Bild 1: Die einzelnen Komponenten des VOSS-Stecksystems 272.

Bld 1: Die einzelnen Komponenten des VOSS-Stecksystems 272. (Bild: VOSS Automotive)

Kühlwasserkreisläufe in heutigen batterieelektrischen Fahrzeugen sind geprägt durch eine steigende Anzahl von Komponenten und somit auch fluidischen Schnittstellen. Umso wichtiger wird es, eine sichere Montage und Handhabung der Vielzahl an Verbindungen zu realisieren. Stecksysteme müssen intuitiv und selbsterklärend funktionieren, um sowohl den Anforderungen in der Erstmontage als auch im Werkstattalltag standhalten zu können. Gleichzeitig nimmt mit der steigenden Komplexität der Kreisläufe jedoch der Bauraum innerhalb des Fahrzeugs ab. Für die Komponenten bedeutet das, sie müssen kompakter werden und ihr Handling muss auf diesen Bauraum hin optimiert sein. Das VOSS Stecksystem 272 erfüllt all diese Ansprüche. Die Grundlage dieses neuen Systems bildet das bereits auf dem Markt etablierte VOSS Stecksystem 270 für Kühlwasser- und Thermomanagement-Anwendungen. Zusätzlich werden neue, erweiterte Anforderungen der Anwender berücksichtigt wie Steckkraftreduzierungen, Erweiterung des Produktprogramms auf große Größen, eindeutige Überwachung des ordnungsgemäßen Steckvorganges sowie eine komfortable Funktionsweise.

Systemseitige Anforderungen an das Stecksystem

Das VOSS Stecksystem 272 ist für eine Dauerbeanspruchung von 3 bar relativ und eine Dauertemperaturbeständigkeit im Bereich von -40 bis zu +120 °C ausgelegt. Eine Möglichkeit, die Lebensdauer von Komponenten für die Elektromobilität unter realen Bedingungen zu testen, ist die Erhöhung der Einsatztemperatur gegenüber dem Systemtemperaturprofil. So können Zeitrafferlebensdauerversuche innerhalb der üblichen Entwicklungszeiträume artikelspezifisch durchgeführt werden, die den hohen Anforderungen der Elektromobilität gerecht werden. Detaillierte Produktanforderungen an das neue Stecksystem wurden generisch aus verschiedenen Anfragen von Anwendern sowie in Bezug auf bereits etablierte, im Markt verfügbare, Stecksysteme nach SAE J2044 oder die stark verbreiteten VDA-Steckverbinder abgeleitet und für zukunftsgerichtete Thermomanagementsysteme zusammengeführt.

Funktionsmechanismus und Funktionslogik

Für einen eindeutigen und überprüfbaren Steckvorgang ist das VOSS Stecksystem 272 mit folgenden Eigenschaften bzw. Funktionalitäten ausgestattet: Das Stecksystem wird im unverriegelten Zustand angeliefert, das Halteelement ist radial aus dem Steckerkörper ausgerückt und lässt sich manuell nicht in die verriegelte Position bewegen.

Das Halteelement verbleibt während des gesamten Steckvorgangs in der ausgerückten Position und springt erst bei vollständig korrektem Steckvorgang in die verriegelte Position, es rastet also automatisch in den Haltekäfig ein. Hierdurch wird eine eindeutige optische, im Bedarfsfall per Kamera detektierbare Unterscheidung zwischen einem nicht, einem teilweise und einem vollständig gestecktem Stecksystem erreicht. In der Endmontageposition verfügt der Stecker über eine Druckverriegelung. Befindet sich das Kühlsystem des Fahrzeugs unter Druck, lässt sich das Stecksystem nicht vom Anschluss des Aggregates lösen.

Die Demontage kann auf zwei verschiedene Arten erfolgen. Zum einen lassen sich die seitlich herausgestellten, elastischen Entriegelungselemente am Halteelement händisch betätigen und nach außen ziehen. Zum anderen kann der Monteur über eine Tasche zwischen Steckerkörper und Halteelement einen werkstattüblichen Schraubendreher ansetzen, die Verriegelung weg vom Steckerkörper aufhebeln und somit den Stecker lösen.

Im Anschluss an die Demontage befindet sich das Stecksystem wieder in der Ausgangslage, also im unverriegelten Zustand, sodass die identische, oben beschriebene, Montage- und Demontageabfolge auch im Servicefall sichergestellt wird. Das Stecksystem ist folglich für Wiederholmontagen innerhalb eines Fahrzeuglebens ausgelegt.

Bild 2: Dargestellt ist die Montagesequenz als Bildabfolge.
Bild 2: Dargestellt ist die Montagesequenz als Bildabfolge. (Bild: VOSS Automotive)

Um den engen Bauraum im Fahrzeug und damit den verschiedenen Einbau- und Zugänglichkeitsanforderungen gerecht zu werden, kann die Ausrichtung des einseitig ausrückenden Halteelements anwendungsspezifisch durch VOSS werksseitig angepasst werden. Als Montagevarianten lässt sich die Ausrichtung in 90°-Schritten anpassen (vgl. Bild 3).

Bild 3: Die verschiedenen Ausrichtungsmöglichkeiten des Halteelementes.
Bild 3: Die verschiedenen Ausrichtungsmöglichkeiten des Halteelementes. (Bild: VOSS Automotive)

Verbesserter Bauraum

Im Fokus der Entwicklung des Stecksystems 272 stehen Steckergrößen in einer Abmessungsspanne von 16 mm ≤ freier Strömungsquerschnitt ≤ 32 mm. Somit ist das Stecksystem in der Lage, einen Großteil der im Kühlwasserbereich benötigten Volumenströme bzw. Strömungskanalquerschnitte abzudecken. Durch die Vereinfachung der Anschlussgeometrie sowie eines vorteilhafteren Verhältnisses von Außen- zu Innendurchmesser gegenüber heutigen, in dieser Applikation verbreiteten VDA-Stecksystemen, ergeben sich im Vergleich zum gängigen Stand der Technik Kosten-, Bauraum- und Druckverlustvorteile.

Des Weiteren wurde eine Gegengeometrie entwickelt, die sich sowohl einfach zerspanen als auch spritzgusstechnisch herstellen lässt. Diese zeichnet sich im Wesentlichen durch einen durchgängigen Zylinder im Dichtbereich, eine Einführfase zum sicheren und optimierten Einfädeln von Stecker und Anschlusskontur sowie einer Rastnut an deren unteren Ende aus. Große Durchmessersprünge werden an dieser Stelle vermieden, um den Späneanteil auf ein Minimum zu reduzieren, bzw. für spritzgegossene Anschlussgeometrien Materialanhäufungen zu vermeiden.

Bild 4: Die Rastnut des VOSS Stecksystems 272.
Bild 4: Die Rastnut des Stecksystems 272. (Bild: VOSS Automotive)

Reduzierung der Steckkraft um 50 Prozent

Am Markt befindliche Stecksysteme weisen insbesondere bei größeren Abmessungen sehr hohe Steckkräfte auf, was dazu führt, dass die Ergonomie-Anforderungen der OEMs nicht erfüllt werden können. Infolgedessen müssen entsprechende Dichtelemente häufig befettet oder durch Formdichtungen ausgetauscht werden. Das Stecksystem 272 löst die beschriebenen Nachteile durch einen in Wellen gelegten Standard-Rundschnur-O-Ring, wodurch sich die Montagekräfte im Gesamtsystem um bis zu 50 Prozent reduzieren lassen. Ergänzend dazu trägt das während des Steckvorgangs ausgerückte Halteelement im Zusammenspiel mit der zylinderartigen Anschlusskontur einen weiteren Beitrag zur reduzierten Montagekraft bei. So erfährt das Halteelement während des Steckvorgangs lediglich eine sehr geringe elastische Verformung und wirkt sich somit nur minimal auf die Erhöhung der Steckkraft aus – das heißt, die Steckkraft wird über das Dichtungselement definiert.

Durch den in Wellen gelegten O-Ring kommt es in der Folge zu einem steckweg-abhängigen Verformungsanteil – das Dichtungselement wird schrittweise von der Einführfase der Anschlusskontur verformt. Die elastische Verformung des Halteelementes und die schrittweise Verformung des O-Rings sind sequenziell geschaltet, sodass sich die Montagekraftspitzen der einzelnen Funktionselemente nicht summieren, sondern Montageweg-abhängig hintereinander auftreten. Das bedeutet, die Sequenz ist derart gestaltet, dass für die montierende Person haptisch ein Kraftanstieg erfahrbar ist. Der Steckvorgang mündet in einer definierten Endposition mit der selbstständigen Verrastung des Steckers und dem eigenständigen Einrücken des Halteelements, sodass ein eindeutiges haptisches, akustisches sowie optisches Signal die ordnungsgemäße Verrastung bestätigt.

Zur Ermittlung der optimalen Wellenform des Rundschnur-O-Rings wurde eine entsprechende empirische Parameterstudie durchgeführt, die das Konstruktionsoptimum für eine solche Auslegung liefert. Wie dem nachfolgenden Diagramm zu entnehmen ist, lässt sich durch eine Anpassung der O-Ring-Nut auf eine Wellenkontur, in dem hier betrachteten Bereich bestehend aus zwei Tälern und zwei Bergen, eine signifikante Reduzierung der Montagekraft erzielen. Diese geometrische Anpassung wird in etwa ab einer Wellenhöhe effektiv, die der Schnurstärke des O-Rings entspricht. Dem Graphen in Bild 5 ist zu entnehmen, dass die mögliche Steckkraftreduzierung durch die Konturgebung der Dichtlinie auf zirka 60 Prozent limitiert ist. An dieser Stelle bildet sich das Optimum aus Steckkraftreduzierung und Bauhöhe des Steckers. Zirka 80 Prozent des Potenzials zur Steckkraftreduzierung wird mit einer Wellenhöhe von etwa dem Doppelten der O-Ring-Schnurstärke erreicht und stellt damit einen guten Kompromiss für die zuvor genannten Parameter dar. Über diese Größenordnung der Steckkraftreduzierung ist eine manuelle, länger andauernde Wiederholmontage in der Serienfertigung unter Berücksichtigung der entsprechenden Ergonomie-Anforderungen erreichbar.

Bild 5: Optimale Wellenform des Rundschnur-O-Rings
Bild 5: Optimale Wellenform des Rundschnur-O-Rings (Bild: VOSS Automotive)

Schwerpunktthema: E-Mobility

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(Bild: Adobe Stock, Hüthig)

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Vielfältige Anwendungsbereiche

Das gesamte Produktprogramm des Stecksystems 272 umfasst die Steckergrößen S6 bis S32 in gängigen Abstufungen (S = Size + Innendurchmesser im Steckerbereich). In Zukunft ist eine weitere Option, kundenspezifische Komponenten für verschiedene Anwendungsbereiche zu entwickeln, wie zum Beispiel für Lkw-, Offroad- oder Industrieanwendungen. Des Weiteren können Zusatzfunktionen in das Stecksystem integriert werden. Hierzu zählen beispielsweise Temperatur- und Druckmessstellen. Sowohl die Stecker-Geometrie als auch die Anschlusskontur lassen sich in komplexe Komponenten wie Mehrfachverteiler oder Thermomanagementmodule integrieren. Dadurch ergibt sich im Bereich der Kühlwasserführung und -verteilung neben der Montagesicherheit und den reduzierten Steckkräften auch eine Reduzierung der Bauteilvielzahl.

Die sich durch den Systemaufbau ergebende robuste Konstruktion des Stecksystems eröffnet die Möglichkeiten des Einsatzes in weiteren Anwendungen außerhalb des Thermomanagements. Der Übertrag des Grundprinzips auf Baureihen für den Niederdruckbereich in Wasserstoff-Anwendungen ist ebenso möglich wie der Einsatz in Systemen für die Immersionskühlung. Für den Einsatz in Brennstoffzellensystemen sind Ausführungen als doppelt gedichtete Systeme möglich. Mit der entsprechenden Werkstoffauswahl ist das Stecksystem flexibel auf verschiedene Bedürfnisse anpassbar. Durch eine Umstellung auf elektrisch leitfähige Spritzgussmaterialien wird dieses den Anforderungen der Immersionskühlung gerecht.

Für eine eindeutige Zuordnung einer Verbindungsstelle lassen sich die Halteelemente in unterschiedlichen Farben ausführen und geben somit der montierenden Person eine zusätzliche Hilfestellung. Eine weitere Option sind automatisiert lesbare Steckindikatoren. So lassen sich kameradetektierbare Symbole oder QR-Codes aufbringen, die erfasst und montagebegleitend ausgewertet werden können. Eine manuelle Aus- bzw. Bewertung ist ebenfalls möglich. Hierzu kann dem Verriegelungselement optional eine Abdeckfläche hinzugefügt werden, die die Sichtbarkeit auf die entsprechende farbliche Symbolik im montierten bzw. unmontierten Zustand ermöglicht oder verhindert (vgl. Bild 6).

Bild 6: Beispiele für sichtbare Steckindikatoren.
Bild 6: Beispiele für sichtbare Steckindikatoren. (Bild: VOSS Automotive)

Mit der Entwicklung des Stecksystems 272 trägt VOSS maßgeblich zur einfacheren Handhabung, sowohl bei der Erstmontage als auch im Wiederholungsfall, von komplexen Kühlkreisläufen im Bereich Thermomanagement für Hybrid- und Elektrofahrzeuge bei. In diesem sich schnell wandelnden Markt erweitert VOSS als Experte für Verbindungstechnik laufend sein Portfolio, um passende Lösungen für neue Anforderungen zu entwickeln. (neu)

Autor

Swen Gmeiner ist Leiter Systementwicklung bei VOSS Automotive.

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