Ein Roboter trägt den Klebstoff gleichmäßig und vor allem punktgenau in exakt der jeweils erforderlichen Menge und Schichtdicke auf.

Ein Roboter trägt den Klebstoff gleichmäßig und vor allem punktgenau in exakt der jeweils erforderlichen Menge und Schichtdicke auf.ABB

Bislang werden weltweit nur 10 % von rund 20 Milliarden Schuhen pro Jahr automatisiert oder teilautomatisiert gefertigt.Speziell für den Prozess der Direktansohlung durch Anspritzen oder Ankleben der Sohle an den Schaft des Schuhes stellt der Maschinenbauer Klöckner Desma Schuhmaschinen entsprechende Fertigungsanlagen her. Mit dabei: Industrieroboter von ABB. In diesen Anlagen hat das Unternehmen mittlerweile in fast 30 Jahren mehr als 1.100 Roboter verbaut. Der Einsatz von Robotern ist dabei unverzichtbar, denn nur sie können die hier erforderlichen komplexen Bewegungsabläufe schnell, sicher und in reproduzierbarer Qualität ausführen. Dabei arbeiten sie – auf Dauer gesehen – sehr zuverlässig: Die durchschnittliche ausfallfreie Betriebszeit für Industrieroboter liegt bei über 80.000 Stunden.

Die Roboterisierung der Fertigungsschritte bietet gegenüber Sondermaschinen oder komplexen Spezialanlagen Vorteile: Sie ist kostengünstiger, wartungsfreundlicher und flexibler in der Anwendung. So sind bei Modell- oder Formatwechseln meist nur andere Steuerungsprogramme, Greifer- oder Werkzeugwechsel sowie unter Umständen andere Aufspannvorrichtungen erforderlich. Das verkürzt die Rüstzeiten. Mit den Software-Lösungen von ABB für die Robotik können die Schuhhersteller zudem eigenständige, an ihren Bedarf angepasste Applikationen erstellen.

Fertigungstrends in der Schuh-Herstellung

Nach Einschätzung von Christian Decker, einem der beiden Geschäftsführer bei Desma, ist die Automatisierung in der Schuhproduktion ein Muss. Steigende Lohnkosten sowie die sinkende Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter in der Schuhindustrie seien die Hauptgründe dafür. Das gelte auch für China, wo Automation immer mehr an Bedeutung gewinne. Die zukünftige Massenproduktion in China beruht nach seiner Ansicht nicht mehr auf billigen Arbeitskräften, sondern zunehmend auf roboterbasierter Fertigung. Das gelte aber nicht nur für China, sondern auch für die Produktionsstandorte in Europa und den USA. Nur mit intelligenter, robotergesteuerter Automation können sie noch kosteneffizient produzieren – auch bei kleinen Losgrößen bis hin zur Fertigung von individuellen, passgenauen Schuhen mit der Losgröße 1.

Robotergestützte Automation prägt immer mehr das Bild der industriellen Schuhproduktion.

Robotergestützte Automation prägt immer mehr das Bild der industriellen Schuhproduktion.ABB

Fertigungsanlage basiert auf dem Rundtisch-Prinzip

Die Schuhfertigungsanlagen von Desma sind nach dem Prinzip des Rundtisches gebaut und bestehen je nach Anforderungen aus 12, 18, 24 oder 30 Schließeinheiten mit ebenso vielen, im Karussell umlaufenden, schwenk- und absenkbaren Leisten. Um diese Schuhmaschine herum sind die einzelnen Roboterstationen, die Spritzgießeinheit, Inspektions- und Wartungs- sowie manuelle Arbeitsplätze zum Aufleisten der Schäfte und dem Ausleisten der fertigen Schuhe angeordnet. Wie üblich, arbeiten die Roboter im rauen Produktionsalltag getrennt vom Bedienpersonal hinter Sicherheitszäunen.

Das Programmieren der Roboter kann über klassisches Teaching am Programmierpanel des Roboter-Herstellers erfolgen. Auf Wunsch integriert der Schuhmaschinenbauer auch eigene, speziell an die Anforderungen der Schuhindustrie angepasste Assistenzsysteme, die diesen Prozess verbessern und so Anlagenstillstände reduzieren. Dazu hat Desma die Software GRC (Graphical Robot Control) als Plug-In für die ABB-Roboter entwickelt. Die nächste Ausbaustufe enthält ein PC-basiertes Offline-Programmiersystem mit speziellen Funktionen für die Schuhindustrie. In der High-End-Version kann das System dann auch inline die Roboterbahnen selbständig generieren und so flexibel auf Toleranz- oder Bauteilabweichungen reagieren. Die Kommunikation zwischen Maschinen und Robotern erfolgt auf Prozessebene und für Sicherheitssignale über binäre Signale und Feldbus-Technik. Die erweiterte Kommunikation, soweit sie für den Produktionsprozess nicht zwingend erforderlich ist, erfolgt über TCP/IP.

Mit diesem Konzept stellen die Schuhfertigungsanlagen bis zu 150 Paar Schuhe pro Stunde her, was einer Taktzeit von 12 s pro Schuh entspricht. Die Robotertaktzeiten betragen dabei je nach Aufgabe zwischen 4 und 10 s, die Wechselzeiten für das Weitertakten der Rundtischanlage 2 bis 4 s. Mit einer Bahngenauigkeit von ± 0,1 mm erfüllen die Roboter die an sie gestellten Präzisionsanforderungen, denn in der Schuhindustrie liegen die üblichen Toleranzen aufgrund der eingesetzten Werkzeuge und Prozesse bei ungefähr ± 0,5 mm.

Das speziell für die Anforderungen der Schuhindustrie entwickelte Bedienpanel ermöglicht intuitives Steuern und einfaches Offline-Programmieren der Roboter.

Das speziell für die Anforderungen der Schuhindustrie entwickelte Bedienpanel ermöglicht intuitives Steuern und einfaches Offline-Programmieren der Roboter.ABB

Roboter sprüht sparsamer und präziser

Beim Spritzgießen von Polyurethan-Sohlen sorgen Trennmittel für ein einfaches und sicheres Entnehmen der Sohlen aus der Form. Dabei kommt es darauf an, nicht zu viel oder zu wenig Trennmittel in die Form zu sprühen. Das punktgenaue und exakt dosierte Auftragen des Trennmittels unterstützt ein robotergeführtes elektrostatisches Sprühsystem von Desma. Das Auftragen übernimmt ein Roboter vom Typ IRB 1600. Vorteile des Verfahrens sind ein geringerer Trennmitteleinsatz, ein leichteres Entformen, eine höhere Produktqualität sowie höhere Standzeiten der Formen.

Kraftgeregelte Roboter rauen materialgerecht auf

Sohle und Schaft müssen vor der Verklebung gezielt aufgeraut werden. Dabei erfordern die unterschiedlichen Materialien jeweils individuell angepasste Bearbeitungsgeschwindigkeiten und Anpressdrücke. Dies übernimmt ein kraftgeregelter Rau-Roboter auf Basis des IRB-2600-Roboters, in dessen Handgelenk ein schwenkbar gelagerter Aufrauvorsatz mit rotierendem Werkzeug integriert ist. Mit der Kraftregelung lässt sich die Anpresskraft innerhalb einer Kontur variieren. Weiter ermöglicht der Rau-Roboter ein effizienteres sowie jederzeit reproduzierbares, konturgenaues Rauen – und damit eine bessere Haftung der Sohle am Schaft. Das hier geforderte hohe Niveau lässt sich nur mittels Roboter-Bearbeitung erzielen.

Klebstoff-Sprühroboter arbeitet mengen- und punktgenau

Das Verkleben von Sohle und Schaft sowie den unterschiedlichen Sohlenschichten übernimmt ein von Desma entwickelter Klebstoff-Sprühroboter – er basiert auf einem IRB-1600-Roboter. Er trägt den Klebstoff gleichmäßig und vor allem punkt- und mengengenau auf. So sorgt die Robotik für einen geringeren Klebstoffverbrauch und eine sichere Haftung der zu verklebenden Komponenten.

Bei ausreichend langen Taktzeiten der Fertigung können Roboter zwei Jobs übernehmen – beispielsweise Aufrauen und Einlegen von Stahlsohlen für Sicherheitsschuhe.

Bei ausreichend langen Taktzeiten der Fertigung können Roboter zwei Jobs übernehmen – beispielsweise Aufrauen und Einlegen von Stahlsohlen für Sicherheitsschuhe.ABB

Kombi-Roboter und klassische Handhabungsaufgaben

Sind die fertigungsbedingten Taktzeiten länger als für einen bestimmten Roboter-Arbeitszyklus erforderlich, bietet es sich an, den Roboter alternierend für zwei Aufgaben zu nutzen. Mit einem Kombinationskopf bestückt kann er beispielsweise das Aufrauen und Klebstoffsprühen oder das Aufrauen und Einlegen von Stahlsohlen übernehmen. Roboter bewähren sich auch bei den klassischen Aufgaben wie monotonen oder fehleranfälligen Pick-and-Place-Aufgaben, beispielsweise dem Positionieren von Leisten, Sohlenteilen, Stahlsohlen oder Stollen sowie beim Übergeben und Entnehmen von Schuhen, Stiefeln und Sohlen an andere Arbeitsstationen.

Teile-spezifische Roboterbearbeitung in der Serienfertigung

Desma hat außerdem eine Roboterzelle für das Ankleben von Sohlen mithilfe eines IRB-1600-Roboters entwickelt. Der Vorteil davon ist, dass sich damit auch kleinere Losgrößen wirtschaftlich automatisiert fertigen lassen und damit individuelle Kundenwünsche erfüllt werden können. Das ist besonders für europäische Schuhhersteller interessant, die so eine kostengünstige, marktnahe Fertigung im hochpreisigen Europa realisieren können. Die vollkommen autark arbeitende Sohlenbearbeitungszelle lässt sich sowohl als Stand-alone-Lösung einsetzen oder in existierende Produktionslinien integrieren. Das Plug-and-Play-Konzept der Roboterzelle ermöglicht einen schnellen Aufbau und eine sofortige Produktionsaufnahme, da der Schuhmaschinenhersteller alle vom Schuhhersteller benötigten Funktionen vorher bei ausführlichen Probeläufen und Funktionstests prüft.

Bei der Fertigung entnimmt der Maschinenbediener die unterschiedlichen Sohlen aus einem Magazin und legt sie auf das Förderband. Aufgrund technischer Fertigungstoleranzen sind diese Sohlen nie zu 100 % identisch. Deshalb erfasst beim Einschleusen der Sohlen in die Zelle ein automatischer Detektor zunächst deren Geometriedaten, die Position und Orientierung auf dem Förderband. Aus diesen Daten generiert das Auswertungsprogramm innerhalb von 2 bis 3 s ein individuelles Steuerprogramm zum Bearbeiten der jeweiligen Sohle und überträgt es an die Robotersteuerung IRC5. Der Roboter kann sowohl die Außenkonturen der jeweiligen Sohle konturgenau abfahren als auch den Kleber je nach Anforderungen mit unterschiedlichen Sprühbildern auftragen. Die hohe Präzision und die Geschwindigkeit der Handachsen ermöglichen ein schnelles Umorientieren des Sprühkopfes bei komplexen Sohlenkonturen – daraus resultieren letztlich kurze Taktzeiten von nur 10 s pro Schuh.

Nach dem Kleberauftrag löscht das System das soeben verwendete Bearbeitungsprogramm und übernimmt das nächste Sohlenbearbeitungsprogramm vom Detektor. Geschäftsführer Decker hebt hervor, diese Roboterlösung sei eine Neuheit im Schuhsektor. Der großer Vorteil sei dabei, dass sich Längenabweichungen und andere prozessbedingte Qualitätsschwankungen automatisch kompensieren. Vor allem könne man dank der Robotertechnik bei kleineren Losgrößen die Fertigungskosten in den Griff bekommen – bis hin zur Individualfertigung von Schuhen mit der Losgröße eins.

Hans Fritsche

arbeitet beim RGT Redaktionsbüro Gerd Trommer in Gernsheim.

(mf)

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