Plastikmüll ist eines der größten Probleme der Menschheit – und das aus gleich zwei Gründen: Zum einen beträgt laut der Heinrich-Böll-Stiftung die Recyclingquote von Plastikverpackungen weltweit nur 14 Prozent, 40 Prozent landen auf Mülldeponien und 14 Prozent in Verbrennungsanlagen.
Der Rest, fast ein Drittel, landet unkontrolliert in der Natur und verschmutzt die Ozeane. Zum anderen bleibt das Potenzial von Kunststoffmüll als Rohstoff in einer Kreislaufwirtschaft weitestgehend ungenutzt.
Diesen Zustand ändern will das junge Unternehmen AES (Autonome Energiesysteme) aus Merzenich in Nordrhein-Westfalen. Mit Fluks hat AES ein kompaktes System entwickelt, das aus Abfällen von Industriekunststoffen wie etwa PE, PP, PET oder POM ein hochwertiges Öl zurückgewinnt, das erneut etwa für die Produktion neuer Kunststoffe verwendet werden kann.
So wird aus Kunststoff wieder Öl
In der Anlage selbst werden die Kunststoffabfälle zunächst zerkleinert. Dieses Material wird über ein Dosierungssystem in den Reaktor hineingeführt. Dort wird es verdichtet und erhitzt auf Temperaturen von bis zu 600 Grad Celsius. Dabei wird der Kunststoff gasförmig. Die Gase strömen in eine Kondensationseinheit, wo sie sich durch Abkühlung als Öl niederschlagen, das in einem Tank gesammelt wird. Das Endprodukt ist ein hochwertiges Öl, dessen Konsistenz von Benzin-ähnlich bis wachsartig ausfallen kann.
Ein Teil des methanhaltigen Gases wird parallel dazu energetisch genutzt, um die notwendige Prozesswärme zu erzeugen. Darüber hinaus fällt noch Asche an, die ebenfalls weiterverwertet werden kann, etwa als Füllstoff. Die Anlage wird dabei automatisiert gesteuert. AES übernimmt duch ein Online-Analysesystem die prädiktive Wartung und bietet einen Rund-um-die Uhr-Wartungsservice, um Stillstand und Wartungskosten zu minimieren. Das Öl wird von einem Logistikpartner abgeholt und zu einem Raffineriepartner von AES gebracht, wo es als zertifiziertes Recyclingöl vergleichsweise hohe Preise erzielt.
Dezentraler Ansatz für hochwertige Abfallströme
Die Besonderheit von AES: Anders als andere Konzepte dieser Art, die meist als große, zentrale Recyclinganlagen konzipiert sind, setzt das Start-up auf einen dezentralen Ansatz. Die Umwandlung soll direkt dort passieren, wo die Abfälle in der Industrie anfallen. „Dort gibt es in der Regel hochwertige Abfallströme“, erläutert Jonas Bonus, einer der Gründer von AES. Die Idee der Gründer von AES ist es, kleinere Recyclingsysteme zu bauen, die genau auf spezielle Abfallströme hin optimiert sind und so eine hohe Qualität beim Endprodukt, dem Recycling-Öl, zu erzeugen. Die Abfälle müssen dabei nicht sortenrein sein. „Bei Kunststoffabfällen aus der Industrie weiß man im Vergleich etwa zum Inhalt des gelben Sacks relativ genau, was drin ist und es gibt auch weniger unerwünschte Beimengungen wie etwa halogenisierte Kunststoffe, Schwefel oder Schwermetalle“, so AES-Gesellschafter Bonus.
Um dieses Konzept umzusetzen, war es notwendig, Anlagen zu entwickeln, die einerseits klein und modular sind, auf der anderen Seite aber effizient arbeiten. Grundlage dafür ist eine Container-Bauweise, wodurch sich die Anlagen leicht transportieren und aufstellen lassen – und bei wachsendem Bedarf auch mehrere
Anlagen parallel arbeiten können.
Wie Automation für Nachhaltigkeit sorgt
Automation erweist sich immer öfter als ein wesentliches Element für mehr Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit: Technologien wie energieeffizente Antriebe oder Umwelt-Sensorik können für eine ressourcenschonende Produktion und nachhaltigere Produkte und Prozesse sorgen, wie die folgenden Beispiele zeigen:
- ABB-Pilotprojekt: Der einsame Roboter, der den Amazonas wieder aufforstet
- Gastkommentar: Wer die Energiekosten nicht in den Griff bekommt, den frisst der Markt
- UN-Entwicklungsziele: 7 Beispiele, wie Roboter die Erde nachhaltig machen
- Jellyfish-Bot: Wie eine Roboter-Qualle die Meere retten soll
- Erdgasverbrauch: Durchflusssensoren von IPF für kontinuierliche Messungen
- Windunterstützter Antrieb: Elektrische Segel machen Containerschiffe umweltfreundlicher
- Dassault Systèmes und AES: Per virtuellem Zwilling schneller zu nachhaltigem Öl
Dassault Systèmes hat sich als „wirklich starkes Tool erwiesen“
Bis zu 80 Prozent des im Kunststoffabfall enthaltenen Kohlenstoff können bei dem Prozess erhalten werden und in Öl umgewandelt werden. Die Anlage gibt es in drei Kapazitätsstufen, die zwischen 250 und 1.000 kg/Tag an Abfällen verarbeiten können. Für das Design der Anlage war laut Jonas Bonus die Unterstützung von Dassault Systèmes von entscheidender Bedeutung: „Mit frei verfügbaren Simulationstools wäre unser Plan vielleicht gar nicht umsetzbar gewesen“. Bei der Simulation der thermischen Belastung des Materials in der Anlage und dessen normgerechter Auslegung habe sich die Software von Dassault Systèmes als ein „wirklich starkes Tool erwiesen“, in dem man alle notwendigen Prozesse integriert umsetzen kann.
Das Engineering mit der Software von Dassault Systèmes und dem Virtuellen Zwilling bietet auch Vorteile in Bezug auf eine schnelle Inbetriebnahme der Anlage: „Die Anlagen müssen ja auch bestimmte Parameter der Kunststoffabfälle wie etwa eine bestimmte Korngröße abgestimmt werden. Da bietet die Software die Möglichkeit, schnell verschiedene Varianten durchzuspielen und die beste dann schnell in eine konkrete Anlage umzusetzen“, sagt Jonas Bonus.
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Den Weg von der Idee zum Produkt möglichst kurz halten
„Es ist unser erklärtes Ziel, mit Dassault Systèmes die Konstruktion mit der Simulation und mit der Visualisierung zu verknüpfen und das im Rahmen der Initiative 3DEXPERIENCE auch ausgewählten Start-ups zur Verfügung zu stellen“, ergänzt Fabien Bartel, Leiter des 3DEXPERIENCE Labs in München, das Ende 2022 seine Arbeit aufgenommen hat. Auf diese Weise soll der Weg eines Produktes von der Ideenfindung bis auf ein industrielles Niveau möglichst kurz gehalten werden.
Bei dem erst 2019 gegründeten Unternehmen AES scheint dieser Plan jedenfalls aufgegangen zu sein.
3DExperience Labs: Talentförderung für Innovationen von Morgen
Ideen erkennen, Innovationen vorantreiben und kreative Start-ups fördern: Seit Jahren unterstützt Dassault Systèmes mit einem eigenen Ökosystem junge Unternehmer:innen dabei, ihre Vorstellungen in die Tat umzusetzen.
Kern dieser Arbeit ist das 3DEXPERIENCE Lab und das zugehörige „Start-up Accelerator“-Programm. Im Rahmen dieser zweijährigen Förderung steht Dassault Systèmes Start-ups mit einem breiten Angebot zur Seite:
- Zugang zu Ressourcen: Start-ups können bei der Entwicklung ihrer Ideen auf die verschiedenen Software-Tools der 3DEXPERIENCE Plattform sowie technische Ausstattung im Lab zurückgreifen.
- Eigenes Mentoring-Programm: Der Ansatz unterstützt junge Unternehmen in geschäftsrelevanten Bereichen wie Vertrieb oder Marketing.
- Großes Expertennetzwerk: Fachwissen und Know-how wird in einem globalen Technologie- und Geschäftsnetzwerk gebündelt.
Mit der Eröffnung des 3DEXPERIENCE Labs in München im September 2022 haben Start-ups nun auch in Deutschland eine Anlaufstelle für die Verwirklichung ihrer Ideen. Neben AES wurden auch einige andere Start-ups ausgewählt, die Möglichkeiten des Accelerators zu nutzen:
- sewts bringt Robotern den Umgang mit Textilien bei.
- The Exploration Company will Weltraumforschung erschwinglich und nachhaltig machen.
- Kevin automatisiert Pharmalabore mit einem mobilen Roboter.
- Marvel Fusion revolutioniert die Energieproduktion durch lasergesteuerte Fusion.