Ladekurve einer Batterie aus einem Elektrofahrzeug, die ihr EoL nach ca. 4,5 Jahren erreicht hatte. Vergrößert ist das Leveln, das nur wenige Minuten benötigt, um Zwillingsgleichheit herzustellen.

Bild 1: Ladekurve einer Batterie aus einem Elektrofahrzeug, die ihr EoL nach ca. 4,5 Jahren erreicht hatte. Vergrößert ist das Leveln, das nur wenige Minuten benötigt, um Zwillingsgleichheit herzustellen. (Bild: Benning CMS Technology)

Gleicher Hersteller, gleicher Zelltyp, gleiche Zellchemie, gleiche Produktionscharge, identischer Innenwiderstand, Lade- und Gesundheitszustand – das waren bisher die Voraussetzungen dafür, dass Zellen in derselben in Reihe geschalteten Batterie zum Einsatz kommen konnten. Denn nur dann funktionierten diese Batterien. Es wurde und wird also ein massiver Aufwand betrieben, um Zellen zu produzieren, die in all diesen Punkten möglichst ähnlich sind. Bei der Produktion von Lithium-Ionen-Batterie-Zellen (LIB-Zellen) lässt sich, gemäß der „Roadmap Batterie-Produktionsmittel 2030“ des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA), davon ausgehen, dass mindestens zehn Prozent der Zellen Ausschuss sind, weil sie diesen Anforderungen nicht genügen; und das bei laufender Produktion. Während des Anfahrens einer Produktion könne der Ausschuss sogar bei 30 bis 50 Prozent liegen.

Das heißt im Klartext: Zumindest ein Teil dieser neuen Zellen sind für sich allein betrachtet völlig einwandfrei und werden nur deshalb aussortiert, weil sie vielleicht in einem der oben genannten Werte nicht mit ihren Chargen-Geschwistern mithalten können. Angesichts der globalen Nachfrage nach LIB-Zellen im Jahr 2021, die gemäß der VDMA-Roadmap bei 460 bis 500 GWh lag, wird klar, von welchen Dimensionen hier die Rede ist. Der Ausgangspunkt für dieses Problem liegt im Batteriemanagement.

Herkömmliche BMS führen zu vorzeitiger Zellalterung

Die zwingende Gleichheit der Zellen ist für den Betrieb mit herkömmlichen Batteriemanagementsystemen (BMS) gedacht und dafür unabdingbar. Paradox dabei: Die anfängliche Gleichheit der Zellen wird anschließend von den BMS über die Ladezyklen hinweg systematisch zerstört. Das liegt am Balancing, das zum Einsatz kommt. Das Batteriemanagement erfolgt hier ausschließlich auf der Basis der Spannungswerte der Zellen – ohne nach der Ursache zu fragen. So führt das Vorgehen dazu, dass einzelne Zellen falsch behandelt werden und vorschnell altern. Mit dem Alterungsprozess gehen Unterschiede bei der Kapazität und beim Wirkungsgrad der Zellen einher, die sich mit jedem Ladezyklus vergrößern.

Die ursprünglich zwillingsgleichen Zellen weichen mehr und mehr voneinander ab. Die Zelle, die zuerst an das obere Spannungslimit stößt, verhindert, dass die anderen vollständig aufgeladen werden. Die Folge: Die Nutzkapazität der Batterie sinkt. Irgendwann ist der gesamte Block dann so sehr in Schieflage geraten, dass die jeweilige Anwendung nicht mehr ausreichend mit Energie versorgt werden kann; die Batterie erreicht ihr End of Life – und zwar vorzeitig. Denn die Verluste durch die erzwungene vorzeitige Alterung sind etwa ebenso groß, wie die normale Degradation der Zelle gemäß Datenblatt, an der sich nichts ändern lässt.

Die Tabelle zeigt Batterien, die mit herkömmlichen BMS in verschiedenen Anwendungen betrieben wurden: in Orange vor und in Blau nach dem Leveln. In Rot: Die Verbesserung durch ETA-Leveling.
Bild 2: Die Tabelle zeigt Batterien, die mit herkömmlichen BMS in verschiedenen Anwendungen betrieben wurden: in Orange vor und in Blau nach dem Leveln. In Rot: Die Verbesserung durch ETA-Leveling. (Bild: Benning CMS Technology)

E-Mobility: Laden

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(Bild: AdobeStock_39293318)

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Herkömmliche BMS brauchen Ruhephasen, die sie selten bekommen

Verschärfend hinzu kommt: Der ideale Zeitpunkt fürs Balancen sind Ruhephasen. Doch die beginnen erst mit reichlich Verzögerung nach dem Ladeschluss. Bis in allen Zellen sämtliche dynamischen Reaktionen abgeklungen sind, dauert es lange. Messungen zeigen, dass bis zu 24 Stunden gewartet werden müsste, bis die Zellen wirklich Ruhestrom erreicht haben. Bei E-Autos beispielweise, die täglich – vielleicht sogar mehrfach – gefahren werden, ist also die Frage, ob sie überhaupt jemals tatsächlich in eine Ruhephase kommen. Denn herkömmliche BMS messen nicht, ob Ruhestrom erreicht wurde, sondern legen kurz nach Ladeschluss mit dem Balancen los – was dann nicht den gewünschten Zweck erfüllt.

Fokus auf der Wirkungsgrad-Korrektur

Arbeitet ein BMS mit dem Algorithmus ETA-Leveling, sind zeit- und kostenaufwendige Maßnahmen für die Produktion möglichst ähnlicher Batterien nicht mehr notwendig. Denn ETA-Leveling sorgt dafür, dass sich Zellen wie Zwillinge verhalten, selbst wenn sie von ihren Eigenschaften her keine sind. Der Eingriff dauert nur wenige Sekunden und findet während des Ladevorgangs statt (Bild 1). Das Warten auf Ruhephasen, wie es bei herkömmlichen BMS notwendig ist, entfällt. Der Algorithmus behandelt die Zellen wie in einer Einzelzellanwendung; dabei stehen – anders als bei herkömmlichen BMS – die individuellen Voraussetzungen der Zellen im Fokus. Deren Berücksichtigung führt zu anderen Schlüssen und anderen Reaktionen als bei herkömmlichen BMS, die rein spannungsbasiert agieren. Denn mit ETA-Leveling lässt sich erkennen, ob ein Spannungsunterschied zwischen einzelnen Zellen aufgrund von Kapazitäts- oder Selbstentladungsunterschieden der einzelnen Zellen entsteht – oder auch aufgrund von Unterschieden des für die Funktionstüchtigkeit des Batterieblocks so wichtigen Wirkungsgrades.

Unterschiedliche Zellen werden zu „Twins in Operation“

Sind Zellen von Anfang an mit ETA-Leveling in Betrieb, kommen Wirkungsgradverluste durch vorzeitige Alterung erst gar nicht zustande. Denn wenn ETA-Leveling auf Basis der Informationen über die einzelnen Zellen agiert, also: levelt, werden die Unterschiede der Zellen im laufenden Betrieb automatisch ausgeglichen. Die Zellen verhalten sich in der Anwendung wie Zwillinge – sind also „Twins in Operation". Die gute Nachricht ist: Bereits mit herkömmlichen BMS betriebene Batterien, die vorzeitig gealtert sind, lassen sich durch ETA-Leveling wieder heilen. Das heißt, dass die Verluste, die durch die Schieflage entstehen, umkehrbar sind. Werden die Zellen gelevelt und die Unterschiede ausgeglichen, sind sie weiter nutzbar (Bild 2). Insofern ist ETA-Leveling zu jedem Zeitpunkt eine Lösung für den Betrieb ungleicher Zellen – egal ob direkt ab Werk oder in Second-Life-Anwendungen.

Nur noch recyceln, was wirklich defekt ist

In Anbetracht der großen Mengen aussortierter Batterie-Module, die bei vielen Stromspeicher-Herstellern bereits jetzt auf Halde liegen dürften, und denjenigen, die in den nächsten Jahren aus dem Rücklauf hinzukommen werden, lässt sich ETA-Leveling als disruptiv bezeichnen. Denn je nach Anwendung, aus der die Batterien stammen, verfügen sie noch über bis zu 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität. Erfahrungsgemäß sind die meisten Zellen innerhalb von aussortierten Batterieblöcken in sehr gutem Zustand. Beim Leveling lässt sich auch erkennen, welche Zellen von ihren Kapazitäten her einigermaßen sinnvoll zusammenpassen. Die können dann entsprechend kombiniert werden – und heraus kommt ein einwandfrei und dauerhaft funktionierender Batterie-Block. Damit ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten für die Wiederverwendung aussortierter Batterie-Module. Egal, ob die Umwidmung (Repurposing) das Ziel ist oder die Aufbereitung in unterschiedlicher Tiefe (Refurbishment, Reconditioning, Remanufacturing) – alle denkbaren Szenarien vereinfachen sich radikal.

Fazit ETA-Leveling

Unnötigen Aufwand betreiben, um möglichst ähnliche Zellen zu produzieren, einwandfreie Zellen aussortieren, dringend benötigte Ressourcen verschwenden, Zellen systematisch zerstören, Ruhephasen abwarten, Batterien frühzeitig an ihr End of Life bringen – das sind Probleme, die bisher dazu gehörten, die in Kauf genommen wurden und werden mussten, auf dem Weg hin zur Elektromobilität und zur Energiewende. Mit ETA-Leveling gehören sie der Vergangenheit an. Neue und alte Zellen können in ihrem ersten und sogar in ihrem zweiten Leben um einiges älter werden, als mit herkömmlichen BMS. Das sorgt für mehr Effizienz und Ressourcenschonung. (neu)

Schwerpunktthema: E-Mobility

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(Bild: Adobe Stock, Hüthig)

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Autor

Frederik Fuchs ist Geschäftsführer von Benning CMS Technology.

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