Norman Schmid, technischer Geschäftsführer von Nico Norbert Schmid (Nico), ist überzeugt: Nur mit größtmöglicher Transparenz lässt sich Energie in der Produktion effizient nutzen. Deshalb hat sein Unternehmen nicht nur die Strom- und Leistungsmessgeräte econ sens3 und das Energiemanagement-System (EnMS) Econ von Econ Solutions eingeführt, sondern diese auch mit dem Manufacturing Execution System (MES) von Includis verbunden. Mit dieser Kombination ist der Kunststoffverarbeiter in der Lage, die Energiekosten bis auf jedes gefertigte Teil herunterzubrechen. Bevor sich Schmid für das Energiemanagement-System entschied, konnte er es während einer Testphase beim Spritzguß-Maschinenbauer Arburg in Aktion erleben. Neben seinen Funktionen hat ihn die Tatsache überzeugt, dass die Messmodule einfach in die Maschinen zu integrieren sind – sogar im laufenden Betrieb.
30 Anlagenteile in 4 Wochen verkabelt
Innerhalb von vier Wochen wurden 30 Spritzgussmaschinen und Peripheriegeräte an den Standorten Fellbach und Dornbirn mit den Strom- und Leistungsmessgeräten ausgestattet. Dabei vereinfachte der Klick-Verschluss der vorkonfektionierten Stromwandler die Installation – auch auf engem Raum. Die Messgeräte mit integriertem Web-Server erfassen alle zentralen Parameter der elektrischen Energie, wie Wirkleistung, Blindleistung, cos phi, die Netzqualität (Oberschwingungen) sowie Ströme und Spannungen. Zudem versahen die Installateure die Kompressoren mit Luftmengenmessgeräten. Anschließend vergaben die Monteure für jedes Modul eine IP-Adresse und banden sie über die vorhandenen Netzwerkanschlüsse ans lokale Netzwerk an.
Das MES hat das Unternehmen bereits seit längerem im Einsatz. Zusammen mit der Einführung des Energiemanagement-Systems stellte Nico das MES auf die neuste webbasierte Lösung um. Im Vorfeld hatten Nico und Econ Solutions eine Schnittstelle über Modbus definiert, um beide Systeme verknüpfen zu können. Hierfür waren seitens des MES lediglich kleinere Anpassungen nötig.
Zudem richtete der Energiemanagement-Spezialist in der bestehenden IT-Infrastruktur einen virtuellen Server ein und verknüpfte die Messmodule mit der Weblösung des MES. Dieses legt die Messdaten auf einem festen Speicherort ab, wo sie das EnMS verarbeitet und dann in die Energiemanagement-Software einspielt. „Diese umfasst viele Tools mit grafischen Darstellungen. Wie in einem Werkzeugkasten greifen wir das heraus, was wir gerade brauchen“, erklärt Fabian Kroll, Controller bei Nico und verantwortlich für die Implementierung. Hilfreich ist zum Beispiel die ABC-Analyse, um die Top-Energieverbraucher zu identifizieren, oder das Flussdiagramm, das auf einen Blick zeigt, wie viel Energie wohin fließt. „Aktuell sind wir noch in der Lernphase“, so Kroll, denn: „Die Auswertungen liefern zwar präzise Informationen, allerdings müssen wir erst verstehen, wie diese korrekt zu interpretieren sind.“ Auch die entsprechenden Prozesse muss das Unternehmen noch definieren – trotzdem gab es bereits Überraschungen.
Stromverbrauch gezielt senken
So hat sich etwa bei den Kältemaschinen gezeigt, dass simple Reinigungsarbeiten den Stromverbrauch reduzieren. Denn setzt sich an den Freikühlern, welche die Wärme abführen, zu viel Schmutz an, steigt der Energiebedarf sichtbar an. Auf Basis der Verlaufsdaten und Alarmschwellen kann Nico nun ein optimales Reinigungsintervall festlegen, sodass der Verbrauch wieder auf den normalen Wert sinkt.
Ähnliches bei der Druckluft: Hier will das Unternehmen künftig auf Basis der Messwerte Grenzwerte definieren und im System hinterlegen. Werden diese überschritten, deutet dies auf einen Defekt hin. Als Reaktion meldet die Software eine Störung, um einen zu hohen Verbrauch frühzeitig einzudämmen.
Darüber hinaus lassen sich aus dem Energiebedarf von Anlagen, beziehungsweise Anlagenteilen, Maschinen und Geräten, Fragen beantworten wie: Wie hoch ist der Energieverbrauch während verschiedener Produktionsprozesse und im Stand-by-Betrieb? Wie lang fallen Rüst- und Stillstandszeiten bei spezifischen Aufträgen tatsächlich aus? Wie reagiert eine Maschine auf eine Unterbrechung? Das heißt: Unternehmen können ihre Produktion in Echtzeit überwachen und daraufhin optimieren.
Welchen positiven Effekt die Maßnahmen auch auf die Belegschaft hatte, erfahren Sie auf Seite 2.
Lastspitzen vermeiden
Eine weitere Erkenntnis gab es bei den Lastspitzen: Beim Start einer neuen Woche mit der Nachtschicht am Sonntagabend, nahmen die Mitarbeiter die Maschinen bislang nach und nach wieder in Betrieb. Anhand der Auswertung der Daten kann das Unternehmen nun detailliert nachvollziehen, wann Lastspitzen entstehen. So lassen sich die Einschaltpläne optimieren, um die Spitzen möglichst gering zu halten. Daher erfolgt das Einschalten der großen Spritzgussmaschinen jetzt nicht mehr im Ganzen, sondern zuerst nur die beheizten Zonen und zeitverzögert die restliche Maschine.
Auch die Dokumentation leistete bereits gute Dienste, denn vor kurzem war es durch den Energieversorger zweimal zu einem Stromausfall gekommen. „In den Lastverlaufsberichten konnten wir das sofort nachvollziehen und die Daten an den Energieversorger kommunizieren“, beschreibt Kroll weitere Vorteile.
Posten des Energiemanagers geschaffen
Zusammen mit der Einführung des Systems hat Nico einen Energiemanager ernannt. Regelmäßig treffen sich die Mitarbeiter mit ihm, um Optimierungspotenziale zu besprechen und atypische Entwicklungen zu analysieren. So entdeckten die Beteiligten, dass Einsparungen möglich sind, wenn die Kompressoren nach dem Wochenende aus dem Stand-by wieder anlaufen.
„Zudem stellen wir fest, dass wir durch die Daten und Auswertungen ein viel größeres Bewusstsein für das Thema Energiesparen unter den Mitarbeitern schaffen“, so Kroll. Dadurch steigt die Motivation, etwas dazu beizutragen und die Bereitschaft, Maßnahmen umzusetzen.
Alle Mitarbeiter können sich je nach Verantwortlichkeit im System anmelden und die verschiedenen Auswertungen anschauen. Dabei wurde im Vorfeld festgelegt, wer für welche Maschinen zuständig ist. „Auch dass wir Berichte automatisiert generieren und per E-Mail versenden können, ist äußerst praktisch“, so Fabian Kroll. Das Ziel, den Energieverbrauch bis ins Detail nachvollziehen zu können, hat Nico erreicht. Durch die Verknüpfung des EnMS mit dem MES kann das Unternehmen den Verbrauch für jeden Auftrag und jedes gefertigte Stück e
rmitteln. So fließen die Energiekosten nicht mehr – wie häufig üblich – aufgrund von Verbrauchsangaben der Maschinenhersteller und Schätzungen in die Kalkulation der Maschinenstundensätze ein, sondern aufgrund des tatsächlichen Energieverbrauchs.
CO2-Verbrauch steuern
Mittelfristig will der Kunststoffverarbeiter seinen CO2-Verbrauch ermitteln und steuern. Hierfür kann das Unternehmen Messgeräte und Datenlogger jedes Herstellers in das EnMS einbinden und die Messwerte in die Auswertungen aufnehmen. Voraussetzung ist lediglich eine Schnittstelle, etwa Modbus TCP, Modbus RTU, OPC, BACnet, S0-Impuls, Webinterface oder Direkteinbindung, welche die Daten in die Software übertragen. Bei Nico sollen im ersten Schritt die Messwerte der fossilen Brennstoffe via Handeingabe in das System einfließen, um auch hierfür Auswertungen zu erhalten. Dazu zählt etwa der Gasverbrauch, wobei auch der Kraftstoffverbrauch von Firmenfahrzeugen einfließen kann. Sukzessive wird so die Datenanalyse um weitere Energiearten erweitert.
Rolf Wagner
(ml)