Der anisotrope magnetoresistive (AMR)-Effekt ist seit über 150 Jahren bekannt. 1857 entdeckte ihn Lord Kelvin erstmals. Der AMR-Effekt tritt in ferromagnetischen Werkstoffen auf wie etwa Nickel-Eisen Schichten, die als Streifenelemente angelegt sind und deren spezifischer Widerstand sich mit dem Winkel zwischen Magnetfeldrichtung und Stromrichtung ändert. Durch eine geschickte Anordnung der Strukturen im Sensor können Hersteller so sehr unterschiedliche Sensoren konstruieren, um beispielsweise einen Magnetfeld-Gradienten oder einen Magnetfeld-Winkel zu erfassen.
Erst von rund 30 Jahren machte die Dünnschichttechnik den AMR-Effekt für die sensorische Nutzung zugänglich. MR-Sensoren erobern seitdem ständig neue Applikationsfelder in der Magnetfeldmessung. Die Einsatzgebiete sind jedoch nicht auf „irdische” Anwendungen begrenzt – sie kommen auch zum Steuern der elektrischen Antriebe an Bord von „Curiosity” zum Einsatz, dem Fahrzeug, das im August 2012 erfolgreich auf dem Mars landete. MR-Sensoren eignen sich insbesondere für sicherheitskritische Anwendungen wie etwa Raddrehzahlsensoren für das ABS-System oder Lenkwinkelsensoren für das ESP-System in Automobilen. Der magnetoresistive Effekt ist zudem besonders interessant für den Bereich Strommessung. Die äußerst hohe Empfindlichkeit stellt sicher, dass kein Eisenkern nötig ist, um das Magnetfeld zu konzentrieren, das der stromdurchflossene Leiter erzeugt. Das bedeutet, dass MR-basierte Stromsensoren kaum Hysterese aufweisen und eine wesentlich höhere Bandbreite haben. Im Vergleich zu Shunt-Lösungen bieten MR-Sensoren zudem den Vorteil der galvanischen Trennung bei geringeren Verlusten. Dies ist besonders wichtig in Hochspannungs-Anwendungen und dort, wo die gesamte Leistungseffizienz ein wichtiger Design-Treiber ist wie bei der Elektromobilität. Der MR-Effekt bietet eine einzigartige Kombination aus Bandbreite, Auflösung, Miniaturisierung und Robustheit und ist besonders für kompakte, schnelle Stromsensoren geeignet. Die Verlustleistung ist deutlich geringer als bei Shunt-Widerständen und die Responsezeit fast eine Größenordnung schneller als bei Hall-Effekt basierenden Stromsensoren. Darüber hinaus verfügen MR-Stromsensoren über eine sehr hohe Bandbreite, die für den Einsatz von neuen leistungselektronischen Technologien wie etwa SiC-Schalter und Dioden eine Bedingung darstellt.
Aufbau von AMR-Stromsensoren
Das prinzipielle Funktionsprinzip der AMR-Stromsensoren basiert auf einer kompensierten Differenzfeldmessung. Der Primärstrom fließt durch einen U-förmigen Leiter wie etwa eine Stromschiene und erzeugt eine Magnetfelddifferenz zwischen den beiden Seiten des Leiters. Diese Differenz (Gradient) wird vom Sensorelement gemessen, das sich oberhalb der Stromschiene befindet. Außerdem eliminiert diese Anordnung Einflüsse von externen homogenen Störfeldern, die in der Praxis in fast jeder Anwendung anzutreffen sind. Die Signale des Sensorelements werden durch einen Kompensationsstrom ausgeglichen. Der für diese Rückkopplung notwendige Kompensationsleiter ist im MR-Sensor integriert. Durch diese Integration und den daraus resultierenden geringen Abstand zum MR-Sensorelement reicht ein geringer Kompensationsstrom aus. Die Größe des Kompensationsstroms ist das Maß für den Messstrom und stellt das Ausgangssignal des Stromsensors dar. Durch diese Rückkopplung, auch Closed-Loop-Prinzip genannt, erreicht der Sensor eine hohe Linearität und ein stabiles Temperaturverhalten. Das Ergebnis ist ein kleiner und leichter Stromsensor, der unempfindlich für homogene Störfelder und Temperaturschwankungen ist und einen geringen Stromverbrauch und geringe Verlustleistung aufweist.
Für die Auswertung der MR-Sensorsignale bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten an. Etabliert sind hierbei die Umsetzung als diskrete Schaltung mit Operationsverstärkern und passiven Bauelementen auf einem Hybrid-Dickschicht-Substrat oder als automobil-qualifizierbare Ausführung mit einem speziellen ASIC als System in Package (SiP) in einem JEDEC-konformen SOIC-Gehäuse (Bild 2). Ausgehend vom Funktionsprinzip bieten sich für die praktische Ausführung des Stromsensors zwei grundsätzliche Bauformen an. Zum einen lassen sich die Stromschienen direkt mit dem Sensor-Modul integrieren, sodass die Stromsensoren für einen definierten Strombereich schon beim Hersteller gefertigt werden. Diese Art von Sensor funktioniert ohne weitere Kalibrierung und lässt sich direkt vom Anwender in den Strompfad der Leiterplatte einarbeiten.
Zum anderen besteht die Möglichkeit den Stromsensor so zu konzipieren, dass der Endanwender seine Stromschiene gemäß des gewünschten Strombereichs und der geometrischen Randbedingungen realisiert. Die Stromzuführung für den Sensor kann für kleine Ströme direkt in den Metallisierungslagen von Hochstromleiterplatten erfolgen. Für höhere Ströme sind den Anwendungen entsprechende Stromschienen zu entwickeln (Bild 3). Für den Einsatz von Sensoren ohne integrierte Stromschiene ist zu beachten, dass durch den Anwender ein Abgleich des Sensors in der unmittelbaren Messumgebung erfolgen muss.
Der programmierbare Stromsensor CFS1000 ermöglicht ein dynamisches Ansprechen ohne Hysterese- oder Sättigungseffekte, die bei Stromsensoren mit Eisenkern auftreten. Der Messbereich ist durch die Geometrie des externen Stromleiters definiert, und der Sensor kann Primärnennströme bis 1000 A messen. Die CFS1000-Sensoren sind unempfindlich gegenüber homogenen magnetischen Störfeldern und verfügen über eine hohe Linearität und geringe Temperaturabhängigkeit aufgrund des Closed-Loop-Prinzips. Bei eine Bandbreite von 500 kHz wird eine Gesamtgenauigkeit von < 1 % bei Raumtemperatur und von < 2 % über den kompletten Betriebstemperaturbereich von -40 bis +125 °C gewährleistet.
Wo sich AMR-Stromsensoren einsetzen lassen, erfahren Sie auf der folgenden Seite.
Anwendungsbeispiel
In einer regelmäßig aktualisierten Roadmap für Leistungsdichte dokumentiert das Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie (IISB) den Trend zu immer höherer Leistungsdichte für Umrichter und DC/DC-Wandler. Der Einfluss von WBG-Bauteilen ist dabei eindeutig zu erkennen. Es entstehen interessante neue Anwendungen für schnelle, integrierte Stromsensoren bei DC/DC-Wandlern. Die Anforderungen bezüglich Bandbreite der Stromsensoren steigen bis in den MHz-Bereich, um die Leistungsdichte noch weiter zu steigern. Auch in sicherheitskritischen Anwendungen, wie Umrichtern für Antriebsmotoren, steigt der Bedarf für schnelle Stromsensoren, da Systeme Überstromereignisse im Nanosekunden-Bereich detektieren müssen. Um diese komplexen Anforderungen zu erfüllen, sind kompakte Sensoren, die Ströme schnell, genau und kosteneffektiv erfassen können, erforderlich.
In einer beispielhaften Anwendung wurde eine 1-Phasen-Hochstrom-Strommessung eines SiC-Umrichters in einem kompakten Antriebssystem-Konzept für Hybrid-Nutzfahrzeuge des Herstellers Volvo entwickelt (Bild 4). In dem von der EU geförderten Projekt COSIVU geht es um die Entwicklung einer neuen Systemarchitektur für eine kompakte und intelligente Antriebseinheit für Elektrofahrzeuge, insbesondere Nutzfahrzeuge (Bild 5). Innerhalb des Einzelradantriebs befindet sich neben dem Elektromotor, dem Getriebe, der vollständig auf Silizium-Carbid (SiC) basierenden Leistungselektronik und Systemen zur Zustandsüberwachung ebenfalls eine neuartige kompakte Kühlung. Gegenüber dem Stand der Technik konnte eine Effizienzsteigerung von 20 % mit entsprechend erhöhter Fahrleistung aufgrund deutlicher Gewichtsreduzierung (30 %) sowie Reduzierung der Verluste im Leistungsmodul (50 – 70 %) erreicht werden.
Die SiC-basierten Leistungstransistoren (1200 V, 500 A) im modularen Umrichter (Bild 6) ermöglichen einen effizienten Betrieb, insbesondere wenn der Umrichter mit hohen Schaltfrequenzen betrieben wird. In dieser Anwendung konnten die Entwickler die hohe Bandbreite der MR-basierten Strommessung anhand einer rund vierfach geringeren Reaktionszeit gegenüber Hall-Sensoren direkt nachweisen. Weiterhin weist diese Lösung eine höhere Genauigkeit als bisherige Lösungen auf. Für dieses Projekt vergossen die Entwickler den auf einer Platine befindlichen CFS1000-Sensor und schirmten ihn gegen die erwarteten großen Magnetfelder magnetisch ab.
Ausblick
Die Anzahl der Anwendungen für MR-Stromsensoren in der Leistungselektronik wächst kontinuierlich. Die hohe Bandbreite ermöglicht höhere Schaltfrequenzen, welche wiederum die volle Ausnutzung von WBG-Bauteilen zwecks Erhöhung der Leistungsdichte von Umrichtern oder DC/DC-Wandlern ermöglicht. MR-basierte Stromsensoren kommen nicht nur in Fahrzeugantrieben zum Einsatz, sondern auch in Schnellladegeräten (Bild 7), in der Leistungselektronik für Flugzeuge und in der Raumfahrt. In allen Anwendungsbereichen beschleunigt sich der Trend nach höheren Leistungsdichten. Die kompakten Abmessungen bieten die Perspektive, Stromsensoren noch weiter in Leistungsmodulen zu integrieren, um eine noch weitere Reduktion im Bauvolumen von Umrichtern und Wechselrichtern zu erlauben.
Die hohe Bandbreite ermöglicht nicht nur eine höhere Leistungsdichte bei der Leistungselektronik, sondern auch bei den Antrieben und Motoren selbst. Schnelle und präzise Strommessung ermöglicht fortgeschrittene Regelungstechniken, wie die sogenannte sensorlose Regelung von Synchronmotoren, welche die Notwendigkeit eines Rotorlagesensors auf der Motorwelle erübrigt. Dadurch lassen sich Motoren kompakter ausführen. Eine Überabtastung des Motorstroms ermöglicht eine rauscharme Berechnung des Stromanstiegs (di/dt), was die Regelgüte verbessert und wodurch ungewünschte Nebenwirkungen wegfallen wie beispielsweise Geräuschentwicklung bei niedrigen Geschwindigkeiten. Weiterhin öffnet die hohe Dynamik von MR-Stromsensoren neue Möglichkeiten für die verbesserte Zustandsüberwachung von leistungselektronischen Geräten.
Dr. Rolf Slatter
(prm)