Trendradar 2026: Lieferketten und Beschaffungsstrategie
Fokus auf Resilienz, Regionalität und neue Lieferkettenanforderungen
Geopolitik, Regulierung und KI verändern 2026 die globalen Elektroniklieferketten. Herkunftsnachweise, Compliance, Regionalisierung und Kooperationen gewinnen an Bedeutung. Unternehmen müssen ihre Supply-Chain-Strategien neu ausrichten.
Lieferketten 2026: Herkunft, Compliance, Regionalisierung und Kooperationen prägen die Elektronikbranche. Resilienz wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor.Bussarin - stock.adobe.com
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Herkunft und Compliance werden geschäftskritisch
Die Erwartungen an Transparenz in Elektroniklieferketten
steigen spürbar. Silvio Muschter, Group CTO bei Swissbit,
beschreibt dies als grundlegende Verschiebung: „Nach Pandemie, geopolitischen Spannungen und
Exportkontrollen ist die Herkunft von Elektronikprodukten wie Speicherchips für
viele Unternehmen zu einem geschäftskritischen Faktor geworden. OEMs erwarten
Nachweise zu Herkunft, Produktionsstandorten und Compliance – vom Wafer bis zum
Modul.“
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Silvio Muschter, Group CTO bei SwissbitSwissbit
Die Anforderungen gehen heute weit über klassische
Qualitätsthemen hinaus. Ein „Trusted Supply Chain“-Label gewinnt an Gewicht,
unterstützt durch ESG-Kriterien und Audit-Ergebnisse. Für Industriekunden zählt
zunehmend der gesamte Wertbeitrag eines Produkts, nicht allein der Stückpreis.
Mit dem Cyber Resilience Act und verpflichtendem ESG-Reporting
verschärft die EU den Druck zusätzlich. Für Hersteller und Zulieferer entsteht
damit ein Transparenzniveau, das bisher primär sicherheitskritischen Märkten
vorbehalten war.
Sicherheit, Nachhaltigkeit und stabile
Verfügbarkeit prägen die Beschaffung in 2026
Marie-Pierre Ducharme, Vice President EMEA Marketing & Business Development bei Mouser,Mouser
Ähnliche Entwicklungen sieht Mouser in der globalen
Beschaffungslandschaft. Marie-Pierre
Ducharme, Vice
President EMEA Marketing & Business Development, betont: „Faktoren wie Nachhaltigkeit und Hardwaresicherheit, insbesondere im Zusammenhang mit der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, gewinnen als technische Prioritäten weiter an Bedeutung.“
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Nachhaltigkeit und Hardware-Sicherheit rücken damit an die
Spitze technischer Anforderungen. Gleichzeitig bleibt die Bauteilverfügbarkeit
volatil. Verschiebende Zolltarife und wiederkehrende Komponentenengpässe werden
auch 2026 Planbarkeit erschweren.
Ducharme hebt deshalb die Bedeutung eines autorisierten
Distributors hervor: „Ein proaktives Produkt- und Lieferketten-Lebenszyklusmanagement wird ebenso unerlässlich sein wie die Zusammenarbeit mit einem autorisierten Distributor wie Mouser Electronics.“
Services wie Lifecycle-Benachrichtigungen,
Echtheitsnachweise und Echtzeit-Updates werden zu strategischen Werkzeugen.
Unternehmen erhalten damit die Agilität, die sie benötigen, um Projekte auch in
unsicheren Marktphasen verlässlich voranzubringen.
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Lokale Halbleiterkompetenz wird wieder strategisch
Craig Johnson, VP Strategy bei Siemens EDASiemens EDA
Geopolitische Verschiebungen haben das Interesse an
regionaler Halbleiterfertigung verstärkt. Craig Johnson, VP of Strategy
bei Siemens EDA, beschreibt den wachsenden Bedarf an qualifizierten
Fachkräften: „Das wiederauflebende Interesse an der lokalen
Halbleiterfertigung erfordert qualifizierte Ingenieure, die sich mit modernen
Werkzeugen auskennen.“
Mit dem Siemens Microelectronics Mentorship Program,
gefördert durch den US-amerikanischen Chips Act, sollen Universitäten direkt
mit der Industrie verknüpft werden. Ziel ist es, künftige Chip-Designer für die
Anforderungen einer wiedererstarkenden heimischen Produktion auszubilden. Die
Lieferkette beginnt damit nicht erst bei Wafern und Foundries, sondern bei
Ausbildungspfaden und regionaler Kompetenzentwicklung.
Neue Handelsrealitäten fördern regionale Fertigung
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Auch Molex erkennt, dass globale Lieferketten unter
steigender Volatilität leiden: „Angesichts der Volatilität des weltweiten Handels steigt
der Bedarf an Lieferoptionen und regionalen Fertigungsstätten.“
Die wachsende Bedeutung regionaler Produktionsnetzwerke wird
zusätzlich durch KI-gestützte Daten- und Planungssysteme unterstützt. Molex
sieht in diesen Tools eine Grundlage für prädiktive Beschaffung und eine
intelligentere, widerstandsfähigere Supply Chain. Die Notwendigkeit, Risiken
über mehrere Regionen hinweg abzustützen, prägt damit die zukünftige
Architektur globaler Liefernetzwerke.
Stefan Schneider, Geschäftsführer der TQ-GroupTQ-Group
Stefan Schneider, Geschäftsführer der TQ-Group,
beschreibt einen klaren Trend zur Rückverlagerung bestimmter
Produktionsschritte: „Wir erleben aktuell, dass regionale Produktion wieder mehr
an Bedeutung gewinnt, um Lieferkettenrisiken und volatile Märkte zu umgehen.“
Mit Standorten in Deutschland, Slowenien, China und den USA
verfolgt TQ einen flexibel skalierten Ansatz, der geopolitische Abhängigkeiten
minimieren soll. Regionale Fertigung wird damit zu einem Werkzeug, um
Lieferketten stabiler aufzubauen, und gleichzeitig näher am Kunden zu
produzieren.
Nachfrage 2026: Wachstum in allen Technologie- und
Vertikalbereichen
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Die Marktseite zeigt ein anderes Bild: Die Nachfrage zieht
in vielen Segmenten an. Mike
Slater von DigiKey
erwartet: „Wir erwarten für 2026 Wachstum in allen Technologiesegmenten, wobei die industrielle Automatisierung eine Vorreiterrolle einnehmen wird.“
Mike Slater, DigiKeyAcacia Reinhardt, DigiKey
Besonders stark entwickeln sich Robotik, E-Mobilität,
autonome Systeme und Luft-/Raumfahrt. Auch das Maker-Ökosystem wächst weiter –
ein Indikator für breite Innovationsdynamik.
Zudem normalisieren sich laut Slater die Lagerbestände: „Die meisten Technologiebestände haben wieder ein normales Niveau erreicht … Wir stehen am Anfang des nächsten Aufschwungs in der Branche.“
Die Branche tritt damit in einen neuen Investitionszyklus
ein, getragen von stabiler Nachfrage und wachsenden Kundenvolumina.
Kooperationen werden zum zentralen Innovationsmotor
Die technische Komplexität in Elektronik und Software wächst
weiter. Dr. Matthias Traub, Managing Director bei Vector Informatik,
betont deshalb die zunehmende Bedeutung partnerschaftlicher Ansätze: „Die Komplexität moderner Elektronik- und Softwarelösungen
macht Kooperationen unverzichtbar. Kein Anbieter kann alle Technologien allein
abdecken – Geschwindigkeit und Innovationskraft entstehen durch Zusammenarbeit
…“
Vector setzt auf Co-Creation, mit Technologiepartnern und
Kunden gleichermaßen. Kooperationen werden damit nicht als Ergänzung, sondern
als grundlegende Arbeitsform verstanden, um Standards zu entwickeln,
Interoperabilität zu sichern und Innovationspfade zu verkürzen. In einem
zunehmend verflochtenen Markt verschiebt sich damit die Rolle einzelner
Unternehmen: Wettbewerb und Zusammenarbeit finden gleichzeitig statt.
Die Elektroniklieferketten des Jahres 2026 stehen an
einem Wendepunkt. Transparente Herkunft, ESG-Compliance und regulatorische
Anforderungen bestimmen zunehmend die Einkaufsentscheidungen. Regionale
Produktion, resiliente Netzwerke und prädiktive Systeme werden zu zentralen
Gestaltungselementen. Gleichzeitig eröffnet ein neuer Marktzyklus
Wachstumschancen, die durch Kooperationen und starke Partnernetzwerke besser
ausgeschöpft werden können.