Elektronik-Fertigung

27. Jun. 2025 | 14:00 Uhr | von Petra Gottwald

Weniger Abfall, mehr Effizienz

Zero Waste in der Industrie

Die EU richtet ihre industrie- und klimapolitische Agenda neu aus. Der Aufbau einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft bleibt dabei zentral. Ein wichtiger Hebel: Zero-Waste-Strategien entlang der gesamten Wertschöpfung.

Recycling

EMS-Dienstleister Plecxus setzt Zero-Waste-Prinzipien in der Fertigung um. Ausgangspunkt war die Einführung eines standardisierten Abfallmanagementsystems mit klaren Erfassungs- und Kontrollmechanismen. (Bild: Plexus)

Hohe Energiepreise, Rohstoffabhängigkeiten und geopolitische Spannungen bremsen viele Green-Deal-Ziele in der Praxis aus. Mit dem im Februar 2025 vorgestellten Clean Industrial Deal (CID zieht die EU eine Zwischenbilanz: Klimaschutz bleibt das Kernziel, doch die Maßnahmen erhalten auch eine industriepolitische Stoßrichtung. Ressourceneffizienz und kürzere Lieferketten sollen Europa unabhängiger und wettbewerbsfähiger machen. Gleichzeitig werden Unternehmen gezielt entlastet, unter anderem durch eine vereinfachte Regulatorik und gezielte Investitionen.

Ein Kernelement des CDIs bleibt die Kreislaufwirtschaft. Rund 45 % der CO₂-Emissionen entstehen durch die Herstellung und Nutzung von Produkten. Abfall ist im Kontext von Zero Waste kein Abfall mehr, sondern ein sekundärer Rohstoff. So soll die zirkuläre Materialnutzungsrate (CMUR) bis 2030 auf 24 % steigen und in der EU ein funktionierender Binnenmarkt für Recyclingmaterialien entstehen.

Die fertigende Industrie steht bei der Umsetzung der Null-Abfall-Strategie vor besonderen Herausforderungen. Grundsätzlich zielt Zero Waste darauf, Abfälle bereits bei Design und Produktion zu vermeiden. In der Praxis ist das (noch) nicht durchgängig realisierbar. Mehr Potenzial liegt aktuell in der Wiederverwendung – durch Reinigung, Reparatur und Instandsetzung. Beim Recycling erfolgt eine stoffliche Verwertung in neue Produkte oder Materialien. Ergänzend kommen energetische Nutzung und andere Rückgewinnungsverfahren zum Einsatz. Deponierung und Verbrennung ohne Energierückgewinnung sollen weitgehend entfallen – Zero Waste to Landfill ist das Ziel.

Potenziale entlang des Produktlebenszyklus

Zero-Waste-Strategien greifen nicht punktuell, sondern entlang des gesamten Produktlebenszyklus – vom Ökodesign über zirkulär ausgerichtete Fertigungsprozesse bis hin zu Wiederverwendung, Rücknahme und Recycling am End-of-Life.

Ökodesign als Schlüssel

Zero Waste beginnt im Design. Zwar machen F&E oft weniger als fünf Prozent der Produktkosten aus, beeinflussen aber bis zu 80 Prozent des Ressourcenverbrauchs. Langlebige Materialien, modulare Bauweise und recyclinggerechtes Design senken den Materialeinsatz und vereinfachen die spätere Rückführung. Konstruktionen sollten so ausgelegt sein, dass Komponenten leicht demontierbar, trennbar und reparierbar sind. Das betrifft nicht nur die Produktarchitektur, sondern auch die Materialwahl und Montagetechnik.

Fertigung mit Verantwortung

Ressourcenschonung beginnt mit Qualität. Jeder Fehler bedeutet Ausschuss oder Nacharbeit und damit Materialverlust. Design for Excellence (DfX) unterstützt dabei, Fertigbarkeit, Testbarkeit und Zuverlässigkeit bereits in der Entwicklung abzusichern. So lassen sich unnötige Zyklen und Ausschuss vermeiden. Ergänzend helfen Wareneingangskontrollen, fehlerhafte Bauteile früh zu erkennen. Auch Verpackung und Logistik bieten Möglichkeiten: Wiederverwendbare oder recyclingfähige Lösungen, abgestimmt auf Produkt und Transportweg, reduzieren nicht nur den Materialeinsatz, sondern senken auch die Prozess- und Transportkosten.

Nachhaltigkeit als Service

Durch Wartung, Reparatur und Refurbishing lässt sich die Lebensdauer elektronischer Produkte deutlich verlängern. Auch Refabrikation, Recycling, Up- und Downcycling tragen dazu bei, Bauteile im Kreislauf zu halten. Kern ist eine effektive Reverse-Logistik: Rücknahme, Wiederaufbereitung und Rückführung in die Fertigung. Das stärkt nicht nur die Kreislauffähigkeit, sondern liefert praxisnahe Daten für Design und Supply Chain. So wird Nachhaltigkeit zum Service – mit Mehrwert für Umwelt, Kundenbindung und Prozessoptimierung.

Tabelle Recyclingquote bei Plexus
Einsparungen und Zero-Waste-Maßnahmen bei Plexus nach Standorten (Bild: Hüthig Medien)

Praxisbeispiel von Zero Waste

Wie sich Zero-Waste-Prinzipien in der Fertigung umsetzen lassen, zeigt der EMS-Dienstleister Plexus. Ausgangspunkt war die Einführung eines standardisierten Abfallmanagementsystems mit klaren Erfassungs- und Kontrollmechanismen. Sämtliche Abfallströme, einschließlich gefährlicher Stoffe, elektronischer Altmaterialien und nicht gefährlicher Produktionsreste, werden dabei systematisch dokumentiert und einer möglichst hochwertigen Verwertung zugeführt.

Am Standort Kelso in Schottland erreicht Plexus das Ziel „Zero Waste to Landfill“: 100 Prozent der Abfälle gelangen nicht mehr auf Deponien. 93 Prozent werden recycelt, die restlichen sieben Prozent energetisch verwertet. In Oradea (Rumänien) sank die Deponierungsquote auf fünf Prozent. Ganze 86 Prozent der Abfälle werden recycelt. Ein Beispiel ist das Recycling von Lötzinn-Rückständen, die vor Ort gesammelt und zu neuen Lötstangen verarbeitet werden. Der Wiedereinsatz erfolgt direkt in der eigenen Fertigung.

Zur Umsetzung dieser Ziele setzte Plexus auf mehrere ineinandergreifende Maßnahmen. In der Produktion wurden geeignete Sammel- und Trennsysteme eingeführt, begleitet von internen Schulungen, um Mitarbeitende wie Besuchende für den Umgang mit Abfällen zu sensibilisieren. Gleichzeitig spielt die enge Zusammenarbeit mit spezialisierten Recycling- und Verwertungspartnern eine zentrale Rolle. Ergänzt wird das Konzept durch die konsequente Verfolgung der „Zero Defects“-Ziel: Weniger Produktionsfehler bedeuten weniger Ausschuss und damit weniger Abfall.

Nachhaltigkeit in der Fertigung ist kein Schnellschuss, sondern das Ergebnis vieler ineinandergreifender Schritte. Maßnahmen zur Abfallvermeidung, Ressourceneffizienz, Wiederverwendung und Recycling entfalten ihre Wirkung nur im Zusammenspiel. Eine ganzheitliche Zero-Waste-Strategie geht dabei über reine Klimaziele oder Compliance hinaus: Sie hilft, Kosten zu senken, Lieferketten abzusichern, Prozesse zu stabilisieren und Produktqualität zu steigern. Richtig umgesetzt, wird Kreislaufwirtschaft so zum Wettbewerbsvorteil – besonders in einem volatilen, globalen Marktumfeld.

Alexander Klein, Plexus
(Bild: Plexus)

Alexander Klein

Vice President Operations – EMEA, Plexus

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