Temperatur, Druck, die Konzentration der verschiedenen Schadstoffe – diese und mehr Informationen liefern Sensoren aus dem Abgasstrang an das Motormanagement. Immer genauere und aktuellere Daten sind notwendig, um aktuelle oder geplante Abgasgrenzwerte einzuhalten. Nicht selten sind fünf oder mehr Sensoren dafür im Einsatz. In Zukunft und wegen der zu erwartenden weiteren Verschärfung der Vorschriften dürften es sogar noch mehr werden. Für schnelle Regelungsschleifen ist dabei ein motornaher Einbau vorteilhaft. Da kann es recht eng und heiß an den Einbaustellen werden.
Mit dem Mangel an Platz kommt das bisher gebräuchliche Isoliermaterial Keramik an die Grenzen. In ihm sitzen die eigentlichen Sensoren. Bauteile aus diesem Stoff bringen an sich eine wesentliche Eigenschaft für den Einsatz in der Abgasanlage mit: Sie überstehen Temperaturen von über 1000 Grad schadlos. Weniger gut geeignet ist Keramik in punkto Dichtung. Die Übergänge zwischen den Werkstoffen, die für Sensoren verwendet werden, und den Sensorgehäusen sind kritische Stellen. An ihnen wäre Glas besser, das mit den Metallteilen verschmelzen kann und eine hermetische Abdichtung bietet. Glas kommt jedoch mit mehr als 300 Grad nicht zurecht. Dichtungen aus Keramik wiederum benötigen zusätzliche Teile zur Fixierung und mehr Bauraum.
Hier kommt Glaskeramik ins Spiel. Unter dem Markennamen Heatan hat Schott einen Werkstoff und das Produktionsverfahren für komplette Sensorkomponenten entwickelt. Heatan ist speziell für den Einsatz in Abgassystemen vorgesehen und vereint die Vorteile der Keramik mit denen des Glases. Hitzebeständig ist Glaskeramik auch bis weit über 1000 Grad. Äußerlich ist aber der Unterschied beim Packaging erheblich. Im Ergebnis reduziert sich der Platzbedarf von Sensoren in axialer Richtung um mehr als 50 Prozent.
Keine zusätzliche Fixierung
Kleine Sensoren bieten einen Vorteil für die OEMs: Der erhöhte Aufwand für die Abgasreinigung zum Beispiel im Zusammenhang mit der Norm Euro 7 bedingt zumeist, dass sie zusätzliche oder andere Messfühler vorsehen müssen. Dies führt zu einem höheren Platzbedarf für Komponenten. Das gilt sowohl für den Motorraum selbst als auch entlang des Abgasstrangs. In der Enge um Katalysatoren, Partikelfilter oder Einheiten für die selektive katalytische Reduktion (SCR) macht jede Einsparung viel aus. Schließlich sind jenseits der eigentlichen Sensoreinheiten noch Kabel unterzubringen und deren Biegeradien zu beachten.
Die Kompaktheit von Heatan resultiert im Wesentlichen aus zwei Faktoren. Einerseits sind die Elemente schon kleiner als es die Pendants in Keramik sein können. Und andererseits benötigt die Glaskeramik von Schott keine Metallfedern oder Ringe zur Fixierung des Isolators im Sensorgehäuse. Die neuartigen Isolatoren werden vielmehr hermetisch mit den anderen Teilen verschmolzen.
Die so entstandenen Übergänge zwischen den Materialien sind einer der großen Vorteile der Glaskeramik. In Axialsensoren sind kurze Isolierstrecken die Folge, besonders deutlich wird dies bei der Abdichtung von Drucksensoren. Hier sieht Schott denn auch ein erstes großes Potenzial für das neue Produkt.
Von 20 auf zwei Arbeitsschritte
Kurze Isolierstrecken haben aber auch für andere Sensortypen Vorteile. So ist die Wärmekapazität dank geringerer Masse niedriger. Das verbessert die Entkoppelung bei der Temperaturmessung. Der Sensor passt sich schneller an die Temperatur im Abgasstrang an. Reaktionszeiten sind kürzer und Änderungen schneller erfassbar, was die Güte der Regelung durch das Motormanagement und damit die Emissionen beeinflusst.
Auch im Falle der inzwischen oft bei OEMs oder Zulieferern von Auspuffanlagen eingesetzten verschweißten Sensoren zeigen die kleineren Berührungsflächen Vorteile. Die hohen Temperaturen des Schweißvorgangs beeinflussen in geringerem Maß das eigentliche Sensorelement. Verschraubte Sensoreinheiten wiederum können nicht nur axial kleiner werden. Der Gewindedurchmesser lässt sich deutlich unter dem bisher üblichen M14 realisieren.
Diese technischen Vorteile für OEMs und Zulieferer gehen einher mit Kostenvorteilen. Sie rühren her aus einer Vereinfachung bei der Fertigung der Sensoren. Die Zahl der Arbeitsschritte reduziert sich von etwa 20 auf zwei. Auch beim Teilebedarf tritt eine erhebliche Reduzierung ein. Nur drei Teile bilden den Sensor. Einzig das Anschlusskabel und eine Schutzkappe kommen zur Komponente noch hinzu. Zum Vergleich: Herkömmliche Konstruktionen benötigen bis zu rund einem Dutzend Bauteile. Deren Einkauf, Logistik und Lagerhaltung erzeugt natürlich Kosten.
Hermetisch dicht
Glas ist die DNA von Schott. Seit 130 Jahren ist das Unternehmen bekannt für hochwertige Spezialgläser. Produkte wie das Jenaer Glas und die weit verbreiteten Ceran-Kochfelder aus Glaskeramik sind von Schott. Bei der Verbindung von Glas mit Metall verfügt das Unternehmen über hohe Kompetenz. Heatan baut auf einem speziell dafür entwickelten Glaskeramikmaterial auf. Die Ausgangsform ist ein Glaskeramikpressling, dieser enthält eine oder mehrere axiale Öffnungen, in die danach Sensorelemente eingesetzt werden. Wenn dann der Pressling samt eingesetztem Sensor im Außenteil aus Metall sitzt, kommt das Ganze in den Schmelzofen. In einem thermischen Prozess gehen Glaskeramik und Metallkomponenten eine direkte Verbindung ein. Per Verschmelzung mit dem Metall entsteht eine hermetisch dichte Verbindung. Im anschließenden Keramisierungsprozess geht das Material in den keramisierten und formstabilen Zustand über. Die Temperaturbelastung für die elektrischen Teile des Sensors während der Erhitzung liegen innerhalb des Bereichs, den diese Teile per Definition ohnehin aushalten müssen. Die Glaskeramik selbst übersteht 1000 Grad ebenso wie tiefe Temperaturen bis minus 40.
Am Ende der Bearbeitung bei Schott steht ein einzelnes Teil, dessen ursprüngliche Komponenten fest miteinander verbunden sind. Für das Sensorelement sprechen die Entwickler vom Einglasen. Zum Vergleich: Bei Keramikisolation werden Sensorelement und Isolator oft nur von Federn und Ringen im Gehäuse gehalten. Weniger Teile bringen aber stets eine geringere Komplexität. In Zeiten immer aufwändiger werdender Systeme zur Abgasnachbehandlung (AGN) unterstützen Sensoren mit Glaskeramik den Trend.
Als Subkomponenten liefert Schott die Heatan-Bauteile an den Hersteller der Sensoren weiter oder – je nach Lieferkette – zurück. Vor der endgültigen Auslieferung an den OEM oder den Lieferanten der Abgasanlage stehen nur wenige, letzte Schritte. Einer verbindet das Anschlusskabel samt Stecker mit dem Sensorelement. Dann folgt in den meisten Fällen noch eine Abdeckkappe, die den Anschluss vor Umwelteinflüssen schützt.
Know-how in Glas
Für den Umgang mit Heatan ist sehr viel Know-how erforderlich. Ein Grund dafür sind die hohen Anforderungen an die Prozesse. Temperaturen und andere Parameter müssen exakt stimmen. Die Größenänderungen der Glasteile durch die Vorgänge im Ofen sind vorher zu berücksichtigen. In der Praxis entstehen in den Werken von Schott aus nur drei Teilen eines. Zwei davon liefern andere Unternehmen an. Es sind das eigentliche Sensorelement oder der Verbindungsleiter und gegebenenfalls die Außenhülle. Schott steuert das Glaskeramikmaterial aus eigener Produktion bei. Man kann Heatan auch als ein über den Werkstoff hinausgehendes Verfahren bezeichnen. Der Werkstoff und seine Bearbeitung sind patentiert.
Kostenvorteile
Generell stellt die Auslagerung von Teilen der Sensorfertigung zu Schott eine Antwort auf die Frage „Make or buy?“ dar. Neben Arbeitsschritten beim Zusammenbau entfallen auch einzelne Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Die Dichtigkeit des Sensorelements im Isolator muss nicht mehr geprüft werden. Glaskeramik-Verbindungen mit Metallen sind hermetisch dicht. Die verringerte Anzahl von Bauteilen und Arbeitsschritten reduziert zudem die Fehlermöglichkeiten in der Produktion.
Heatan erfüllt sämtliche Anforderungen für den Einsatz im Automobilsektor. Die Beständigkeit gegen alle Kraftstoffe samt deren Zusätze und Schmiermittel wurde genauso geprüft wie die Umwelteinflüsse, beispielsweise durch Salz und andere von der Straße oder der Umgebung herrührenden Stoffe. Außerdem ist das Material gegen alles gefeit, was im Abgas vorkommt. Dazu gehört die Harnstofflösung AdBlue für die Selektive katalytische Reduktion. Wie im Automotive-Bereich erforderlich, enthält Heatan keine problematischen Stoffe; die Vorschriften zu RohS sind erfüllt. Die Ausgangsmaterialen für Glas gehören zudem zu den ökologisch unproblematischen und reichlich verfügbaren Grundstoffen.
Die Kombinationsmöglichkeiten der Glaskeramik mit anderen Werkstoffen bewegen sich im Rahmen der in der Sensortechnik üblichen. Für das äußere Gehäuse wurden neben korrosionsbeständigem Stahl die verschiedenen Edelstahl-Sorten und auf Nickel basierende Metalle getestet. Selbst Keramikkörper sind möglich, was auch für das Sensorelement selbst gilt.
Weitere Anwendungen denkbar
Gesetzliche Vorschriften und auch die Anforderungen der OEMs verlangen eine Langzeitkonstanz von Komponenten, die für das Abgasverhalten relevant sind. In Nordamerika müssen sie hohe Laufleistungen ohne Austausch oder Wartung erbringen. Bei Heatan kann man mit bis zu 300000 Kilometer rechnen. Ausschlaggebend dafür ist die Beständigkeit gegen Belastungen durch Temperaturzyklen.
Glaskeramik-Technologie eignet sich nicht nur für neue Sensoren. Produktionslinien für solche mit Isolatoren aus Keramik lassen sich umstellen und profitieren dabei von der Vereinfachung in punkto Teilezahl und Arbeitsschritten. Das kann Heatan wirtschaftlich auch für die Hersteller von Lambdasonden interessant machen. Erstausrüstung und Aftermarket benötigen große Menge dieser Teile und es existiert ein hoher Kostendruck. Die Einsparmöglichkeiten durch die Reduzierung der Teilezahl und der Arbeitsschritte dürften interessant sein.
(wi)