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Entwicklungen, die auf die Gemeinschaftlichkeit und Vermehrung des Gemeinwohls aufbaut, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit. Auch in der Technik ist dieser Ansatz längst bekannt, allerdings hat es bis in die 1990er Jahre gedauert, bis das Interesse an dem Phänomen Open-Source-Software mit der Etablierung von Linux und der Veröffentlichung des Quellcodes für den Browser Netscape auch die breite Masse erfasste.

Tatsächlich tauchte der Begriff „Open Source“ erst in den späten 90ern zum ersten Mal auf, als die Open-Source-Initiative (OSI) zur Unterstützung der gemeinschaftlichen Entwicklung (Collaborative Development) als Bildungs-, Vertreter- und Verwaltungsorganisation aufgestellt worden war. Obwohl sich ein Großteil der Aufmerksamkeit auf OSS (Open-Source-Software) richtete, wurden damals auch die ersten Samen der Open-Source-Hardware (OSHW) gesät.

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Bild 1: OSHW kann der Gesellschaft und der Welt durch kreative Beiträge große Dienste leisten, die jeden Aspekt möglicher Bedenken abdecken. Mouser

1997 brachte Bruce Perens, der Schöpfer der Open-Source-Definition, Mitbegründer von OSI und begeisterter Funkamateur, ein Zertifizierungsprogramm für „Open Hardware“ auf den Weg. Damit gab er Hardwareherstellern die Möglichkeit, ihre Produkte in Eigenregie als offen zu zertifizieren, inklusive Zusagen über die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit der Dokumentation für die Programmierung der Gerätetreiber. Händler von zertifizierten Bauteilen und Geräten konnten daraufhin ihre Verpackungen und Gehäuse mit dem Logo für „Open Hardware“ versehen und in der Werbung darauf hinweisen, dass ihre Geräte zertifiziert seien. Diejenigen, die zertifizierte Teile und Geräte gekauft haben, konnten sich sicher sein, dass eine Änderung im Betriebssystem oder sogar das Verschwinden des Herstellers es nicht mehr unmöglich machen würde, eine neue Software für ihre Geräte zu schreiben. Es war das erste Mal, dass das Open-Source-Konzept auch auf die Hardware angewendet worden war.

Der zweite Anlauf

1998 kam ein andere Gruppe mit ihren eigenen Vorstellungen darüber, was offene Hardware sein solle: David Freeman, der das OHSpec ankündigte (Open Hardware Specification Project), Troy Benjegerdes, der ein unternehmerisches Venture mit dem Ziel ins Leben rufen wollte, das Konzept der Open-Source-Software auf den Entwurf und die Entwicklung von Hardware anzuwenden, und Reinoud Lamberts, der mit Open-Design-Circuits eine Website ins Netz stellte, die ausschließlich dem gemeinschaftlichen Entwurf von kostengünstigen und offenen Schaltungen diente.

Eckdaten

Seit den 90er Jahren hat sich Open-Source-Software fest etabliert. Open-Source-Hardware hat es dagegen sehr viel schwerer. Inzwischen existieren aber sehr viele Projekte, die offene Hardware anbieten. Der Beitrag diskutiert, was eine offene Hardware wirklich ausmacht und plädiert für eine konsequente Umsetzung, statt den Begriff nur als Marke zu verwenden.

Ein Jahr später haben Dr. Sepehr Kiani, Dr. Ryan Vallance und Dr. Samir Nayfeh sich zusammengetan, um die Open-Source-Philosophie auf Maschinenentwurfsanwendungen zu übertragen. Sie stellten die ODF (Open Design Foundation) als Non-Profit-Unternehmen auf und nahmen sich vor, zusammen eine Open-Design-Definition zu entwickeln. Bei all den verschiedenen Formen von OSHW lautet die Standarddefinition heute „Hardware, deren Baupläne öffentlich zugänglich sind, sodass alle sie studieren, verändern und weiterverbreiten sowie darauf basierende Hardware herstellen und verkaufen können.“

Nachbauen und verbessern

Bei der OSHWA (Open Source Hardware Association) heißt es in etwa weiter: „Die Ursprungsdateien der Hardware, die Dateien mit denen sie produziert wird, sind in einem Format verfügbar zu machen, das sich für Veränderungen eignet. Im Idealfall nutzt Open-Source-Hardware fertig erhältliche Komponenten und Materialien, Standardprozesse, offene Infrastrukturen und frei nutzbare Inhalte, um damit die Möglichkeiten aller zu maximieren, die Hardware zu bauen und zu verwenden. Open-Source-Hardware gibt Menschen die Freiheit, ihre Technik zu kontrollieren während sie Wissen teilen und sie fördert mit dem offenen Austausch von Bauplänen den Handel und das Gewerbe.“

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Bild 2: Arduino stellt quelloffene Plattformen für das Elektronik-Prototyping her, die durch flexible und nutzerfreundliche Hard- und Software überzeugen. Mouser

Trotz des anfänglichen Feuerwerks an Initiativen in den späten 90ern, verliefen die meisten der vorgenannten Aktivitäten innerhalb von einem oder zwei Jahren nach ihrer Entstehung im Sande. Erst Mitte der 2000er sollte Open-Source-Hardware wieder richtig Fahrt aufnehmen und mehrere große OSHW-Projekte und -Unternehmen hervorbringen, beispielsweise Open Cores, Reprap, Arduino, Intel IoT on Instructables und das Open Prosthetics Project (weil Prothesen einen nicht das letzte Hemd kosten sollten).

Greifbare Objekte

OSHW unterscheidet sich von OSS allein schon dadurch, dass es sich hier um reale Objekte handelt, also Maschinen, Geräte oder andere physische Gegenstände. Laut OSHWA-Regularien muss jeder, der Dinge unter einer OSHW-Lizenz herstellt, verdeutlichen, dass diese Dinge „nicht vom Originalentwickler hergestellt, verkauft, mit Garantieversprechen versehen oder anderweitig unterstützt werden“. Auch darf er keine Schutz- oder Handelsmarken verwenden, die Eigentum des Originalentwicklers sind.

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Bild 3: Intel Edison Board for Arduino sind für Arduino-Anwender gedacht. Diese ähneln dem Arduino Yun (Arduino Sketch, Linux, Wi-Fi und BT) und sind kompatibel zum Arduino Uno. Mouser

Die Hardware muss mit ihrer Dokumentation und allen Entwurfsdatensätzen veröffentlicht werden und das Bearbeiten und Weiterverbreiten ermöglichen. „Quelldateien sind eigentlich alles, was beschreibt, wie man das Produkt herstellt. Für einige Dinge ist es ein Schnittmuster, für andere sind es Schaltpläne und Leiterplattendateien, und für wieder andere sind es CAD-Zeichnungen oder STL-Dateien“, erklärt Alicia Gibb, Gründungspräsidentin von OSHWA, und ergänzt: „Mit anderen Worten: Wenn jemand anderes Ihre Hardware nachvollziehbar nach Ihren Dateien nachbauen könnte, dann wissen Sie, dass Sie die Quelle zur Verfügung gestellt haben.“

Quellcodes verfügbar

Legal gesehen fallen die Quellendateien unter das Urheberrecht (Copyright), sodass wie bei Software ein Copyleft oder eine GPL-Lizenz reichen würde. CC0, CC-BY und CC-BY-SA sind ebenfalls Open-Source-Lizenzen. Die Hardware ist allerdings nicht automatisch geschützt wie ein Copyright. „Die Hardware ist von der Natur der Sache her offen, solange sie nicht patentiert ist. Das Veröffentlichen des Designs und des Produkts schaffen darüber hinaus einen Stand der Technik, der sicherstellt, dass sich niemand anderes Ihre Arbeit patentieren lassen kann“ betont Gibb. Trotzdem drängt sich eine oft gestellte Frage auf: „Wie offen ist der Großteil der vorhandenen Open-Source-Hardware wirklich?“

„Meist nicht sehr offen“, meint Stefania Druga, Gründerin bei Hackidemia, einem globalen Netzwerk für den Entwurf von Workshops und Kits, mit denen Kinder durch Neugier, Spiel und  Einfühlungsvermögen globale Herausforderungen meistern können. Druga erklärt, dass sie schon oft eine „offene“ Leiterplatte oder Maschine bestellt hat – wie zum Beispiel einen 3D-Drucker oder eine Lasermikrobearbeitungsanlage – und nachher feststellen musste, dass nicht nur die Pläne schwer zu finden waren, sondern dass die Begleitdokumentation und die Wikis entweder unklar, inkonsistent, oder beides waren. „Ich habe den Eindruck, dass sich offene Hardware zu einer coolen Marke entwickelt hat, hervorgegangen aus der wachsenden Maker-Bewegung, aber nur sehr wenige Personen, die es nutzen, respektieren die Richtlinien über die Weiterverbreitung und Zugänglichkeit wirklich“, berichtet sie. Druga ist davon überzeugt, dass es unbedingt notwendig sei, die Verbindung zwischen „offen“ und „zugänglich“ herzustellen, und bemerkt weiter: „Warum sollte man ein Open-Source-Projekt aufstellen, wenn die Pläne, Schaltpläne und der Code kaum zu finden sind? Das ist so, als wenn man sagen würde, dass man gerade Kekse gebacken hätte, aber keinem verrät, wo sie sind.“

Kritik am Status Quo

Druga ist beileibe nicht die einzige OSHW-Anhängerin, die mit dem Status Quo unzufrieden ist. Viele in der Gemeinschaft machen sich Sorgen über möglichen Missbrauch, wie man an Hunderten von Kommentaren zum Marken-Skandal um Arduino auf Github sehen kann, oder an den Reaktionen im OSH-Forum. Die missbräuchliche Verwendung des Begriffs „offen“ ist aber nicht nur auf Boards begrenzt. Mit der zunehmenden Verbreitung der Maker-Bewegung werden sogar Bereiche wie die Automobil- und Möbelindustrie durch die missbräuchliche Verwendung des Begriffs heimgesucht. Druga konnte mehrere Fälle aufzeigen, bei denen das OSH-Logo deutlich sichtbar auf der Seite oder Präsentation eines Unternehmens prangte, obwohl es nicht dem Standard entsprochen hatte. „Die Leute erwarten einfach, dass Schaltpläne und Code offen sind – überprüft wird das im Normalfall allerdings fast nie“, weiß sie.

Infokasten

Mouser Electronics hat eine Website für die wahre Open-Source-Hardware eingerichtet. Mit ihrer Hilfe können Entwickler schnell das richtige Board für ihr Projekt auswählen. Das Projekt legt die erforderlichen Eigenschaften fest und mithilfe einer Matrix kann man schnell 30 verschiedene Eigenschaften/Parameter vergleichen, wozu neben Art und Taktung des Prozessors auch der Speicher und die Erweiterbarkeit zählen. Ebenso geht es um kabellose und kabelgebundene Vernetzung, Optionen bei der Bedienerschnittstelle, Videoanschlüsse und vieles mehr. Relevante und aktuelle Dokumentation wird an einer Stelle zusammengefasst, inklusive Benutzerführung, Schaltplänen, Layout-Dateien und unterstützender Software für eine gründliche Bewertung jedes Boards.

Diese Täuschung scheine sich hauptsächlich wegen der nicht vollständig geklärten Rechtslage ausbreiten zu können, unter die die OSHW momentan fiele. Außerdem versage die Industrie dabei, OSHW zu respektieren und sich zu ihr zu bekennen. Oberflächlich gesehen haben die Rechtsfragen im Umfeld der offenen Daten und offenen Hardware vieles gemeinsam mit den juristischen Auseinandersetzungen bei der offenen Software. Die Lizenzierung von Open-Source-Software ist rechtlich gesehen mittlerweile allerdings in ziemlich trockenen Tüchern, während die OSHW-Lizenzierung noch in den Kinderschuhen steckt und jede Menge Platz für Wachstum und Entwicklung hat.

Trotzdem ist OSHW immer noch sehr vielversprechend. Ein schönes Beispiel ist Farmbot von Rory Aronson, ein Projekt zur Öffnung der Agrartechnik für jedermann, damit Menschen ihre Nahrung so effizient wie möglich erzeugen können. Oder Precious Plastics, eine Reihe von Open-Source-Maschinen, die Dave Hakkens dazu benutzt, Plastikabfälle in neue und nützliche Dinge zu verwandeln. Mit Wiki House gibt es sogar ein Open-Source-Bauprojekt, bei dem die Anwender sich gratis Dateien herunterladen, Sperrholz kaufen und mithilfe eines CNC-Nuthobels ihre eigenen Entwürfe ausschneiden. Die Teile schnappen dann ineinander wie ein riesiges Puzzle (mit Anleitung). Man kann sogar Holzhämmer aussägen, um damit die Verbindungen zusammenzuzimmern. Das Team hinter Zenman Energy wiederum arbeitet an der Entwicklung eines billigen Solarkonzentrators, um Sonnenenergie mithilfe von Open-Source-Hardware zu nutzen.

Hindernisse abbauen

Von Open-Source-Bienenstöcken über den Bau von Open-Source-Autos bis hin zum Open-Source-Elektrokardiografen – Enthusiasten der Open-Source-Hardware-Szene versuchen begeistert Hindernisse niederzureißen.

Sylvie Barak

ist Senior Director bei FTI Consulting und hat diesen Beitrag für Mouser verfasst.

(lei)

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