Dr. Andrea Leitner behält als Leiterin der Entwicklung ADAS und AD-Testlösungen bei AVL den Blick für das Ganze.

Dr. Andrea Leitner behält als Leiterin der Entwicklung ADAS und AD-Testlösungen bei AVL den Blick für das Ganze. (Bild: Offenblende – Agentur für Fotografie / Michael)

Die Konferenz AI-Assurance-in-Mobility Europe feierte Anfang April 2025 im DIN-FORUM, Berlin, eine erfolgreiche Premiere. Zahlreiche Experten aus Politik und Industrie diskutierten engagiert die technologischen und regulatorischen Herausforderungen im Bereich Fahrerassistenzsysteme (ADAS) und autonomes Fahren (AD), insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Bewältigung der anstehenden komplexen Aufgaben. Im Folgenden werden die Kernaspekte der gehaltenen Vorträge zusammenfassend dargestellt.

Globale Harmonisierung im Fokus: Der Weg zu einheitlichen Regeln für autonomes Fahren

Ein zentraler Diskussionspunkt war die Notwendigkeit eines globalen regulatorischen Rahmens für hoch- und vollautomatisiertes Fahren. Dr. Joachim Taiber, Gründer und Managing Director der International Alliance for Mobility Testing & Standardization (IAMTS), betonte die Bestrebungen seiner Organisation, ein weltweit akzeptiertes Validierungsframework zu schaffen, um die Einführung automatisierter Fahrzeuge zu beschleunigen.

Richard Damm, Präsident des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), gab einen aufschlussreichen Überblick über die Entwicklung eines solchen globalen Rahmens durch die UNECE und ihre Arbeitsgruppen. Dabei wurden sowohl neue UN-Regulierungen für Fahrerassistenzsysteme (DCAS) als auch die regulatorischen Aktivitäten für autonome Fahrsysteme (ADS) beleuchtet.

Ein begehrter Gesprächspartner auf der Konferenz: Richard Damm, Präsident des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), unterstrich die wichtige Rolle des KBA bei der Entwicklung und Regulierung von KI-basierten Technologien in der Mobilität.
Ein begehrter Gesprächspartner auf der Konferenz: Richard Damm, Präsident des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), unterstrich die wichtige Rolle des KBA bei der Entwicklung und Regulierung von KI-basierten Technologien in der Mobilität. (Bild: Offenblende – Agentur für Fotografie / Michael)

Typgenehmigung in der Praxis: Erste Erfahrungen mit hochautomatisierten Fahrzeugen

Ein weiterer Schwerpunkt lag auf den praktischen Erfahrungen bei der Typgenehmigung hochautomatisierter Fahrzeuge. Thomas Quernheim, Senior Vice President Mobility TÜV Rheinland, teilte Einblicke in erste L3- und L4-Projekte und die damit verbundenen Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf die Definition von Betriebsbereichen (ODD) und Test-Szenarien. Er wies darauf hin, dass die Regulierung sich stetig weiterentwickelt und prozessbasierte Bewertungen den Herstellern Designfreiheit und schnellere Updates ermöglichen.

Thomas Quernheim, Senior Vice President Engineering & Homologation Automotive TÜV Rheinland Group, und Konferenz-Chairman Prof. Joachim Taiber, diskutieren über praktische Erfahrungen bei der Typzulassung hochautomatisierter Fahrzeuge weltweit.
Thomas Quernheim, Senior Vice President Engineering & Homologation Automotive TÜV Rheinland Group, und Konferenz-Chairman Prof. Joachim Taiber, diskutieren über praktische Erfahrungen bei der Typzulassung hochautomatisierter Fahrzeuge weltweit. (Bild: Offenblende – Agentur für Fotografie / Michael)

KI als Schlüsseltechnologie: Unterstützung für komplexe Aufgaben im automatisierten Fahren

Die Konferenz thematisierte auch die bedeutende Rolle von KI in modernen ADAS- und ADS-Systemen. Joachim Mathes, CTO Valeo Brain Division, präsentierte den Ansatz des End-to-End (E2E) automatisierten Parkens, bei dem tiefe neuronale Netze zur Wahrnehmung, Vorhersage und Entscheidungsfindung eingesetzt werden. Er hob die Vorteile holistischer Modelle hervor, betonte aber auch die Notwendigkeit effizienten und skalierbaren Lernens durch den Einsatz großer und nicht gelabelter Datenmengen sowie Strategien wie Pre-Training, Fine-Tuning und Destillation.

Statistische Sicherheit versus Compliance: Ein neuer Blickwinkel auf die Validierung von KI-Systemen

Dr. Daniel Fulger, Senior Manager Autonomous & Connected Mobility Capgemini Engineering, stellte die These auf, dass KI aus der Perspektive komplexer Systeme keine fundamental neue Technologie darstellt, sondern ähnliche Herausforderungen in der Validierung und Testung wie klassische modellprädiktive Regelungssysteme (MPC) birgt. Er argumentierte für eine „statistische Sicherheit“ und betonte, dass die aktuelle Perspektive auf Validierung und Zertifizierung im Angesicht der Komplexität nicht nachhaltig sei.

Save the date: 29. Automobil-Elektronik Kongress

Logo zum Automobil-Elektronik Kongress

Am 24. und 25. Juni 2025 findet zum 29. Mal der Internationale Automobil-Elektronik Kongress (AEK) in Ludwigsburg statt. Dieser Netzwerkkongress ist bereits seit vielen Jahren der Treffpunkt für die Top-Entscheider der Elektro-/Elektronik-Branche und bringt nun zusätzlich die Automotive-Verantwortlichen und die relevanten High-Level-Manager der Tech-Industrie zusammen, um gemeinsam das ganzheitliche Kundenerlebnis zu ermöglichen, das für die Fahrzeuge der Zukunft benötigt wird. Trotz dieser stark zunehmenden Internationalisierung wird der Automobil-Elektronik Kongress von den Teilnehmern immer noch als eine Art "automobiles Familientreffen" bezeichnet.

Sichern Sie sich Ihr(e) Konferenzticket(s) für den 29. Automobil-Elektronik Kongress (AEK) im Jahr 2025! Folgen Sie außerdem dem LinkedIn-Kanal des AEK und #AEK_live.

Im Channel zum Automobil-Elektronik Kongress finden Sie Rück- und Vorberichterstattungen sowie relevanten Themen rund um die Veranstaltung.

Digital und physikalisch im Einklang: Garanten für Produktsicherheit automatisierter Fahrzeuge

Die Bedeutung von digitalen und physikalischen Tests zur Gewährleistung der Produktsicherheit automatisierter Fahrzeuge wurde von Nils Katzorke, Project Manager for Test Technology Development der Mercedes-Benz AG, unterstrichen. Er zeigte auf, wie Testmethoden entlang des gesamten Entwicklungsprozesses evaluiert werden müssen und dass mit steigendem Automatisierungsgrad die Anforderungen an die Testskalierbarkeit wachsen. Die Nutzung von digitalen Zwillingen für AV-Tests und die Standardisierung der Glaubwürdigkeitsbewertung können hierbei Entwicklungsaufwände reduzieren.

Regulierung des Unbekannten: Technologische Herausforderungen bei autonomen Systemen

Prof. Mario Trapp, Executive Director Fraunhofer-Institute for Cognitive Systems (IKS), beleuchtete die technologischen Herausforderungen bei der Regulierung des Unbekannten im Kontext automatisierter Fahrsysteme. Er betonte, dass Sicherheit nicht nur eine Frage der Absicherung, sondern eine kreative Designaufgabe sei und plädierte für einfache, robuste Lösungen sowie den Umgang mit Emergenz in komplexen Systemen.

EU AI Act im Blickpunkt: Auswirkungen auf die Automobilindustrie

Die Auswirkungen des EU AI Acts auf automatisierte und autonome Fahrzeuge waren ein weiteres wichtiges Thema. Dr. Nils Lölfing, Council, Lawyer, Technology & Communications bei Bird & Bird LLP, erläuterte die grundlegenden Anforderungen der Verordnung und deren potenzielle Implikationen für die Automobilindustrie. Er wies darauf hin, dass zwar sektorspezifische Gesetze Vorrang haben, der AI Act aber indirekten Einfluss auf zukünftige delegierte Rechtsakte im Rahmen der Typgenehmigung haben wird und eine Balance zwischen Innovation und Sicherheit gefunden werden muss.

Digitale Transformation der Homologation: Effizienzsteigerung durch KI und Standardisierung

Andreas Herzig, Partner Automotive Deloitte und Andreas Lauringer, CEO von Kontrol GmbH, präsentierten in digitale Lösungen zur Steigerung der Effizienz und zur Automatisierung des Homologationsprozesses durch KI-gestützte Werkzeuge und die Standardisierung von Softwarequalitätsmerkmalen. Sie betonten das Potenzial, Testkosten durch den Übergang von physikalischen zu virtuellen Tests und eine risikobasierte Teststrategie signifikant zu reduzieren.

Andreas Herzig, Partner Automotive bei Deloitte, erläutert: „Ein effektives Risikomanagement im Bereich KI-gestützter Mobilität erfordert Transparenz, Daten- und Systemsicherheit sowie eine robuste Compliance-Strategie.“
Andreas Herzig, Partner Automotive bei Deloitte, erläutert: „Ein effektives Risikomanagement im Bereich KI-gestützter Mobilität erfordert Transparenz, Daten- und Systemsicherheit sowie eine robuste Compliance-Strategie.“ (Bild: Offenblende – Agentur für Fotografie / Michael)

Alles Infos zur Konferenz Automotive Software Strategy

Am 19. und 20. Mai 2026 findet in München die 6. Konferenz Automotive Software Strategy statt. Zu den Themen zählen unter anderem das Software-Defined Architectures, intelligentes Datensammeln sowie Safety&Security.

Weitere Informationen zur Automotive Software Strategy finden Sie hier.

 

Automatisierte Konformitätsbewertung: Der EU AI Act in der praktischen Anwendung

Auch Dr. Benedikt Wolfers, Rechtsanwalt & Partner bei Posser, Spieth, Wolfers & Partner, ging auf das Zusammenspiel zwischen der EU-Gesetzgebung und dem AI Act ein. Er erklärte, dass zukünftige Aktualisierungen der L4-Verordnung 2022/1426 die Anforderungen des AI Acts für Hochrisiko-KI-Systeme berücksichtigen müssen. Diese beinhalten unter anderem, dass KI-Produkte allen anwendbaren EU-Gesetzen entsprechen, bekannte und vorhersehbare Risiken analysiert werden und die KI-Systeme konsistent ihren vorgesehenen Zweck erfüllen müssen.

Einen Ansatz zur automatisierten Konformitätsbewertung von High-Risk AI-Systemen gemäß dem EU AI Act präsentierte Sandy Rodrigues, Software Engineer AI & ML bei Elektrobit GmbH.

Generative KI für mehr Weitblick: Objekterkennung und Szenenverständnis der nächsten Generation

Dr. Christopher Plachetka, AI Engineer Volkswagen ADMT GmbH, stellte den Einsatz von generativer KI, insbesondere Vision-Language-Modellen (VLMs), zur Objekterkennung und Szenenerkennung vor, um die Abdeckung des Betriebsbereichs (ODD) zu verbessern. Er zeigte, wie VLMs, trainiert auf großen Internetdatensätzen, zur Extraktion von Szenen und Wetterinformationen genutzt werden können.

EU-Initiativen und politische Entwicklungen: Weichenstellung für die Mobilität der Zukunft

Dr. Stéphane Dreher, Head of Connected, Cooperative & Automated Mobility ERTICO – ITS Europe gab einen Überblick über EU-Gesetzesinitiativen und politische Entwicklungen im Bereich Digitalisierung und KI für den Transport- und Mobilitätssektor, einschließlich des AI Acts, des Data Acts und des Chips Acts. Er betonte die Chancen von KI zur Verbesserung des Verkehrsmanagements und autonomer Technologien, wies aber auch auf die Herausforderungen bei der Navigation durch regulatorische Rahmenbedingungen und der Gewährleistung von Sicherheit und Datenschutz hin.

Dr. Stéphane Dreher, Head of Connected, Cooperative and Automated Mobility (CCAM) at ERTICO, bringt Erfahrung in der Regierungsberatung, dem Regierungsmarketing, der Geschäftsentwicklung und der Strategie mit.
Dr. Stéphane Dreher, Head of Connected, Cooperative and Automated Mobility (CCAM) at ERTICO, bringt Erfahrung in der Regierungsberatung, dem Regierungsmarketing, der Geschäftsentwicklung und der Strategie mit. (Bild: Offenblende – Agentur für Fotografie / Michael)

Fazit: Die Konvergenz von Technologie und Regulierung ist von zentraler Bedeutung

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Konferenz AI-Assurance-in-Mobility Europe 2025 die zentrale Bedeutung der Konvergenz von Technologie und Regulierung für die erfolgreiche Entwicklung und Einführung von ADAS- und ADS-Systemen noch einmal verdeutlicht hat. Der Einsatz von KI bietet enormes Potenzial zur Bewältigung komplexer Aufgaben, erfordert aber gleichzeitig neue Ansätze in der Validierung, Testung und Zertifizierung sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen Industrie, Politik und Standardisierungsorganisationen. Die Entwicklung harmonisierter regulatorischer Rahmenbedingungen auf globaler Ebene und die Berücksichtigung der spezifischen Herausforderungen beim Einsatz von KI in sicherheitskritischen Anwendungen sind entscheidende Faktoren für die Zukunft der automatisierten Mobilität.

Die Autorin: Andrea Hoffmann-Topp

Andrea Hoffmann-Topp

In Bayern verankert, in der Welt zuhause. Andrea ist eine Globetrotterin in Sachen Mittelstand: Sie schätzt die Innovationskraft der familiengeführten Unternehmen ebenso wie die Strahlkraft großer Player mit internationalen Standorten - und vernetzt weltweit am liebsten beides miteinander. Reisen ist daher Programm. Dabei vergisst sie nie ein gutes Buch, Musik und ihren Tennisschläger.

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