SMTconnect 2023

(Bild: Redaktion productronic)

Getreu dem Motto: „Driving Manufacturing Forward“ fokussierte die die Messe in diesem Jahr besondere Highlight-Themen wie Nachhaltigkeit, das Obsoleszenzmanagement sowie KI in der Elektronikfertigung. Mit dieser Auswahl zeigte sich die Veranstaltung erneut zukunftsorientiert, aktuell und nah an den Marktbedürfnissen.

Rund 8.400 Besucher konnten wertvolle Einblicke entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Elektronikfertigung erhalten sowie Innovationen und Produkte hautnah erleben und (be-)greifen. Spannende Gespräche zwischen den knapp 230 ausstellenden Unternehmen bzw. Partnern und den Fachbesuchern beflügelte die positive Stimmung vor Ort.

Marktausblick Elektronik-Maschinenbau

Gleich am ersten Messetag gab es ein Novum in diesem Jahr, denn die aktuellen Zahlen des VDMA Productronic wurden in einer öffentlichen Pressekonferenz gezeigt. Und so berichtete die Referentin, Dr. Sandra Engle, dass der Auftragseingang in der Productronic eine positive Entwicklung zeigt, denn 46 % der befragten Unternehmen bewerten den Geschäftsverlauf besser als im Vorjahr. 24 % erwarten eine Umsatzstagnation für 2023, während 43 % ein Wachstum von 5-10 % prognostizieren. Engpässe in den Lieferketten haben sich seit Juni 2022 verringert, wohingegen 13 % der Unternehmen immer noch gravierende Beeinträchtigungen sehen. Im Bereich Elektrotechnik/ Elektronikkomponenten sind die Einschränkungen in den Zulieferungen merklich zurückgegangen. Der Fachkräftemangel belastet weiterhin 30 % der Unternehmen. 55 % der Productronic-Unternehmen planen einen Personalaufbau, während 45 % keine Änderungen im Personalbestand vorhaben. Drei Viertel der Unternehmen (74 %) sind von steigenden Energie- und Rohstoffpreisen beeinträchtigt. 65% der Elektronikmaschinenbauer bewerten die Preissituation für Vorprodukte als schlecht.

Kapazitätsauslastung im deutschen Maschinenbau Februar 2023
Der Auftragseingang in der Productronic zeigt sich seit Jahresbeginn 2023 mit positiver Entwicklung: Laut einer Umfrage unter Mitgliedern des VDMA Fachverbands EMINT beurteilen 46 Prozent der befragten Unternehmen den bisherigen Geschäftsverlauf besser als im Vorjahreszeitraum. (Bild: VDMA)

Frauenpower beim Handlötwettbewerb

Handlöten wird zu einer seltenen Fähigkeit in der Elektronikindustrie. Beim Handlötwettbewerb der IPC in Halle 4 am Stand 200 wurde auch in diesem Jahr wieder die deutsche Meisterschaft im Handlöten ausgetragen. Die Teilnehmer mussten innerhalb von 60 Minuten eine funktionelle Baugruppe aufbauen, die den Kriterien der IPC-A-610 Klasse 3 entspricht. Den Sieger ermittelten IPC-Ausbilder anhand von Montagegeschwindigkeit und Qualität der Baugruppe. Wie in den Vorjahren hatte dabei eine Frau das bessere „Löt“-Händchen und so gewann Janett Winkler unter 28 Teilnehmern die deutsche Handlötmeisterschaft, gefolgt von Pauline Duval auf Platz 2 und David Gasniea auf Platz 3. Die Gewinnerin durfte sich nicht nur über einen Geldpreis freuen, sondern sicherte sich auch die Teilnahme an den Handlöt-Weltmeisterschaften.

Gewinner Handlötwettbewerb SMTconnect 2023
Die Frauen haben das bessere „Löt“-Händchen: Platz 1 ging an Janett Winkler (Mitte), Platz 2 an Pauline Duval und David Gasniea landete auf dem 3. Platz (Bild: Mesago)

Warum Nachhaltigkeit mehr ist als Umweltschutz

Welchen Aufwand müssen klein- und mittelständische Betriebe zum Beispiel in der Elektronikfertigung betreiben, um ihr Unternehmen nachhaltiger zu gestalten? Macht Nachhaltigkeit Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher? Welche Lösungsansätze, Ideen und Projekte gibt es? Über diese Fragen diskutierten Anton Shmatko (MTM Ruhrzinn),  Thomas Kolossa (Stannol),  Freddy Weber (Elektrotechnik Weber) und Josef Ernst (ASMPT SMT Solutions) mit Petra Gottwald, Chefredakteurin productronic im Rahmen einer Podiumsdiskussion am zweiten Messetag der SMTconnect.

Anton Shmatko, Stoffstrommanager bei MTM Ruhrzinn, gab einen Einblick in das Recycling von Zinnabfällen, denn Zinn ist einer der Rohstoffe mit den geringsten Reserven und für die Elektronikfertigung ein strategischer Rohstoff. Mit der Primärgewinnung von Zinn geht eine enorme Umweltzerstörung einher. Durch Kreislaufwirtschaft können im Vergleich zum Einsatz von Primärrohstoffen große Mengen CO2 und Energie eingespart werden. Recyclingmaterial hat mittlerweile eine gleich gute Qualität wie Primärmaterial und muss somit aus Gründen der Nachhaltigkeit unbedingt an Bedeutung gewinnen. Apple zum Beispiel will 2025 bis 100% zertifiziertes, recyceltes Lötzinn für alle von Apple entwickelten starren und flexiblen Leiterplatten einsetzen.

Der Lotprodukte-Hersteller Stannol geht daher seit einigen Jahren einen zweigleisigen Weg. In der Vergangenheit zählten vor allem beim Einkauf von Zinn nur die Kriterien Qualität, Preis und Lieferzeit. Aufgrund der starken Nachfrage nach Rohstoffen herrschen in den Abbaugebieten jedoch größtenteils menschenunwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen. Wie der Vertriebsleiter Thomas Kolassa berichtet, wurde das Unternehmen seinerzeit noch belächelt, als unter dem Namen greenconnect eine komplette Produktpalette angeboten wurde, die den Aspekt der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellt. Für Fairtin-Lötdrähte, Lotpasten und Lotbarren wird Primärzinn aus einer garantiert nachhaltigen Lieferkette und von geprüften Produzenten aus Schwellenländern eingesetzt. Alternativ kommen Lote aus hochreinen Sekundärrohstoffen zum Einsatz, die aus europäischer Produktion stammen.

Podiumsdiskussion SMTconnect 2023
Mit productronic-Chefredakteurin Petra Gottwald diskutierten zum Thema Nachhaltigkeit bei der Wertsteigerung von Unternehmen Freddy Weber (1. von links), Thomas Kolossa (2.von links), Anton Shmatko (2. von rechts) und Josef Ernst (1. von rechts). (Bild: Hüthig)

ASMPT SMT Solutions mit dem neuen CEO Josef Ernst hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 CO2-neutral zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine enge Zusammenarbeit mit Kunden erforderlich, um innovative Lösungen zur CO2-Reduzierung in der SMT-Industrie zu entwickeln. Die Branche sollte gemeinsam die ersten Schritte in Richtung Nachhaltigkeit unternehmen. Staatliche Vorschriften sind wichtig, aber sie allein können nicht innovative Lösungen vorschreiben. ASMPT konzentriert sich auf drei Hauptbereiche: Reduzierung des eigenen Energieverbrauchs, Entwicklung energie- und CO2-effizienter Maschinen sowie Zusammenarbeit mit Lieferanten zur Reduzierung von Scope-3-Emissionen. Nachhaltigkeit wird bereits in der Entwicklungsphase von Innovationen berücksichtigt. Ziel ist es auch, Kunden bei der Abfall- und CO2-Reduzierung zu unterstützen.

Freddy Weber bezeichnet sich selbst als Baugrupperetter, denn er vertritt das Motto: Reparieren statt wegwerfen. Sein Unternehmen, Elektrotechnik Weber, wurde 2022 mit dem ersten Nachhaltigkeitspreis der Oberpfalz ausgezeichnet, denn er unterstützt andere Unternehmen in der Elektronik-Branche dabei, Fehler zu finden, Ursachen zu analysieren und Baugruppen zu retten, anstatt sie zu verschrotten. Zudem hat er einen nachhaltigeren Fertigungsprozess aufgebaut und innovative Methoden entwickelt, um Elektronik in hermetisch vergossenen Baugruppen zu reparieren. Dabei nutzt er Abwärme der Maschinen und Prozesse für die Heizenergie seines KfW-100-Gebäudes und setzt auf eine Luft-Wärmepumpe zur Unterstützung. Wasser aus einer eigenen Quelle verwendet er zur Reinigung von Baugruppen und erzeugt Medien wie Stickstoff selbst.

Zusammenfassend waren sich alle Teilnehmer einig, dass alle Marktteilnehmer an einem Strang ziehen müssen. Hier wird der Leitfaden, den der VDMA in Kürze veröffentlichen wird, als willkommene Grundlage gesehen. Klar ist auch: Das gilt für die gesamte Lieferkette und es reicht nicht, auf staatliche Regelungen zu warten. Die Unternehmen des Elektronikmarktes müssen aktiv und gemeinsam die ersten Schritte zum Schutz der Umwelt unternehmen.

Attraktive Highlights standen auf der Agenda

Als informative Weiterbildungsmöglichkeit fungierte auch in diesem Jahr das abwechslungsreiche Forenprogramm mit zahlreichen Fachvorträgen, Podiumsdiskussionen und Produktvorstellungen. Besondere Einblicke in spannende Topthemen gab es z.B. unter Beteiligung des FED e.V., des VDMA und des ZVEI.

Noch mehr fachliches Know-how sowie tiefe Einblicke in Zusammenhänge der Elektronikfertigung und Abhängigkeiten der Lieferkette gewannen Interessierte bei der Fertigungslinie „Future Packaging“ des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM). Sie zeichnete sich auch 2023 als bewährter und exklusiver Hotspot auf der SMTconnect aus. Im Mittelpunkt stand in diesem Jahr das Thema „Trust the Line“ – Wettbewerbsfähigkeit durch Vertrauen, Sustainable Tool und Supply Chain. Interessierte konnten täglich an kommentierten Live-Führungen teilnehmen und so ihren Wissenshorizont noch gezielter erweitern.

Expertise auf hohem Niveau im EMS-Park

Auf der Sonderschaufläche EMS Park trafen Besucher auf starke Partner aus dem Bereich Electronic Manufacturing Services. Mit brisanten Vortragsthemen auf der EMS Speakers Corner konnte auch der gezielte Austausch zwischen OEMs und EMS-Dienstleistern durch Impuls- und Best Practice Vorträge forciert werden. Zahlreiche Aussteller rund um das Thema Leiterplatten, Komponenten und Materialien zeigten sich auch auf dem Gemeinschaftsstand PCB meets Components. Hier erhielten Fachbesucher in kürzester Zeit maßgeschneiderte Lösungen sowie Produkte für ihre Fragestellungen mit zielgerichteten Ansprechpartnern.

Save the date: Die nächste SMTconnect findet vom 11. – 13. Juni 2024 in Nürnberg statt.

Petra Gottwald
(Bild: Hüthig)

Petra Gottwald

Chefredakteurin productronic und all-electronics.de

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