Thermofotografie eines SP+-Getriebes von Wittenstein Alpha, angebaut an einen Standard-Motor eines anderen Herstellers. Die hellgelbe Farbe zeigt, dass der Motor das Getriebe im Betrieb sehr stark aufheizt. Die eigenen Verluste des Getriebes spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Eine Gegenüberstellung berechneter und gemessener Verlustmomente ergab sehr gute Übereinstimmungen.

Thermofotografie eines SP+-Getriebes, angebaut an einen Standard-Motor eines anderen Herstellers. Die hellgelbe Farbe zeigt, dass der Motor das Getriebe im Betrieb sehr stark aufheizt. Die eigenen Verluste des Getriebes spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Eine Gegenüberstellung berechneter und gemessener Verlustmomente ergab sehr gute Übereinstimmungen. (Bild: Wittenstein Alpha)

Serienprodukte wie das Planetengetriebe SP+ werden bereits seit 2019 durchgängig mit einem unverlierbaren Data-Matrix-Code gekennzeichnet, der als sogenannter Identification Link die Vorgaben der Norm IEC TS 61406 erfüllt und jedes Produkt mit seinem Digitalen Zwilling verbindet.
Serienprodukte wie das Planetengetriebe SP+ werden bereits seit 2019 durchgängig mit einem unverlierbaren Data-Matrix-Code gekennzeichnet, der als sogenannter Identification Link die Vorgaben der Norm IEC TS 61406 erfüllt und jedes Produkt mit seinem Digitalen Zwilling verbindet. (Bild: Wittenstein Alpha)

Wittenstein Alpha hat zusammen mit einem strategischen Partner einen neuen Ansatz für die thermische Getriebeberechnung entwickelt. Dafür wurden über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren etwa 80 SP+- und NP-Getriebevarianten in Kombination mit Motoren auf Prüfständen vermessen. Die Versuche lieferten die verlässliche Datenbasis für einen theoretischen Ansatz und darauf aufbauend ein Rechenmodell, dessen Genauigkeit sich in sehr hohem Maße bestätigt hat.

Dadurch lassen sich jetzt – ohne Zusatzkosten und Zeitverluste durch Tests und Simulationen – die thermischen Grenzkurven einer Vielzahl unterschiedlicher Motor-Getriebe-Kombinationen bestimmen und die geeigneten Komponenten für eine Anwendung auswählen. Ziel des Projektes war es, die Ziele „Mehrwert durch Digitalisierung“ und „Nachhaltigkeit durch Energieeffizienz“ zu verbinden.

Mit dem Ziel, die Wertschöpfung durch Digitalisierung intern wie auch bei Kunden zu erhöhen, implementiert Wittenstein in immer mehr Produkte, Prozesse und Services eine Asset Administration Shell. Dieser standardisierte Digitale Zwilling, über den Produkte in der Welt von Industrie 4.0 kommunizieren können, verbindet nahtlos und unabhängig von Gateways oder IIoT-Plattformen den Entstehungsprozess und Lebenszyklus eines Produktes mit dessen Nutzungskreislauf beim Kunden und in der Applikation.

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Asset Administration Shell sorgt für durchgängige Interoperabilität

Als Gründungsmitglied der Industrial Digital Twin Association (IDTA) orientiert sich Wittenstein dabei an dem dort standardisierten Konzept der Asset Administration Shell. Es gewährleistet eine durchgängige Interoperabilität beim Austausch von Hersteller- und Produktlebenszyklus-übergreifenden Informationen.

Das ist die Basis dafür, zukünftig mit der Auslegungssoftware Cymex 5 bei der Auswahl von Getrieben etwa die thermischen Grenzkurven von Motor-Getriebe-Kombinationen berechnen und so eine genaue thermische Bewertung für konkrete Kundenanwendungen abgeben zu können.

Das Besondere dabei: Mit Cymex 5 besteht heute schon die Möglichkeit, neben etwa 10.000 verschiedenen eigenen Getriebevarianten auch auf die Kennwerte von 20.000 am Markt verfügbare Motorvarianten von Wittenstein Alpha und anderen Herstellern zuzugreifen und für die Getriebe- und Antriebsauslegung zu nutzen.

Digitaler Touch Point Cymex 5

  • Ein Digitaler Zwilling ist die virtuelle, digitale Repräsentanz eines physisch greifbaren Objektes – im Fall von Wittenstein Alpha einer bestimmten Getriebevariante. Dabei bildet das digitale Double gleichzeitig zwei Welten ab: zum einen die Kundenperspektive – also den Lebenszyklus beim Anwender, in der Anlage, in der Applikation – zum anderen den Produktlebenszyklus im direkten Herstellerumfeld. Aufgabe des Digitalen Zwilling ist es somit, alle verfügbaren Produktinformationen zu einem Getriebe zu verzahnen sowie schnell, automatisiert und effizient entlang des gesamten Lebenszyklus der Produkte bereitzustellen.
  • Dies gilt auch für die thermische Getriebeberechnung. Um ein reales Getriebe als echtes Produktunikat identifizieren und eindeutig seiner digitalen Asset Administration Shell zuordnen zu können, wird bei Wittenstein Alpha seit einigen Jahren jedes Serienprodukt mit einem unverwechselbaren Data-Matrix-Code gekennzeichnet. Dieser erfüllt als sogenannter Identification Link die Vorgaben der Norm IEC TS 61406. Der Link fungiert dabei nicht nur als Produkt-ID, sondern zugleich auch als Webadresse des Digitalen Zwilling und der mit ihm verbundenen Interaktionspunkte und IT-Systeme.
  • Aus Anwendersicht erleichtert der Digitale Zwilling die grundsätzliche Informationsbeschaffung zum Produkt – u. a. durch den Zugriff auf die Auslegungssoftware Cymex 5, die ihn als gemeinsamer Interaktionspunkt bei der Auswahl der bestmöglichen Antriebslösung und Komponenten unterstützt. Für den Anwender unsichtbar wird das Auslegungstool gleichzeitig kontinuierlich mit neuen Daten gefüttert, beispielsweise durch die Produktentwicklung bei Wittenstein Alpha, in der teils sehr spezifische Produkt-Simulationsmodelle wie FEM-Analysen oder Modelle in Bezug auf Reibmomente in Getriebestufen oder das Wärmeverhalten entstehen. Auf diese Weise stellt die thermische Berechnung und Auslegung von Getrieben einen weiteren Mehrwert, eine zusätzliche digitale Wertschöpfung, dar.

Eine kurze Einführung in die Eigenschaften von Cymex 5 bietet dieses Youtube-Video von Wittenstein.

Abgleich der Messdaten mit dem digitalen Modell

Ein schon immer wichtiger Aspekt der Auslegung – und daher integraler Bestandteil der Beratungsleistungen von Wittenstein Alpha – ist die thermische Getriebeberechnung, die jetzt durch das erfolgreiche, zweijährige Digitalisierungsprojekt entscheidend verbessert werden konnte. Hierbei wurden die Ergebnisse der in den Versuchen aufgezeichneten Wärme- und Verlustmessungen mithilfe von Python-Programmen einer professionellen Datenanalyse unterzogen und auf den kompletten Leistungsbereich der geprüften SP+- und NP-Getriebe extrapoliert.

Darüber hinaus wurden die Ergebnisse der Referenzmessungen auf alle weiteren Baugrößen und Übersetzungsvarianten dieser Getriebebaureihen skaliert. Ergänzt wurden diese Daten durch Messungen zum Wärmewiderstand sowie durch Berechnungen zu Wärmekapazitäten und Oberflächen der Getriebe. Auf dieser Basis wurden mit einem Rechenansatz eines thermischen Ersatzschaltbildes die thermischen Grenzkurven von Motor-Getriebe-Kombinationen bestimmt.

Genauigkeit des Rechenmodells in sehr hohem Maß bestätigt

Diese erlauben jetzt eine schnelle, einfache und dennoch sehr präzise thermische Bewertung in konkreten Kundenanwendungen, denn Validierungsmessungen haben die Genauigkeit des Rechenmodells in einem sehr hohen Maß bestätigt.

Anwender profitieren dadurch von zahlreichen Vorteilen:

• Leistungsverluste und Erwärmungen von Getrieben können über den jeweiligen Digitalen Zwilling für eine Vielzahl von Applikationen und Motor-Getriebe-Kombinationen ermittelt werden.
• Thermische Leistungsgrenzen von Planetengetrieben sind schon bei der Projektierung bekannt oder berechenbar.
• Die Kenntnis der Verluste und Erwärmung von Getrieben eröffnet frühzeitige Auswahloptionen für eine zu erreichende, thermische Effizienz.
Getriebe können entsprechend ihrer Betriebspunkte in der Applikation ausgesucht werden.
• Anwendungsbezogene Leistungsverluste von Getrieben sind in der Planungsphase bekannt und ermöglichen frühzeitige Maßnahmen zur Optimierung.
• Mit der thermischen Berechnung ist es nun möglich, vorhandene Leistungsreserven der Motor-Getriebe Kombination zu erkennen und für den Kunden nutzbar zu machen, ohne Änderungen am Produkt vornehmen zu müssen.

Erfahrungen helfen bei der Entwicklung effizienterer Produkte

Aber auch Wittenstein Alpha profitiert von dem neuen Algorithmus zur thermischen Getriebeberechnung. Das Wissen um die Ursachen der Verluste im Getriebe und die Wärmebilanz des ganzen Antriebes hilft bei der Entwicklung neuer und effizienterer Produkte. Daher werden in weiteren Projekten die neuen Berechnungsmöglichkeiten vertieft, auf weitere Getriebebaureihen erweitert und die neuen Möglichkeiten in Kunden-Softwaretools integriert.

Matthias Beck
Matthias Beck (Bild: Wittenstein Alpha)

Dr.-Ing. Matthias Beck

ist Leiter Entwicklung bei der Wittenstein Alpha GmbH in Igersheim

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