Bild 1: Fahrzeuge der nächsten Generation nutzen eine breite Palette an Technologien, um ihre Umgebung zu überwachen.

Bild 1: Fahrzeuge der nächsten Generation nutzen eine breite Palette an Technologien, um ihre Umgebung zu überwachen. (Bild: Murata)

Bis vor kurzem haben sich die grundlegenden Elemente, die das Wesen eines Automobils definieren, kaum verändert. Im Wesentlichen war das Auto ein persönliches Fortbewegungsmittel, das von einem Verbrennungsmotor angetrieben wurde und sich ideal für den Transport von einer oder mehreren Personen eignete. Autos waren eigenständige, vom jeweiligen Fahrer gesteuerte Systeme mit einem überschaubaren Umfang an mechanischen und elektronischen Assistenzfunktionen.

Diese Situation hat sich in den letzten Jahren entscheidend verändert. Die einst eigenständig und von fossilen Brennstoffen angetriebenen Autos werden zusehends von Elektro-Autos verdrängt, die in ein übergeordnetes Netzwerk eingebunden sind. Das Streben nach wahrhaft intuitiven Mobilitätslösungen lässt sich unter dem Akronym "Case" zusammenfassen, das für „Connected, Autonomous, Shared and Electric“ (vernetzt, autonom, geteilt und elektrisch) steht. An der Schwelle zur nächsten Fahrzeuggeneration des "Case"-Zeitalters stellt sich jedoch eine ganze Reihe neuer technischer Herausforderungen, die die Automobilindustrie bewältigen muss, wenn sie ihre ehrgeizigen Ziele erreichen möchte.

Eine sehr zentrale Herausforderung im Zuge dieser Entwicklung ist das nahezu exponentielle Wachstum der Fahrzeugkommunikation. Die Autos der "Case"-Ära benötigen nämlich robuste Bordnetzwerke (In-Vehicle Networks, IVNs) zur Verbindung der Steuerungsmodule und kritischen Sensoren, auf die sich die Fahrassistenzsysteme (Advanced Driver Assistance Systems, ADAS) stützen. Darüber hinaus bedarf es einer über das Fahrzeug hinausgehenden Kommunikation in Form von V2V-, V2I- und V2X-Systemen.

Diese zentrale Forderung nach vermehrter Kommunikation hat grundlegende Auswirkungen auf die Fahrzeugelektronik, denn sie erhöht den Verkabelungsaufwand und erfordert mehr Überlegungen bezüglich der elektromagnetischen Verträglichkeit, wobei der letztgenannte Aspekt durch die Verwendung von Hochspannungs-Wechselstrommotoren zusätzlich an Brisanz gewinnt. Die Automobilindustrie benötigt folglich Lösungen, die die Systemkomplexität eindämmen können und gleichzeitig immun gegen Störbeeinflussungen sind.

Die Weiterentwicklung der Fahrzeugnetzwerke von Domänen- zu Zonenarchitekturen

Kraftfahrzeuge beruhten traditionell auf domänenbasierten Architekturen. Darin waren so genannte Domain Control Units (DCUs) für bestimmte Funktionsbereiche eines Fahrzeugs zuständig, also beispielsweise für Infotainment, Motormanagement, Fahrwerk oder Fahrassistenz-Funktionen. Wegen der gestiegenen Zahl der Bauelemente und der wachsenden Intelligenz der Fahrzeuge war diese Art der Architektur jedoch irgendwann nicht mehr beherrschbar.

Die Notwendigkeit, Komponenten an verschiedenen Stellen des Fahrzeugs mit zentralisierten DCUs zu verbinden, erwies sich als zu kompliziert und brachte übermäßig viel Gewicht mit sich. Abgesehen davon wurde auch die Übertragungsrate des IVN zu einem Thema, insbesondere im Kontext von Fahrassistenzsystemen und dynamischer Beleuchtung, deren Anforderungen über die relativ niedrige Datenrate von 1 MBit/s hinausgehen, die von den bestehenden CAN-Netzwerken (Controller Area Network) der Fahrzeuge geboten wurde.

Alle Infos zum Bordnetze im Automobil Kongress

Am 6. und 7. Mai 2025 wird Ludwigsburg zum Zentrum der Bordnetz-Expertise. Der internationale Kongress lockt mit brandaktuellen Themen, Innovationen und exklusiven Einblicken.
Am 6. und 7. Mai 2025 wird Ludwigsburg zum Zentrum der Bordnetz-Expertise. Der internationale Kongress lockt mit brandaktuellen Themen, Innovationen und exklusiven Einblicken.

Der 13. Kongress "Bordnetze im Automobil" wird am 6. bis 7. Mai 2025 in Ludwigsburg, stattfinden. Die Vorbereitungen sind bereits im Gange. Sind Sie gespannt? Registrieren Sie sich jetzt und sichern Sie sich Ihr Ticket. Mit dem Code "82510115-AE15" sparen Sie 15 % auf den regulären Preis.

Weitere Informationen zum Bordnetze im Automobil Kongress finden Sie hier sowie auf dem LinkedIn-Kanal.

Warum kommen zonale Architekturen zum Einsatz?

Zur Verbesserung der Konnektivität und Steuerung setzt man in neuen Fahrzeugen auf zonale Architekturen, bei denen nicht mehr die Funktionalität, sondern die räumliche Position einer Komponente im Fahrzeug relevant ist. Zonale Architekturen bieten mehrere Vorteile, wie etwa eine bessere Skalierbarkeit und die Verfügbarkeit eines softwaregetriebenen Rahmens. Durch die reduzierte räumliche Distanz zwischen den Steuergeräten und den ihnen zugeordneten Sensoren und Geräten vereinfacht sich die Verkabelung, überdies verlieren die Verbindungen zwischen Gateways und Hosts an Komplexität.

In zonalen Systemen stützt sich die fahrzeuginterne Kommunikation auf durchsatzstärkere Ethernet- und CAN-FD-Netzwerke (Flexible Data Rate). Dies sorgt für eine reibungslose Kommunikation zwischen Sensoren und Steuergeräten unabhängig von ihrer Position oder davon, wo sie an den Kabelbaum angeschlossen sind. Verglichen mit domänenbasierten Architekturen ergibt sich hieraus eine deutlich weniger komplexe Verkabelung. Zusätzlich schafft diese Architektur die Voraussetzungen für eine lokalisierte Steuerung an der Edge des Fahrzeugs, die zur Steuerung elementarer Funktionen auf dezentrale System-on-Chip-Bausteine zurückgreift, sodass weniger Daten über die IVNs übertragen werden müssen.

Eine Voraussetzung zur Realisierung der Fahrzeuge der "Case"-Ära sind somit schnelle, robuste, Ethernet-basierte Zonenarchitekturen. Zusätzlich aber werden weitere intelligente Lösungen benötigt, die die Komplexität der Verkabelung verringern und in Elektrofahrzeugen mit ihrem hohen Störaufkommen funktionsfähig sind.

Zuverlässige High-Speed-Netzwerke im Auto realisieren

Die Störgrößen, die auf schnelle IVNs einwirken können, lassen sich in zwei Kategorien einteilen, nämlich Normal-Mode- und Common-Mode-Störungen. Während erstere mit Ferritperlen, Kondensatoren und Widerständen bekämpft werden, greift man zur Eindämmung von Gleichtaktstörungen (Common-Mode-Störung) auf stromkompensierte Drosseln (Common Mode Choke Coils, CMCCs) zurück.

Gleichtaktstörungen entstehen, wenn es in einem Kabel, einem Steckverbinder oder einem anderen Bauteil zu einer Phasenverschiebung eines differenziellen Signals kommt. Da in IVNs häufig von differenziellen Signalen Gebrauch gemacht wird, sind qualitativ hochwertige CMCCs notwendig.

Entsprechend diesem Bedarf bietet Murata Produkte an, die den Standards für CAN/CAN-FD, Ethernet-Bordnetzwerke und weitere Bordnetze gerecht werden und sich trotz ihrer Kompaktheit durch eine hohe Störunterdrückung auszeichnen. CMCCs für CAN-Netzwerke waren traditionell als große Ringspulen konstruiert. Ein Ringmagnet oder eine Ausführung im 4532-Format (4,5 mm x 3,2 mm) für automatische Bewicklung wird dazu mit Kupferdraht bewickelt. Murata war eines der ersten Unternehmen, das eine automatisch bewickelte CMCC im miniaturisierten 3225-Format (3,2 mm x 2,5 mm) entwickelte und auf den Markt brachte.

Von CMCCs für CAN- und Ethernet-Netzwerke werden reduzierte Verluste verlangt. Die als Modenwandlung (mode conversion) bezeichnete Eigenschaft gewinnt vermehrt an Bedeutung. Diese nämlich ist ein Indikator dafür, in welchem Umfang die Umwandlung vom Normal Mode in den Common Mode erfolgt. Je niedriger der Wert ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Gleichtaktstörungen. Eine CMCC besteht aus zwei Spulen. Um die Modenwandlung zu verbessern, kommt es auf die Symmetrie dieses Spulenpaars an. Murata verbesserte daher die Spulenkonstruktion und die Bewicklungsmethode der Automotive-CMCCs, um die Symmetrie zu verbessern und dadurch die Leistungsfähigkeit zu steigern.

Um den technischen Anforderungen von Signal- und Stromversorgungsleitungen sowie verschiedenen Systemen in Fahrzeugen des "Case"-Zeitalters gerecht zu werden, produziert Murata eine breite Palette von CMCCs in Multilayer- und gewickelter Ausführung. Unter anderem werden die Versionen DLW32SH510XF2 und DLW32SH101XF2 speziell für CAN-FD-Signalleitungen sowie das Produkt DLW32MH101XT2 angeboten, das für 1000Base-T1-Ethernet (1.000 MBit/s) geeignet ist.

Bild 2: Die Anbringungsorte von Kameras im Auto sind heute vielseitig, wodurch ihnen unterschiedliche Aufgaben zugeteilt werden können.
Bild 2: Die Anbringungsorte von Kameras im Auto sind heute vielseitig, wodurch ihnen unterschiedliche Aufgaben zugeteilt werden können. (Bild: Murata)

Kombinierte Stromversorgungs- und Signalleitungen zum Anschließen von Kameras

In den letzten Jahren haben sich Autos, die mit mehreren Kameras ausgestattet sind, auf dem Markt zum Standard entwickelt (Bild 2). Insbesondere selbstfahrende Autos verfügen über zahlreiche Kameras, um ihr Umfeld erkennen und interpretieren zu können.

Diese Kameras müssen nicht nur an eine Stromversorgung angeschlossen werden, sondern benötigen auch eine Signalleitung zur Ausgabe der erfassten Bilddaten. Bei einer großen Zahl von Kameras führt diese doppelte Verbindung zu einem beträchtlichen Verkabelungsaufwand, der die Komplexität und das Gewicht entsprechend erhöht. Viele Hersteller in der Automobilbranche, darunter OEMs und Tier-1-Zulieferer, setzen daher auf die PoC-Technik (Power over Coaxial), um beim Anschließen von Kameras im Auto mit weniger Kabeln auszukommen. Signalübertragung und Stromversorgung erfolgen hier über ein und dasselbe Kabel (Bild 3).

Bild 3: Mithilfe der Bias-T-Schaltung werden Versorgungsspannung und Datensignale voneinander getrennt. Um den Verkabelungsaufwand zu reduzieren, wird bei der PoC-Technik ein einziges Koaxialkabel für die Stromversorgung und die Signalübertragung genutzt.
Bild 3: Mithilfe der Bias-T-Schaltung werden Versorgungsspannung und Datensignale voneinander getrennt. Um den Verkabelungsaufwand zu reduzieren, wird bei der PoC-Technik ein einziges Koaxialkabel für die Stromversorgung und die Signalübertragung genutzt. (Bild: Murata)

Um die PoC-Technik nutzen zu können, wird auf der Sender- und Empfängerseite und an der Stromversorgung eine als „Bias-T-Schaltung“ bezeichnete Konfiguration benötigt (Bild 4). Der Zweck der Bias-T-Schaltung ist es, das hochfrequente Datensignal von der zur Versorgung der Kamera dienenden Gleichspannung zu separieren. Die Schaltung besteht aus einer Induktivität, die die hochfrequenten Videosignale ausfiltert, und einem Kondensator zum Abblocken des Gleichstroms.

Beim Konfigurieren einer Bias-T-Schaltung kommt es entscheidend darauf an, die geeignete Induktivität für den Einsatz als PoC-Filter zu wählen. Diese sollte nämlich ganz bestimmte Eigenschaften mitbringen, damit Signale und Stromversorgung effektiv separiert werden können. Gelingt diese Trennung nicht ordnungsgemäß, kann es zu einem unerwünschten Eindringen hochfrequenter Signale in die Stromversorgungsschaltung kommen, was zu Störungen und Fehlfunktionen der angeschlossenen Bauelemente führen kann. Zuerst muss die gewählte Spule über einen weiten Frequenzbereich, der von einigen Megahertz bis zu mehreren Gigahertz reicht, eine hohe Impedanz aufweisen. Es ist jedoch möglicherweise nicht einfach, mit einer einzigen Spule ein derart breites Frequenzband abzudecken, und häufig lassen sich die gewünschten Eigenschaften nur durch Kombinieren mehrerer Spulen und Ferritperlen realisieren (Bild 5).

Aus dem vielfältigen Angebot an Induktivitäten die passende Kombination auszuwählen, ist eine ebenso zeitaufwendige wie anspruchsvolle Aufgabe. Als erstes müssen Entwickler Bauteile finden, die sich für die Signalfrequenzen, die Amperezahl, die Umgebungstemperatur und die weiteren Einsatzbedingungen eignen. Es reicht jedoch nicht, die Eigenschaften der einzelnen Bauelemente zum jeweiligen Zeitpunkt aufzusummieren. Der Grund dafür liegt in der parasitären Kapazität auf der Leiterplatte, der parasitären Induktivität sowie den Eigenschaften des Koaxialkabels, das die Leiterplatte verbindet. Diese Faktoren haben einen großen Einfluss auf das Verhalten im Hochfrequenzbereich.

Bild 4: Vergleich zwischen der konventionellen Lösung und der PoC-Methode mit Bias-T-Filterschaltungen.
Bild 4: Vergleich zwischen der konventionellen Lösung und der PoC-Methode mit Bias-T-Filterschaltungen. (Bild: Murata)

Vereinfachte Bauteilauswahl durch Simulation

Beim Auswählen der Bauteile ist es wichtig, sowohl die Spezifikationen des jeweiligen Kamerasystems als auch die Eigenschaften der Leiterplatte zu berücksichtigen, auf der die Montage erfolgen soll. Per Simulation gilt es verschiedene Bauteilkombinationen zu testen, um die optimale Lösung zu finden.

Um den Auswahlprozess rationeller zu machen, hat Murata das Bias-T Inductor Selection Tool ("Bist") entwickelt. Gestützt auf eine minimale Anzahl an Bedingungen, kann dieses Tool die optimale Kombination von Bauteilen, also von Induktivitäten und Ferritperlen aus der Produktion von Murata ermitteln und präsentieren. Mit "Bist" reduziert sich der Arbeits- und Zeitaufwand der Bauteileauswahl erheblich, sodass die geeigneten Bauelemente auch ohne Spezialkenntnisse gefunden werden können.

Bild 5: Durch Kombinieren mehrerer Bauelemente lässt sich ein breitbandiger, verlustarmer Filter realisieren.
Bild 5: Durch Kombinieren mehrerer Bauelemente lässt sich ein breitbandiger, verlustarmer Filter realisieren. (Bild: Murata)

Bauelemente als Grundlage für autonome Fahrzeuge

Die signifikante Weiterentwicklung der Fahrzeuge nach dem "Case"-Konzept verlangt nach der Integration verschiedener peripherer Technologien, um fortschrittliche Features implementieren zu können. Dies umfasst nicht nur die künstliche Intelligenz (KI) als Denkzentrale selbstfahrender Autos, sondern auch die Traktionsbatterie und den Inverter als zentrale Elemente von Elektrofahrzeugen. Um jedoch zu den Pionieren zu gehören, die Autos mit fortschrittlichen IVNs ausstatten und frühzeitig auf den Markt kommen, ist es wichtig, sich zunächst den Störunterdrückungs-Bauteilen und ähnlichen Komponenten zu widmen. Die von Murata angebotenen Induktivitäten und CMCCs für Automotive-Anwendungen sowie die technische Unterstützung, die das Unternehmen unter anderem mit dem "Bist" leistet, ebnen den Weg zur Implementierung hochentwickelter Technologie und unterstützt die Hersteller bei der Einführung der nächsten Fahrzeuggeneration.

Shingo Uda

Manager Field Application Engineering, EMI Suppression Filters and Indicators, bei Murata

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