Durch Low-Code-Entwicklung bekommen die verschiedenen Akteure der smarten Fabrik ihr individuell konfiguriertes Interface.

Durch Low-Code-Entwicklung bekommen die verschiedenen Akteure der smarten Fabrik ihr individuell konfiguriertes Interface. (Bild: stock.adobe.com / putilov_deni)

Integration von Mendix Low-Code in die Siemens Opcenter Execution Foundation ermöglicht seit Beginn dieses Jahres erstmals die standardmäßig einfache Erstellung jeweils maßgeschneiderter User Interfaces, Datenansichten und Apps für die unterschiedlichsten Funktionsträger und Nutzergruppen einer Fabrik. Die Personalisierbarkeit des Manufacturing Execution Systems (MES) allein ist schon ein bedeutender Schritt in der erweiterten Digitalisierung der Fertigungsprozesse. Doch Low-Code eröffnet Möglichkeiten weit darüber hinaus. Einige der drängendsten Herausforderungen in der produzierenden Industrie könnten sich damit zumindest entschärfen.


Low Code rasant auf dem Vormarsch

Führungskräfte erwarten ab 2024 mehr Software aus Low-Code als aus traditionellem Coding. Das ist das Kernergebnis der Umfrage „State of Low-Code in Key Verticals 2022" von Mendix, für die Mitte 2022 556 Führungskräfte in den USA, Großbritannien, Niederlande, Frankreich und Deutschland befragt wurden. Weitere Ergebnisse:

  • In der Fertigung setzen 64 % Low Code für interne Zwecke wie kollaborative Anwendungen ein.
  • 44 % haben bereits wichtige Altsysteme wie MES oder ERP durch Low Code Anwendungen ersetzt.
  • Abgesehen von der IT wird Low Code Entwicklung vor allem in der Konstruktion (43 %), dem Produktdesign (32 %) und der Qualitätskontrolle genutzt.
  • Direkt in der Fertigung haben nur 23 % der Befragten Low Code Tools im Einsatz.
  • Allerdings wünschen sich 41 % eine Integration von Low Code auch mit Produktionsanlagen.

Der universalistische Anspruch von Standard-Software für die industrielle Produktion kollidierte schon früher immer wieder mit der Vielzahl unterschiedlicher Fertigungsverfahren, lokaler Voraussetzungen und individueller Anforderungen verschiedener Funktionsträger innerhalb eines Betriebes. Deshalb folgte einer Out-of-the-Box-Installation bisher oft die aufwändige Anpassung durch teure kundenspezifische Programmierarbeiten.  Mit der Integration des Low-Code-Ansatzes von Mendix in Opcenter vereinfacht und rationalisiert
Siemens diese Anpassungsleistung.  Mithilfe vorgefertigter Widgets, Services,  und Konnektoren lässt sich die Software für verschiedene Aufgaben, Prozesse und Funktionen individuell und ohne tiefere Programmierkenntnisse anpassen.

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Sicht auf die Funktionsweise von Software verschiebt sich

Die Folge ist eine Verschiebung des Blicks auf die Funktionsweise von Software insgesamt. Während bisher das Gesamtsystem mit seinen verschiedenen Funktions-
bereichen im Mittelpunkt stand, werden auch komplexe Prozesse nun aus der individuellen Perspektive unterschiedlicher Funktionsträger abgebildet. Im Mittelpunkt stehen nun die unterschiedlichen Anforderungen von Maschinenführern, Vorarbeitern, Schichtleitern, Qualitätskontrolleuren und anderen Akteuren der Fabrik. Sie ziehen sich jeweils genau die Datenpunkte, die sie zur Erledigung ihrer Aufgaben benötigen, in ein individuell konfiguriertes Interface oder in eine für einen speziellen Vorgang erstellte App. Damit wird eine grundsätzliche Neuorientierung in der Welt der Shopfloor-Software eingeleitet: Im Mittelpunkt steht die individuelle Perspektive einzelner Funktionsträger. Erst aus deren vielfacher Verknüpfung ergibt sich das große Ganze.

Nach einer Umfrage des Tool-Anbieters Creatio sehen 95 % der Befragten eine deutlich schnellere Software-Entwicklung mit Low-Code-Werkzeugen als bei der klassischen Programmierung mit textbasierten Sprachen.
Nach einer Umfrage des Tool-Anbieters Creatio sehen 95 % der Befragten eine deutlich schnellere Software-Entwicklung mit Low-Code-Werkzeugen als bei der klassischen Programmierung mit textbasierten Sprachen. (Bild: Statista)

Systeme unterschiedlicher Standorte miteinander verknüpfen

Neben der sehr schnellen Erstellung individueller Applikationen ist gerade die enorme Durchlässigkeit und Verknüpfbarkeit eine besondere Stärke cloudbasierter Low-Code-Technologie. Die Möglichkeiten von Low-Code sind damit beinahe unendlich. Zusätzliche Daten und Prozesse aus angrenzenden Bereichen wie etwa Logistik, Wartung, Einkauf oder Personalverwaltung lassen sich für die jeweils individuelle Perspektive in der Fabrik mit abbilden und modular nutzbar machen. Sogar die disparaten Systeme unterschiedlicher Standorte und Anlagen können über die Plattform als eine Art Zwischenschicht miteinander verknüpft werden.  

Fällt in einer Fabrik eine Maschine aus, können zuständige Mitarbeitende automatisch Informationen erhalten, ob eine Reparatur sich finanziell lohnt, ob und wo benötigte Ersatzteile vorrätig sind, den Transport anstoßen und sehen, welche der anwesenden Teammitglieder die nötige Schulung für die Reparatur bereits absolviert haben und gegebenenfalls externen Support hinzuziehen. Dieses Beispiel zeigt, wie Low-Code über die klassischen Funktionalitäten des MES hinaus Daten und Prozesse zu integrieren vermag.

So lässt sich auf der Grundlage einer Zusammenstellung einzelner Bausteine für beinahe jede beliebige Aufgabe in kürzester Zeit eine individuelle Applikation erstellen.  Das Ergebnis ist eine ganzheitlich modulare Betriebsorganisation (holistic composable operations), die einerseits Grenzen zwischen den unterschiedlichen Teilsystemen überwindet, andererseits Funktionsträgern jeweils genau die Informationen und digitalen Prozesse zur Verfügung stellt, die sie für die Bewältigung ihre jeweilige Aufgabe benötigen.  

Enabler der agilen Change-Agenda

Damit ist Low-Code ein Enabler der agilen Change-Agenda, die viele Unternehmenslenker ohnehin einfordern. Denn tatsächlich wird die Digitalisierung der industriellen Produktion nur gelingen, wenn sie weniger als ein aus der Vogelperspektive geplantes System und mehr als ein aus dem individuellen Wissen zahlreicher unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure getragene und organisch wachsende Struktur verstanden wird. Voraussetzung für diesen höheren Grad an Komplexität insgesamt ist eine Reduktion an Komplexität für jede und jeden einzelnen. Indem sich über Mendix auf einer visuellen Oberfläche einzelne Elemente sehr schnell und einfach auch zu umfassenderen Applikationen zusammenstellen lassen, befördert die Plattform den Perspektivwechsel hin zu einer agilen Arbeitsweise. Ergebnis ist eine Kunst des Möglichen, die den Laden am Laufen hält und gleichzeitig Raum für Innovationen schafft. 

Diese Herangehensweise ist umso notwendiger, je disparater Produktionslandschaften zusammengesetzt sind. Gerade Unternehmen mit zahlreichen mitunter weltweit verteilten Standorten, die teilweise im Zuge einer Globalisierungsstrategie aufgebaut bzw. zugekauft worden waren, sind nicht selten darauf angewiesen, den Betrieb mit lokalen und historisch gewachsenen Anwendungslandschaften weiterzubetreiben. Diese gewachsenen Strukturen und Prozesse stellen für den jeweiligen Standort eine wichtige Wettbewerbsdifferenzierung dar und lassen sich in der Regel nur sehr schwer durch Standardprogramme ersetzen.

Gleichzeitig wollen die Unternehmen jedoch die Daten, Prozesse und das intellektuelle Kapital aus diesen Einheiten bewahren und für das gesamte Unternehmen nutzbar machen sowie moderne Steuerungssysteme für den Gesamtkonzern mit allen Untereinheiten etablieren. Mendix kann dafür als eine Art Zwischenschicht die Anbindung sicherstellen und den Transfer in und aus den unterschiedlichen Daten-Systemen organisieren. Dadurch schützen die Unternehmen bereits getätigte Investitionen und binden sie in die weitere Digitale Transformation mit ein.

Der schnellen, einfachen und kostengünstigen Personalisierung der digitalen Möglichkeiten eines Unternehmens bis auf die Ebene der einzelnen Mitarbeitenden oder Maschinen entspricht damit auf der anderen Seite die globale Integration der Produktionslandschaften in einer scheinbar immer stärker auseinanderstrebenden Welt. Die Herausforderungen für die IT-Organisation der Unternehmen werden unter den aktuellen Bedingungen sicher nicht kleiner. Umso wichtiger sind praktikable Lösungen, die sowohl konkret im lokalen Einzelfall und gleichzeitig weit darüber hinaus wirklich etwas bewegen.

Dr. Ing. Raffaello Lepratti
Dr. Ing. Raffaello Lepratti (Bild: Mendix)

Dr. Ing. Raffaello Lepratti

ist Global Vice President Industrial Manufacturing bei der Siemens-Tochter Mendix

In Kürze

Der Artikel beschreibt, wie Low-Code-Plattformen die moderne Fabrik verändern. Durch die Integration von Mendix Low-Code in Siemens Opcenter Execution Foundation können maßgeschneiderte Benutzeroberflächen, Datenansichten und Apps für verschiedene Funktionsträger und Nutzergruppen erstellt werden. Dies ermöglicht eine einfache Anpassung des Manufacturing Execution Systems (MES) an individuelle Anforderungen. Low-Code bietet zudem Lösungen für die Integration und Verknüpfung von Systemen an verschiedenen Standorten sowie die effiziente Erstellung individueller Applikationen. Dadurch werden komplexe Prozesse aus der Perspektive verschiedener Funktionsträger abgebildet. Low-Code dient als Enabler für agile Veränderungsprozesse und fördert die Digitalisierung der industriellen Produktion. Unternehmen können lokale Anwendungslandschaften beibehalten und gleichzeitig Daten und Prozesse für das gesamte Unternehmen nutzbar machen. Die Personalisierung der digitalen Möglichkeiten und die globale Integration der Produktionslandschaften sind wichtige Herausforderungen, die durch Low-Code-Technologie bewältigt werden können.

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