Grüne Elektronik dank biologisch abbaubarer Leiterplatten
Computermaus aus Holz statt Epoxidharz
Jessica MoucheghJessicaMouchegh
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Die bioabbaubare Maus funktioniert wie jede andere Computermaus. Das 3D-gedruckte Gehäuse ist aus einem Gemisch aus bioabbaubarem Kunststoff und Holzfasern hergestellt.(Bild: Empa)
Aus einem Abfallprodukt haben Empa-Forschende ein biologisch abbaubares Material entwickelt, das sich zu funktionierenden Platinen für elektronische Geräte verarbeiten lässt. Das Biomaterial basiert vollständig auf Holz.
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Leiterplatten bestehen aus fossilen Rohstoffen und lassen sich kaum recyceln. Als Trägermaterial für die Kupferbahnen und elektronischen Komponenten kommt in der Regel ein Laminat aus glasfaserverstärktem Epoxidharz zum Einsatz. Dieser Verbundwerkstoff ist aus Erdöl hergestellt und lässt sich nicht recyceln. Die fachgerechte Entsorgung ist aufwendig, zum Beispiel in einem speziellen Pyrolyseofen mit Abluftreinigung– ein Problem angesichts der großen Mengen ausgedienter Platinen, die jedes Jahr anfallen.
Forschende um Thomas Geiger aus dem Labor „Cellulose and Wood Material“ der Empa arbeiten an einer grünen, also nachhaltigen Alternative, die in Wahrheit braun ist. Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts Hypelignum haben sie ein Trägermaterial für die Leiterplatten auf der Basis von Holz entwickelt, das mit Epoxidharz mithalten kann und zugleich vollständig biologisch abbaubar ist. Die daraus hergestellten Platinen haben die Forschenden in funktionierende Computermäuse eingebaut.
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Von Abfall zu Hightech: Ohne Wasser läuft nichts
Ausgangsstoff für das Trägermaterial ist eine natürliche Mischung aus Cellulose mit etwas Lignin. Streng genommen handelt es sich dabei um ein Abfallprodukt. Das Forschungsinstitut TNO in den Niederlanden hat ein Verfahren entwickelt, um die Rohstoffe Lignin und Hemicellulose aus dem Holz zu extrahieren. Dabei bleibt die bräunliche Lignocellulose übrig, für die es bisher keine Verwendung gab.
Damit aus der flockigen Lignocellulose ein Hightech-Produkt wie eine Leiterplatte werden kann, wird sie zunächst mit Wasserzugabe gemahlen, um die relativ dicken Cellulosefasern zu feinen Cellulose-Fibrillen aufzuschließen. Dabei entsteht ein feines Netz aus hauchdünnen Fibrillen, die untereinander verknüpft sind. In einem nächsten Schritt wird das Wasser aus der Masse mit hohem Druck herausgepresst. Die Fibrillen rücken näher zusammen und trocknen zu einer festen Masse. Diesen Prozess nennen die Forschenden Hornifizierung. Das enthaltene Lignin dient als ein zusätzliches Bindemittel in der Masse.
Die so entstandene hornifizierte Platte ist nahezu so widerstandsfähig wie eine konventionelle Leiterplatte aus Glasfasen und Epoxid – nahezu. Denn diese kompostierbare Platte reagiert noch immer empfindlich auf Wasser und hohe Luftfeuchtigkeit. Aber Wasser wird benötigt, denn wenn gar kein Wasser mehr in das Trägermaterial eindringen kann, können auch keine Mikororganismen wie Pilze mehr darin wachsen – und damit wäre die Bioabbaubarkeit nicht mehr gegeben.
Die grüne Leiterplatte ist eigentlich braun: Links eine Maus-Platine aus Lignocellulose, rechts eine konventionelle Maus-Platine aus fossilen Rohstoffen.(Bild: Empa)
Was kommt nach der kompostierbaren Computermaus?
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Dennoch sind die Forschenden zuversichtlich, dass sich die Resistenz des Biowerkstoffs aus Lignocellulose mit der richtigen Verarbeitung weiter verbessern lässt. Zudem seien viele elektronische Geräte sind nur wenige Jahre in Gebrauch, bevor sie veralten. Es sei daher nicht unbedingt sinnvoll, diese Geräte aus Materialien herzustellen, die hunderte von Jahren überdauern können.
In Zusammenarbeit mit Industriepartner Profactor in Österreich haben die Forschenden die nachhaltigen Leiterplatten mit Leiterbahnen bedruckt und mit Komponenten bestückt, um funktionierende elektronische Geräte herzustellen, etwa eine Computermaus oder eine RFID-Karte. Am Ende der Lebensdauer könnte ein solches Gerät unter den richtigen Bedingungen kompostiert werden. Ist das Trägermaterial erst mal zersetzt, lassen sich die metallischen und elektronischen Komponenten aus dem Kompost entnehmen und recyceln.
Als nächstes planen die Forschenden den Biowerkstoff für Leiterplatten widerstandsfähiger zumachen, ohne dessen Bioabbaubarkeit zu beeinträchtigen. Auch wollen die Projektpartner weitere Demonstrationsgeräte mit Platten aus Lignocellulose zum Abschluss des Hypelignum-Projekts 2026 anfertigen. Die Entwicklung weiterer Verwendungsmöglichkeiten für den Lignocellulose-Werkstoff soll den Transfer in die Industrie unterstützen.
Forschungsprojekt Hypelignum
Empa-Forscherin Yuliia Dudnyk mit der flockigen Lignocellulose, dem Ausgangsmaterial für die Leiterplatte.(Bild: Empa)
Das EU-Forschungsprojekt Hypelignum hat zum Ziel, einen ganzheitlichen Ansatz für eine funktionale, CO₂-neutrale Elektronik zu entwickeln. Dafür kombinieren die internationalen Projektpartner aus Forschung und Industrie holzbasierende Ausgangsstoffe und möglichst unkritische Übergangsmetalle mit additiver Fertigung und Nachhaltigkeitsanalysen. Das Projekt ist im Rahmen des Horizon-Europe-Programms und vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) finanziert und läuft von Oktober 2022 bis September 2026. Forschende der Empa beteiligen sich an der Entwicklung nachhaltiger Leiterplatten sowie an der Lebenszyklusanalyse.