Der "Fachkräftemangel im Maschinen- und Anlagenbau nimmt zu", lautete eine Meldung des VDMA aus dem April 2022. Auch anderswo ist der Tenor immer gleich: es fehlen qualifizierte Arbeitskräfte an vielen Ecken und Enden. Auch wenn es bereits vereinzele Maßnahmen gibt, wird das Problem nicht kleiner. In Umfragen werden oft Roboter als Lösung für den wachsenden Fachkräftemangel genannt. Besonders Erwerbstätige, die beruflich mit Robotern gearbeitet haben, teilen diese Ansicht: Sie sind sicher, dass Roboter die aktuelle Lücke auf dem Arbeitsmarkt schließen können. Deutschland ist zwar bereits der mit Abstand größte Industrie-Roboter-Markt in Europa, weltweit gesehen jedoch ‘nur‘ auf Platz 4. Hier wäre also noch viel Luft nach oben. In Zahlen ausgedrückt: 2020 kamen in Deutschland auf 100.000 Mitarbeiter 371 Roboter-Einheiten. In Südkorea, dem Platz 1 der Welt, sind es mit 932 fast das Dreifache.
Natürlich lässt sich nicht jede Arbeit mit einem Roboter automatisieren, aber bei den prognostizierten 5 Millionen Fachkräften, die in Deutschland bis 2030 fehlen könnten, sich auch Tätigkeiten dabei, die "händisches Anpacken" beinhalten.
An dieser Stelle kommt jetzt der Deutsche Robotik Verband (DRV) ins Spiel. Dieser hat Anfang September ein Konzeptpapier veröffentlicht, das einen Weg aus dem Fachkräftemangel aufzeichnet. Gleich zu Beginn vergleichen Sie das Problem der Gesellschaft mit dem berühmten Frosch im Wasser, der nicht merkt, wie das Wasser um ihn herum immer heißer wird...bis es zu spät ist. Roboter könnten dagegen "sukzessiv zum Wohl aller eingesetzt werden." Letztlich gehe es in dem Papier um alle Bereiche der Robotik, also auch die Pflege.
Warum die Zuwanderung den Fachkräftemangel nicht lösen wird
Als einer der ersten Punkte, will der DRV die von Wirtschaftsverbänden als Lösung vorgeschlagene Zuwanderung den Zahn ziehen. Zwar werde es "ohne Zuwanderung nicht gehen." Doch beim "Idealszenario" von 5 Mio. angeworbener Fachkräfte entstünden neue Probleme, etwa der verknappte Wohnraum sowie ein möglicher Lehrermangel, um die mitkommenden Kinder auszubilden. Denn Fachkräfte kommen natürlich nicht immer allein. Zwar "gehen die Baby-Boomer in Rente, werden aber noch viele Jahre leben und somit noch ihre bisherigen Wohnungen/ Häuser weiter nutzen."
Zudem führt der DRV als Argument an, dass es die 5 Millionen Fachkräfte zum Anwerben gar nicht gebe, da sie in ihren Heimatländern selbst gebraucht werden. Haben sich klassische Zuwanderungsländer wie Polen selbst gut entwickelt und ihrerseits damit begonnen, ausländische Arbeitern einzustellen.
Roboter als Helfer – meine Meinung
Es ist nur konsequent, dass der Deutsche Robotik Verband (DRV) Roboter als Mittel der Wahl in den Ring wirft, wenn es um die Bekämpfung des drohenden Fachkräftemangels geht. Abseits der wirtschaftlichen Interessen, unterstütze ich die symbolische Forderung! Vor allem der langfristige Aspekt, dass schon Schüler mit dem Thema Robotik in Kontakt treten müssen, ist nur logisch. Das gilt meiner Meinung nach auch für Felder wie Programmieren und ähnliche Themen. Immerhin wächst da die Zukunft der Welt heran und diese ist nun einmal digital.
Warum Roboter besser als früher Fachkräfte unterstützen können
Wurden Roboter früher oft als Gefahr gesehen, die "uns die Arbeit" wegnehmen könnte, ist die Idee, dass Roboter sogenannte DDD-Aufgaben übernehmen können, nicht neu – DDD steht hier für Dull, Dirty, Dangerous, also gefährlich, schmutzig und langweilig. Laut DRV könnten jedoch Roboter "als Folge der technologischen Entwicklungen der vergangenen Jahre bereits heute in weit mehr Bereichen als zuvor eingesetzt werden. Sie sind flexibler, einfacher zu bedienen und erkennen so langsam selber was sie zu tun haben." Die ersten Roboter können bereits zusammenarbeiten – Stichwort Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK). Zusätzlich könnten Roboter, die über zwei Armee verfügen (z.B. Yumi von ABB oder Baxter von Rethink Robotics) und d.h. die Funktion menschlicher Hände nachbilden.
Zudem kamen "gerade in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche weitgehend schlüsselfertige Lösungen auf den Markt." Schweißroboter könnten beispielsweise selbst kleine Serien kostengünstig schweißen und so einen Teil der Schweißer ersetzen, die es gar nicht mehr gibt. Palettierroboter bepacken anstelle von Menschen Paletten und heben so je Schicht Tonnen an Gewicht. Diese ergonomisch verheerende Tätigkeit, die den Körper verschleißen hätten zuvor Mindestlohnempfänger ausgeübt, die nun etwas anderes tun.
Auch abseits der Industrie, etwa in der Gastronomie kommen laut DRV verstärkt Service-Roboter zum Einsatz. Dieses Beispiel verdeutliche die Kernbotschaft des Papiers: "Es geht nie um den vollständigen Ersatz der Mitarbeiter, sondern um den Ersatz der nicht mehr verfügbaren, aber benötigten Kräfte."
Wo sind all' die Entwickler hin?
Ein ganzer anderes Problem speziell bei Entwicklern zeigte Maria Piechnick, CPO & CoFounder von Wandelbots, in ihrer Keynote "Windows for Robots“ auf der hub:disrupt 2021 auf: Nur 1 von etwa 525 Entwicklern kann beim Thema Roboter helfen! Der Rest sei "damit beschäftigt, die Welt zu retten". Dazu blendete sie die Logos von Google, Amazon, Apple und weiteren großen Konzernen ein.
Um dem Papier den abstrakten Charakter zu nehmen, führt der DRV auch weitere Beispiele auf, bei denen Roboter unterstützen könnte. Etwa der mobile Roboter, der eine Dachfolie schneidet und verlegt. Die Digitalisierung am Bau durch “BIM” (Building Information Modeling) und die damit verbesserte Datenlage, erleichtere solche Anwendungen.
Darüber hinaus sieht der DRV auch ein Problem: "Die Chancen zur Lösung vieler Probleme mittels Robotik sind vorhanden. Eine Sicherheit, dass das Vorhaben zum Erfolg führt, gibt es aber nicht." Entsprechend vorsichtig werden daher die Beteiligten sein. Gerade Branchenvertreter aus Handwerk oder Industrie hätten in der Vergangenheit noch keinen sonderlichen Bezug zur Robotik. Industrie-Unternehmen wiederum fehlt die Erfahrung bei der Finanzierung von Startups. Entsprechend werden sie das Risiko scheuen.
Wie kann der Staat KMUs bei der Robotik unterstützen?
Hier sieht der Deutsche Robotik Verband eine mögliche Unterstützerrolle des Staates, wie er es durch Förderung zum Teil schon tut. Direkte Fördergelder sind im Hinblick auf die angespannte Finanzanlage seien jedoch aktuell kaum zu erwarten. Denkbar wären hingegen "leichtere KfW-Kriterien (keine persönliche Haftung bei 100% Risiko-Übernahme seitens der Staatsbank) und möglicherweise ein temporär befristeter Wettbewerbsschutz: Sind sich die Vertreter einer Branche einig gemeinsam eine Lösung entwickeln zu wollen, die es zuvor nicht gab, erscheint es akzeptabel, wenn aus Sicht von z.B. drei Jahren nur diese Lösung zugelassen würde. (Den Entwicklern würde so zunächst ein Monopol-Gewinn zugestanden als Ausgleich für das Risiko des Scheiterns.)"
Ansonsten könnte der Staat regulatorisch unterstützen: etwa durch eine vereinfachte Zulassung und Prüfung von Roboter-Applikationen. Auch persönlich könnte Politiker aktiv werden, indem sie den Nutzen der Robotik hervorheben. Allerdings: Noch immer würden Roboter als Arbeitsplatzvernichter und somit als Gefahr angesehen.
Auch die Bundesländer, die für die Erstellung von Lehrplänen verantwortlich sind, nimmt der DRV in die Pflicht: Schüler sollten früh an die Robotik herangeführt werden. Allerdings sollten dabei richtige Roboter zum Einsatz kommen und keine Lego-Modelle. Das hätte auch langfristige und nachhaltige Effekte.
Wie kommt der DRV auf die 1 Millionen Roboter?
Hier gibt der Verband zu, dass es sich mehr um einen symbolischen Wert handelt als um eine konkrete Zahl. "Die [...] 1 Mio. Robotern wurde nicht berechnet, erscheint aber realistisch. Als Ziel-Bereiche sind neben den Unternehmen, die Gastronomie, bestimmte Dienstleistungen, das Handwerk, die Landwirtschaft und die Pflege incl. Haushalte zu sehen. Wird die Zahl auf diese Bereiche und deren Segmente heruntergebrochen, relativiert sie sich. Zu beachten ist, dass ein Roboter im Mehrschicht-Betrieb zwar mehr als einem Arbeitsplatz-Äquivalent entspricht, im Einschicht-Betrieb aber tendenziell weniger als ein Mitarbeiter leistet. 1 Mio. Roboter muss daher nicht 1 Mio. Arbeitsplätze entsprechen."
Zum Abschluss bemüht der DRV die berühmte Ruck-Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzogs. Solche einen Ruck bräuchte Deutschland jetzt bei der Automatisierung, um "langfristig unseren Wohlstand und die Lebensqualität sicherzustellen." Dies sei nur mit Hilfe der Robotik möglich. Dafür brauche es aber auch ein Umdenken in Teilen der Gesellschaft inklusive der Wirtschaftsverbände, "die das Potenzial der heutigen Robotik noch nicht erkannt haben."
Selbstverständlich bietet sich der DRV als Helfer an, etwa durch das Netzwerk innerhalb des Verbands und entsprechende Initiativen. Wie eine solche aussehen kann, hat der Deutsche Robotik Verband kürzlich mit dem Robotik Führerschein bewiesen, der laut Angaben des Vorstands viel positives Echo in der Branche hervorgerufen habe.
Der Autor: Dr. Martin Large
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.