The first carbon-tariff system, the EU Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM).

(Bild: wutzkoh @ AdobeStock)

Es ist leider wie so oft, wenn man auf europäische Regulierung schaut: Eine Problemlage wird erkannt, die Begründung für die Richtigkeit einer europäischen Regelung scheint schlüssig, aber die vereinbarte und umzusetzende Lösung hinterlässt bei den von der Regulierung Betroffenen viele Fragezeichen (wie die neuen Vorgaben umzusetzen sind) bis hin zu massiven Kopfschmerzen (ob der tatsächlichen Wirkung). So auch im Fall des europäischen Grenzausgleichsmechanismus, kurz CBAM.

Auch hier ist die Problemlage nachvollziehbar beschrieben: Unternehmen in Europa stehen aufgrund der im internationalen Vergleich hohen Umwelt- und Klimaschutzstandards kostenseitig unter einem starken Wettbewerbsdruck.

CBAM soll bestehende Regelungen ersetzen

Um die Verlagerung von Produktion in Regionen mit weniger ambitionierten Klimazielen und -maßnahmen („Carbon Leak-age“) zu verhindern, soll CBAM bestehende Regelungen wie den Emissionshandel (EU-ETS) ergänzen und sicherstellen, dass für Importe die gleichen mit Treibhausgasemissionen verbundenen Kosten anfallen wie für Produkte, die innerhalb der EU hergestellt wurden. Die Lösung: Unternehmen, die bestimmte Waren aus Nicht-EU-Ländern in die EU einführen, müssen die bei der Herstellung dieser Waren entstandenen Emissionen ermitteln und in entsprechender Höhe sogenannte CBAM-Zertifikate kaufen. Hier-durch soll der Kostennachteil europäischer Hersteller ausgeglichen werden.

Die erste Stufe des Grenzausgleichsmechanismus ist am 1. Oktober 2023 gestartet. In einem Übergangszeitraum bis Ende 2025 findet die CBAM-Verordnung mit reduzierten Pflichten Anwendung. Quartalsweise sind CBAM-Berichte mit Angaben u. a. zu den jeweiligen Herstellungsprozessen der in die EU importierten, genau definierten Waren – unter anderem aus Eisen, Stahl und Aluminium – zu erstellen und in einer eigens eingerichteten Datenbank der EU-Kommission hochzuladen. Ab 2026 sind dann auch die Zertifikate für die mit den importierten Waren verbundenen Emissionen vorzuweisen.

ZVEI-Gastkommentar: Was der ZVEI dazu sagt

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(Bild: ZVEI)

Der ZVEI vertritt als einer der größten deutschen Industrieverbände die wirtschafts-, technologie- und umweltpolitischen Interessen der deutschen Elektroindustrie und Digitalindustrie. Rund 870.000 Beschäftigte arbeiten in der Elektronikindustrie und erwirtschaften so einem Gesamtumsatz von etwa 181 Milliarden Euro, was sie zum zweitgrößten Industriezweig Deutschlands macht. Verschiedene Arbeitsgruppen arbeiten im ZVEI an der Umsetzung verschiedener Anliegen. Was das für Anliegen sind:

CBAM: Ist mein Unternehmen unmittelbar betroffen oder nicht?

Doch jetzt kommen die Fragezeichen: Ist mein Unternehmen unmittelbar oder nur mittelbar von den CBAM-Pflichten betroffen? Welche Daten benötige ich für die CBAM-Quartalsberichte? Welche Informationen liegen mir bereits vor und welche muss ich von meinen außereuropäischen Lieferanten einfordern? Wie werden dort die Daten erhoben und wie kann ich deren Richtigkeit sicherstellen? Ist es vielleicht sinnvoll, die bisherigen Lieferbeziehungen anzupassen, neue Lieferanten zu suchen, Zwischenhändler einzuschalten oder gar Fertigungsschritte zu verlegen? Und auch die europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden und die jeweiligen Gesetzgeber haben noch einige Hausaufgaben zu machen. Wichtige Informationen zur Erstellung der Quartalsberichte wurden von der EU-Kommission erst im Dezember 2023 bereitgestellt.

Das EU-Berichtsportal kämpfte Ende 2023 noch mit Anlaufschwierigkeiten und die deutsche Aufsichtsbehörde und damit auch ein nationaler Ansprechpartner für die Unternehmen war noch nicht benannt. Wohlgemerkt, der erste Bericht ist von den betroffenen Unternehmen bis Ende Januar 2024 vorzulegen.

Prozesse brauchen Zeit

Und nun? Die Regelung ist in Kraft und die betroffenen Unternehmen werden die daraus resultierenden Pflichten erfüllen. Mittlerweile wurde mit der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) auch die nationale Aufsichtsbehörde benannt. Doch wird es Zeit brauchen, die Prozesse zu etablieren – sowohl in den Unternehmen als auch bei den nationalen Aufsichtsbehörden.

Die grundsätzliche Zielrichtung, Wettbewerbsnachteile und Carbon Leakage zu verhindern, ist richtig. Aber auch hier ist Zeit nötig, um die tatsächlichen Folgen für den Wirtschaftsstandort abzuschätzen: Kommt es zu Verlagerung von Wertschöpfungsstufen? Welche Kostenwirkung haben die CBAM-Pflichten auf in der EU hergestellte Güter? Welche Auswirkung hat dies auf deren Wettbewerbsfähigkeit im europäischen und internationalen Markt?

Ab 2026 wird es ernst

Erst 2026 kommt es zur Vollanwendung und der Pflicht, CBAM-Zertifikate für importierte Waren zu kaufen. Die Zeit bis dahin sollten wir den betroffenen Unternehmen, den außereuropäischen Zulieferern und den Aufsichtsbehörden geben.

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