Ergonomische Arbeitszonen an einem Handarbeitsplatz

Grundsächlich ist der optimale Bereich für die Bereitstellung von Material die Einhandzone (oranger Bereich). Weniger frequentierte Bewegungsabläufe können in der erweiterten Einhandzone (hellblau) durchgeführt werden. Die den Prozess bestimmende, oft wertschöpfende Tätigkeit sollte in der Zweihandzone (grün) stattfinden. (Quelle: item)

Trotz der Innovationen von Digitalisierung und Industrie 4.0 sind manuelle Arbeiten in der Elektronikfertigung nach wie vor unersetzlich. Dabei handelt es sich zum Großteil um Tätigkeiten, die sich oft wiederholen. Führen Mitarbeiter diese aus ergonomischer Sicht falsch aus, steigt das Risiko einer Erkrankung des Muskel-Skelett-Systems. Daraus resultierende Krankheitstage führen zu einem Produktionsausfall und damit zu weniger Umsatz. Arbeitgeber sollten daher die Prinzipien einer ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung gerade am industriellen Montagearbeitsplatz berücksichtigen. Dazu zählen beispielsweise adaptierbare Arbeitstische und -stühle, die korrekte Material- und Werkzeugbereitstellung sowie die richtige Beleuchtung.

Ergonomische Arbeitstische und -stühle

Es klingt banal, trifft allerdings nicht immer zu: Arbeitsplatzkomponenten müssen für ihren Zweck geeignet sein. Und dazu zählt auch der Erhalt der Gesundheit der Mitarbeiter, etwa durch die richtige Ergonomie.

Ein Ansatz, um die Ergonomie am Arbeitsplatz zu verbessern, sind elektrisch höhenverstellbare Arbeitstische. Nach kurzer Einführung kann jeder Mitarbeiter eigenverantwortlich seine schonendste Arbeitshaltung einnehmen und – was fast noch wichtiger ist – sie jederzeit ändern. Die Dimensionierung des Tisches sollte hinsichtlich Größe, Traglast und Art zu den prozessbedingten Anforderungen passen. Unter dem Tisch braucht es zudem ausreichende Beinfreiheit. Ebenso muss das Tischplattenmaterial sorgfältig ausgewählt sein: Ein Blenden durch Reflektion soll verhindert und unangenehme Kontakttemperaturen vermieden werden.

„Oft wird Ergonomie mit überflüssigen Kosten für eine Wohlfühloase gleichgesetzt. In einem ganzheitlichen Ansatz ist aber die Steigerung der Produktivität ein integraler Bestandteil der Definition von Ergonomie. In der Praxis gehen Ergonomie und Effizienz eine Symbiose ein. Wer nicht unnötig belastet wird, arbeitet motivierter und bringt bessere Leistung. Ergonomie stellt den Erhalt der Arbeitskraft auf Dauer sicher.“

Marius Geibel, Ergonomie-Experte bei item

Auch die Qualität des Arbeitsstuhls hat großen Einfluss auf das Wohlbefinden des Mitarbeiters und die Ergonomie des Arbeitsplatzes. So darf der Stuhl den Mitarbeiter nicht in seinem Bewegungsraum einengen. Stattdessen soll der Arbeitsstuhl durch eine synchrone Bewegung von Sitzfläche und Rückenlehne das dynamische Sitzen unterstützen. Dabei hat die optimale Sitzfläche eine leichte Neigung nach vorne und ist drehbar. Für eine ideale Arbeitshaltung ist die Rückenlehne neigungs- und höhenverstellbar mit justierbarem Gegendruck. Außerdem hat der Stuhl gebremste Rollen beziehungsweise bei Counterstühlen mit erhöhter Sitzposition unter Last blockierende Rollen. Das senkt das Unfallrisiko und steigert die Mobilität. Sämtliche Einstellmöglichkeiten sollten sich in sitzender Position intuitiv bedienen lassen. Ein weiteres Qualitätsmerkmal für einen Industriestuhl ist ein leicht zu reinigendes Sitz- und Rückenpolster, das resistent gegen hohe Beanspruchungen durch Schmierstoffe, Reinigungsmittel ist und eine hohe Lebensdauer hat.

Generell ist jedoch der Mensch für dauerhaftes Sitzen nicht gemacht. Deshalb empfiehlt es sich, nach einiger Zeit im Sitzen in die stehende Arbeitsposition zu wechseln.

Höhenverstellbarer Montagetische und Industriestuhle ermöglichen einen entlastenden Wechsel zwischen einem Sitz- und Steharbeitsplatz.
Höhenverstellbarer Montagetische und Industriestuhle ermöglichen einen entlastenden Wechsel zwischen einem Sitz- und Steharbeitsplatz. (Bild: Item)

Zahlen zu Produktionsausfällen durch Krankheit

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) schätzt 2019 bei einem Arbeitsunfähigkeitsvolumen von 712,2 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage die volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle auf insgesamt 88 Milliarden Euro beziehungsweise den Ausfall an Bruttowertschöpfung auf 149 Milliarden Euro. Von diesen 712,2 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage entfallen 158,8 Millionen auf Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes, die in Teilen auf eine schlechte Ergonomie am Arbeitsplatz zurückzuführen sind. Daraus leitet die BAuA Produktionsaus-fallkosten von 19,5 Milliarden Euro beziehungsweise den Ausfall an Bruttowertschöpfung auf 33,2 Milliarden Euro.

Dagegen zahlt sich laut einer Studie aus dem Jahr 2011 jeder Euro, der in betriebliche Prävention investiert wird, für die gesamte Volkswirtschaft mit fünf bis 16 Euro aus.

Material-/Werkzeugbereitstellung oder die optimale Einhandzone

Grundsächlich gibt es einen optimalen Bereich für die Bereitstellung von Material: die Einhandzone. Was sich dort befindet, kann der Werker ohne Körperdrehung erreichen. Alle Elemente, die sich dort befinden, sollten idealerweise mittels Schwenkarmen mit zwei oder besser drei Gelenken an den Mitarbeiter anpassbar sein. Diese hohe Flexibilität schafft kurze Zugriffzeiten bei gleichzeitiger Entlastung des Mitarbeiters.

Weniger frequentierte Bewegungsabläufe können in der erweiterten Einhandzone durchgeführt werden – auch außerhalb des Tisches. Dafür gibt es zusätzlich mobile Bereitstellungswagen. In der Höhe verstellbare Bereitstellungswagen ermöglichen beispielsweise auch das Arbeiten im Stehen.

Die den Prozess bestimmende, oft wertschöpfende Tätigkeit, sollte in der Zweihandzone stattfinden. In diesem Bereich ist auch die Sehleistung am besten. Informationen, die am Arbeitsplatz angebracht sind, sollten mit der Wichtigkeit von innen nach außen abnehmen. Informationen, die oft benötigt werden, sollten ohne überflüssige Kopfdrehungen erfassbar sein.

Bei der Werkzeugbereitstellung gibt es die Empfehlung, dass jedes Werkzeug einen dedizierten Platz hat. Diese Plätze sollten anhand ergonomischer Kriterien ausgewählt sein und alle Werkzeuge mit einer auf Entnahme und Ablage abgestimmten Halterung am Arbeitsplatz bereitstehen. So kann eine effiziente Greifroutine entstehen, die Such- und Umgreifzeiten vermeidet.

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Das Video „Wie ergonomisch ist die Arbeitsplatzgestaltung in der manuellen Produktion?“ zeigt, auf welche ergonomischen Lösungen Unternehmen aktuell setzen und wo sie weitere Optimierungspotenziale sehen.

Ergonomische Beleuchtung am Montagearbeitsplatz

Die Beleuchtung ist ein Faktor bei der Ergonomie am Montagearbeitsplatz, der häufig übersehen wird. Werden die ergonomischen Prinzipien nicht beachten, kann dies Mitarbeiter beeinträchtigen. Alleine die Lichtfarbe einer LED-Leuchte wirkt sich auf das Befinden und somit die Leistungsfähigkeit der Werker aus. Hinsichtlich der Lichtfarbe gibt es folgende Grundregeln:

  • Kaltweißes Licht (3330 bis 5300 Kelvin): Anregende Wirkung auf den Menschen
  • Warmweißes Licht (2700 bis 3300 Kelvin): Wirkt entspannend und beruhigend

Entsprechend kommt es beim Einsatz am Montagearbeitsplatz auf eine ausgewogene Mischung an. Hier wird eine Lichtfarbe um 4000 Kelvin empfohlen (von wem empfohlen?). Diese befindet sich zwischen dem warmweißen Lichtton einer Glühbirne (2500 bis 2700 Kelvin) und normalem Tageslichtweiß, dessen Wert 5800 bis 6500 Kelvin beträgt.

Auch Multischatten können die Augen der Mitarbeiter belasten. Hierbei entstehen durch einzelne Lichtspots harte Schatten, die sich zudem überlagern. Ermüdungserscheinungen und nachlassende Konzentration sind die Folge. Eine LED-Industrieleuchte hingegen produziert durch ihre homogene Beleuchtung ausschließlich weiche Schatten, was die Augen deutlich weniger beansprucht. Dies ist auch bei flackerfreiem Licht von hochfrequenten LED-Industrieleuchten der Fall. Alles andere ist am Montagearbeitsplatz kontraproduktiv, denn bereits nicht bewusst wahrnehmbares, niederfrequentes Flackern belastet die Mitarbeiter.

Der Beitrag basiert auf Unterlagen von item

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