Skalierbares Systemportfolio für assistiertes und automatisiertes Fahren
Neues Fahrgefühl durch KI und Schwarmdaten
David KaempfDavidKaempf
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ADAS und AD sind Schlüsseltechnologien für Verkehrssicherheit und Fahrkomfort. In komplexen Szenarien stoßen sie jedoch schnell an ihre Grenzen.(Bild: Aumovio)
In komplexen Fahrsituationen hängen assistiertes und autonomes Fahren vor allem von der Leistung der Umfelderfassung ab. Hier setzt die skalierbare ADAS/AD-Gesamtlösung Xelve von AUMOVIO an.
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Fahrerassistenzsysteme (ADAS) und automatisiertes Fahren (AD) sind Schlüsseltechnologien, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, den Fahrkomfort zu steigern und Fahrzeiten effizienter zu nutzen. In komplexen Szenarien stoßen aktuelle Systemlösungen jedoch an Grenzen, weil die Leistungsfähigkeit der Systeme im realen Fahrbetrieb stark von der Erfassung der Fahrumgebung abhängig ist. Schließlich bilden die Auflösung der Umgebung, die darauf aufbauend mögliche Objektklassifizierung sowie der Detailreichtum des Umgebungsmodells insgesamt (einschließlich etwa von Höhenprofilen) die Entscheidungsgrundlage für Eingriffe beim assistierten beziehungsweise automatisierten Fahren. Bild 1 zeigt eine komplexe Fahraufgabe, die mit Xelve Drive (L2+) dagegen bereits sicher bewältigt wird.
Bild 1: Reale Fahrsituation, die mit Xelve Drive L2+ bereits auf dem erreichten Entwicklungsstand mit natürlichem Fahrgefühl automatisiert bewältigt wird.(Bild: Aumovio)
Leistungsfähigere Sensoren schaffen aktuell bessere Voraussetzungen für ADAS und AD. Die kontinuierlich steigende Auflösung bei Kamera und Radar ermöglicht, die Fahrumgebung kleinteiliger wahrzunehmen und mit dieser besseren Datenbasis das Umfeldmodell als Entscheidungsgrundlage für die Trajektorienplanung zu verfeinern. Auf der anderen Seite ermöglicht der Einsatz von neuronalen Netzen kostenoptimierte Lösungen. Die Kombination aus Algorithmen und Sensoren führt ebenfalls zu einer gesteigerten Performance – ein wichtiger Baustein, um Funktionen höherer Automatisierungsgrade zu realisieren.
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Daraus ergeben sich wesentliche Vorteile sowohl für die Fahrerin und den Fahrer als auch für die Operational Design Domain (ODD) in komplexen Umgebungen, wie im urbanen Umfeld. Mit der seit 2024 verfügbaren aktuellen Generation von Radarsensoren von AUMOVIO, lassen sich komplexe Herausforderungen bei ADAS/AD besser als zuvor meistern. Reichweite, Auflösung, Elevationsmessung, Winkelgenauigkeit und Objekttrennfähigkeit der neuesten Radargeneration machen auch schwierige Erkennungsaufgaben beherrschbar. Dazu zählen unklare Fahrbahnbegrenzungen in Innenstädten, aber auch unregelmäßige, unebene Fahrbahnoberflächen selbst und ihrer Ränder sowie Tunnelportale. Im Zusammenspiel von Radar und neuronalen Netz lassen sich auch teilweise verdeckte Fußgänger erkennen.
Akzeptanz automatisierter Fahrfunktionen erhöhen
Eine weitere Herausforderung bei aktuellen ADAS/AD Systemen bleibt bestehen: Die Akzeptanz automatisierter Fahrfunktionen bzw. von ADAS-Eingriffen hängt wesentlich davon ab, wie sich das Fahrverhalten für die Passagiere anfühlt. „Roboterhafte“ AD-Aktionen mit deutlich fühlbarer Lateralbeschleunigung etwa in einem Kreisverkehr oder eine unharmonische Geschwindigkeitsregelung sind wenig geeignet, um Sympathie und Vertrauen für ADAS und AD zu generieren. Deshalb hat AUMOVIO bei der Entwicklung des skalierbaren ADAS/AD-Systems Xelve diese Aspekte in den Mittelpunkt gerückt. Die Auflösung der Fahrumgebung ist bei Xelve so feingranular, dass die Trajektorienplanung auch in komplexen Fahrsituationen gelingt. Die sogenannte Holistic Path Prediction, ein Bestandteil des tiefen neuronalen Netzes, analysiert die Umgebung und trifft Entscheidungen ähnlich wie eine menschliche Fahrerin oder ein menschlicher Fahrer. Mit dieser Kombination aus technischer Präzision und natürlichem Fahrverhalten zielt das Xelve-Portfolio darauf ab, ein angenehmes Fahrerlebnis zu schaffen und Vertrauen sowie Akzeptanz automatisierter Fahrtechnologie zu fördern. Auch wird die Verfügbarkeit des Systems deutlich erhöht.
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Was kann Xelve?
Xelve kombiniert Schwarmdaten, Holistic Path Prediction und klassische Fahrfunktionen, um einen sogenannten Humanized Driving-Ansatz zu realisieren. Daraus ergibt sich eine angenehme Regelung sowie eine maximale Verfügbarkeit unter Einhaltung der Sicherheitsziele und Standards, die ein möglichst natürliches, menschlich wirkendes Fahrverhalten erzeugt. Zeigen diese Daten beispielsweise, dass an einer bestimmten Kreuzung viele Fahrerinnen oder Fahrer regelmäßig die Geschwindigkeit verringern, wird dieses Verhalten frühzeitig und harmonisch in die Geschwindigkeitsregelung integriert. Schwarmdaten erweitern die Reichweite über das direkte Sichtfeld der Sensoren hinaus. Sie dienen als zusätzliche Referenz für die Fahrentscheidungen des Systems.
Gesamt-Systemsetup Xelve für Software-definierte Fahrzeuge
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Xelve ist ein durchgängig skalierbares Portfolio aus Hardware- und Softwarekomponenten für automatisierte Fahrfunktionen im Software-definierten Fahrzeug (SDV). Es deckt Anforderungen von Volumenmodellen bis hin zum Premiumsegment ab. Als Systemsetup umfasst Xelve hochauflösende Kamera- und Radarsensoren, eine zentrale Steuereinheit (Automated Driving Control Unit, ADCU) mit kundenspezifisch anpassbarer System-on-Chip (SoC) Technologie, sowie die Algorithmen zur Signalverarbeitung und Trajektorienplanung.
Alle Sensordaten laufen in der ADCU zusammen, wo eine Low-Level-Fusion sämtlicher Sensordaten erfolgt. Entscheidender Vorteil ist der direkte Zugriff auf die Rohdaten der Sensoren – kombiniert mit umfassender Expertise in deren Verarbeitung. Für die frühzeitige Datenfusion spricht, dass sie eine zuverlässige Datenbasis bereitstellt, die von Anfang an in einen 360° Full-3D Raum der Umgebung einfließt und sich so auch komplexere Fahrszenarien harmonisch automatisiert lösen lassen.
Eine zunehmend wichtige Aufgabe bei der Verarbeitung der Sensorrohdaten von Radaren ist es, Interferenzen herauszufiltern. Die von AUMOVIO für Radare entwickelte und patentierte Smart Interference Suppression stellt das ungestörte Signal wieder her. Durch den steigenden Ausstattungsgrad mit Radarsensoren gewinnt dieser Prozess weiter an Bedeutung - er stellt sicher, dass ausschließlich relevante Signale in die Verarbeitung einfließen. Eine weitere Stärke der fortschrittlichen Radarsensoren ist die Erfassung präziser Höheninformationen. Deren hohe Auflösung ermöglicht die Erstellung einer 3D-Repräsentation der Fahrbahnoberfläche, der Fahrbahnränder sowie des darüberliegenden Raums. So kann das System zuverlässig beurteilen, ob eine Höhenstruktur (ein Objekt) über- bzw. unterfahrbar ist. Auch ist es in der Lage, beispielsweise zwischen einer asphaltierten Straße und nicht befahrbaren Terrain zu unterscheiden.
Die Leistungsfähigkeit des umfassendem Sensorportfolios von AUMOVIO bildet eine zentrale technologische Grundlage für Xelve. Kombiniert mit tiefen neuronalen Netzen wird zudem die ODD um den urbanen Raum erweitert. Dieses geht einher mit den steigenden Anforderungen durch NCAP-Standards und der stärkeren Berücksichtigung der realen Fahrleistung und Sicherheit im Alltag anstatt von rein standardisierten Tests in klinischen Testumgebungen. Das verbessert nicht nur die Rahmenbedingungen für automatisierte Fahrfunktionen, sondern steigert auch die Wirtschaftlichkeit des Systemeinsatzes. Sobald Radarsensoren mit hoher Auflösung und Elevationsmessung – etwa als Corner- oder Surround-Radare - im Fahrzeug verbaut sind, können sie effizient für eine Vielzahl an ADAS- und AD-Funktionen genutzt werden. Ihr Mehrwert liegt insbesondere in der robusten Klassifizierung von Objekten unter verschiedensten Umweltbedingungen. Auch können die Radarsensoren, wenn vom Automobilhersteller gewünscht, die Ultraschallsensoren ersetzen. Vorteil ist, dass die verbauten Radarsensoren dann gleich für Parkfunktionen und zur Erfüllung von NCAP-Anforderungen genutzt werden können.
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Humanized Driving mit KI-Algorithmen
Ein zentraler Bestandteil des humanisierten Fahransatzes von Xelve ist der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Ein trainiertes tiefes neuronales Netz innerhalb der sogenannten Holistic Path Prediction integriert menschliches Entscheidungsverhalten in die automatisierte Fahrstrategie. Dadurch folgt das System strikt den Verkehrsregeln und orientiert sich auch an typischen menschlichen Fahrverhalten. Dabei geht es um Entscheidungen wie: Wie verhält sich die Automation innerhalb der Spurgrenzen? Die Wahl etwas sanfterer Kurvenradien – näher an der Ideallinie und mit reduzierter Querbeschleunigung – führt zu einem natürlicheren Fahrgefühl für die Passagiere. Wichtig dabei: Xelve setzt mit Holistic Path Prediction einen Teil eines End-to-End-Ansatzes auf einem kostenoptimierten Set-up um. Ein tiefes neuronales Netz liefert zeitgleich Sensordaten für die Trajektorienplanung als auch klassischen Perzeptions-Output wie Spuren, Objekte und befahrbaren Raum. Dieser Ansatz ermöglicht den Betrieb auf massenmarkttauglichen SoC mit optimierten Energieverbrauch – ohne Kompromisse bei Komfort und Leistung.
Einen weiteren Beitrag zur Regelung der Längsbeschleunigung und zur Trajektorienplanung liefern die erwähnten Schwarmdaten. So gehen umsichtige menschliche Fahrer frühzeitig vom Fahrpedal - wenn sie aus Erfahrung wissen, dass sie sich einer scharfen Kurve oder einem Schlagloch nähern - und sich so ein abrupter Lastwechsel bzw. ein abruptes Ausweichmanöver vermeiden lässt. Auf unbekannten Strecken bzw. während automatisierter Fahrabschnitte und noch nicht erkennbaren Hindernissen ist der Zugriff auf die Schwarm-Trajektorien eine zusätzliche Informationsquelle für das System. Sie verbessern die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Holistic Path Prediction, indem sie die kollektive Erfahrung vieler Fahrerinnen und Fahrer einbeziehen. In solchen Fällen ersetzen sie – als datenbasierte Ergänzung – Intuition und Erfahrungswissen des Menschen.
Xelve wird als skalierbare Lösung in drei Funktionsumfängen für SDVs entwickelt. Den Einstieg bildetXelve Park (L2), je nach Setup als radarbasierte, radar- und kamerabasierte oder radar-, kamera- und ultraschallbasierte Lösung verfügbar. Die Radar-Vision-Parking-Lösung wurde auf der CES 2024 mit einem Innovation Award ausgezeichnet (1). Basierend auf vier bis sechs Radaren und hochauflösenden Surround View-Kameras führt Xelve nicht nur in diesem Setup den Parkvorgang präzise und zuverlässig aus, Bild 2. Um die Akzeptanz des automatisierten Parkens zu erhöhen, visualisiert die Benutzeroberfläche mit Hilfe von mindestens vier Surround View-Kameras die geplante Endposition des Fahrzeugs in einer innovativen 3D-Surround-View-Darstellung. Statt klassischer Ultraschallsensoren kommen bei Xelve Park vorzugsweise Corner-Radare zum Einsatz, die zunehmend unauffällig hinter lackierten Stoßfängern integriert werden. Der Produktionsstart von Xelve Park ist für 2025 geplant.
Bild 2: Xelve Park L2 ermöglicht Parken-Anwendungsfälle, die eine sehr präzise Messung im Nahbereich des Fahrzeugs erfordern.(Bild: Aumovio)
Als Level 2+ Lösung wird Xelve Drive aktuell entwickelt und soll ab Ende 2027 marktreif sein. Bereits auf dem aktuellen Entwicklungsstand kommt Xelve Drive in Fahrzeugpräsentationen zum Einsatz – unter anderem bei anspruchsvollen und komplexen Szenarien wie innerstädtischen Fahrten, bei denen es durch sicheres und harmonisches Fahrverhalten überzeugt. Der Funktionsumfang von Xelve Drive umfasst alle sämtlichen hier beschriebenen Systemeigenschaften wie Full Deep Sensorfusion, ein vollständiges 360°-Full-3D-Umgebungsmodel, Holistic Path Prediction einschließlich KI-Algorithmen, Humanized Driving, Schwarmdaten sowie die Voxel Point Cloud zur detaillierten Umfeldanalyse. Bild 3 zeigt die erforderliche Sensorkonfiguration und Systemarchitektur der L2+ Lösung. Xelve Park wird standardmäßig in Xelve Drive integriert sein.
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Bild 3: Schematische Darstellung einer Xelve Drive (L2+) Architektur im Fahrzeug.(Bild: Aumovio)
Alles zur Automotive Computing Conference
Die Automotive Computing Conference konzentriert sich auf die Herausforderungen der Sicherheit, der funktionalen Sicherheit, der Cloud-Konnektivität und der zunehmenden Komplexität des Fahrzeugdesigns. Das Ziel ist es, traditionelle Ansätze zu revolutionieren und an die Bedürfnisse der Automobilindustrie anzupassen. Hochkarätige Referenten werden am 13. und 14. November 2025 in München in die Welt des Automotive High Performance Computing eintauchen und ein breites Spektrum an Aspekten abdecken.
Der Funktionsumfang Xelve Pilot (L4) soll ab dem Jahr 2027 in Zusammenarbeit mit Aurora bei Lkw in Serie gehen, Bild 4. Ziel ist die Realisierung von Gütertransporten mit möglichst langen fahrerlosen Streckenabschnitten und hoher Fahrsicherheit – eine zentrale Herausforderung der Automatisierung, die sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch für Transportunternehmen hochrelevant ist. Für den geplanten Ersteinsatz liefert AUMOVIO die gesamte Xelve-Hardware: Dazu gehören Sensorik, High Performance Computer, Telematik sowie das Fallback-System, welches im Falle eines Fehlers im Primärsystem automatisch übernimmt und die Weiterfahrt absichert.
David Kaempf
Senior Engineering Director ADAS bei AUMOVIO
Bild 4: Der Nutzfahrzeugeinsatz von Xelve Pilot (L4) Technologie gemeinsam mit dem Partner Aurora ist für das Jahr 2027 geplant.(Bild: Aumovio)