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Da Umgebungsgeräusche die Sprachverständlichkeit bei mobilen Telefonaten verschlechtern können, wenden Handyhersteller diverse – zumeist software-basierte – Techniken an, um deren Auswirkungen abzumildern. Wie jeder weiß, der schon einmal in einem belebten Bahnhof, Flughafen oder Sportstadium per Handy telefoniert hat, liefern diese Techniken nur eine unbefriedigende Sprachqualität. Die verwendete digitale Signalverbesserung und automatische Lautstärkeregelung unterdrückt die Störgeräusche nicht wirklich, sondern mildert nur deren Auswirkungen.

Auf einen Blick

Aktive Störgeräuschunterdrückung löscht Lärm idealerweise durch Antischall aus: Um 180° phasenverschobene Schallwellen heben sich gegenseitig auf. In der Realität lassen sich störende Geräusche damit immerhin um 20 bis 30 dB absenken. Doch lohnt das auch für Handys, wenn das zweite Ohr weiterhin den Lärm hört? Untersuchungen von AMS und Joanneum Research zeigen: ja, die Sprachverständlichkeit steigt deutlich.

Aktive Störgeräuschunterdrückung (ANC, Active Noise Cancelling) ist hingegen eine weit verbreitete, sehr wirksame Technologie zur echten Dämpfung unerwünschter Umgebungsgeräusche: So genannter Gegenschall löscht die Störsignale aus. Leider findet man die ANC-Technologie normalerweise nur in Stereo-Kopfhörern der Spitzenklasse. Vor allem Vielflieger, die die nervigen Triebwerksgeräusche ausblenden möchten, wissen die ANC-Technologie sehr zu schätzen.

Die gleiche ANC-Technologie kann aber auch bei Handys und monauralen (einohrigen) Headsets die Sprachverständlichkeit drastisch verbessern. Das Konzept einer monauralen ANC-Implementierung mag der Intuition widersprechen – schließlich hört man mit dem „offenen“ Ohr immer noch Störgeräusche. Forschungsergebnisse belegen jedoch, dass auch monaurale Störgeräuschunterdrückung die Sprachverständlichkeit von Telefonaten deutlich verbessert.

Umgebungsgeräusche leiser hören

Die starke Nachfrage nach störgeräuschunterdrückenden Kopfhörern und Ohrhörern hat viele neue Anbieter in den Markt gelockt. Allerdings kompensieren viele Produkte, auf deren Karton das Etikett „Störgeräuschunterdrückung“ klebt, die Störgeräusche gar nicht per Antischall. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Wahrnehmung der Umgebungsgeräusche zu verringern. Eine einfache und kostengünstige – und hauptsächlich bei hohen Frequenzen wirksame – Lösung ist die passive Dämpfung, das heißt man benutzt schallabsorbierendes Material um Umgebungsgeräusche zu dämpfen.

Bild 1: Mögliche Maßnahmen zur Dämpfung von Störgeräuschen bei Mobiltelefonen.

Bild 1: Mögliche Maßnahmen zur Dämpfung von Störgeräuschen bei Mobiltelefonen.AMS

Leider ist passive Dämpfung bei niedrigeren Frequenzen so gut wie wirkungslos. Zur Dämpfung niedrigerer Frequenzen werden bei Mobiltelefonen diverse software-basierte Techniken der Signalverarbeitung angewandt. Bild 1 zeigt von oben links im Uhrzeigersinn:

  • Störgeräuschreduktion im Empfangspfad: Innerhalb des Sprachfrequenzbandes liegende Frequenzen werden verstärkt und/oder Sprachsignaturen werden hervorgehoben.
  • Antischall: Ein ANC-Mikrofon nimmt die Störgeräusche auf und eine elektronische Schaltung erzeugt ein Antischallsignal, das über den Lautsprecher wiedergegeben wird.
  • Automatische Lautstärkeregelung: Die Lautstärke des Lautsprechers wird je nach Störgeräuschpegel automatisch erhöht oder verringert.
  • Störgeräuschreduktion im Sendepfad: Durch Verändern der Richtcharakteristik des Mikrofons und/oder Noise Gating  werden Sprachsignaturen hervorgehoben.

Die am häufigsten anzutreffende Technik zur Störgeräuschreduktion ist die Reduktion im Sendepfad, für die in der Regel ein digitaler Signalprozessor (DSP) zum Einsatz kommt. Das Ausgangssignal des Mikrofons im Mobiltelefon ist ein Gemisch aus erwünschten Signalen (der Stimme des Benutzers) und unerwünschten Signalen (Umgebungsgeräusche). Mithilfe von DSP-Algorithmen versucht man, in diesem Signalgemisch zwischen Sprache und Störgeräuschen zu unterscheiden, die Störgeräusche herauszufiltern und solche Signale, die eine klar erkennbare Sprachsignatur aufweisen, zu verstärken. Einige Designs verwenden ein zweites Mikrofon, das nur die Umgebungsgeräusche erfasst und die Algorithmen dabei unterstützt, ihre Filter auf die Störgeräuschfrequenzen abzustimmen.

Natürliche Stimme

Das Problem bei diesem Ansatz ist, dass, je stärker man die Störgeräusche unterdrückt, die Stimme immer künstlicher klingt. Umgekehrt liefert eine weniger aggressive digitale Störgeräuschreduktion zwar eine natürlicher klingende Stimme, dies jedoch zu Lasten eines stärkeren Störsignalpegels, eines geringeren Signal/Rauschabstands und einer geringeren Sprachverständlichkeit.

Selbst wenn die künstlich klingende Stimme vielleicht noch akzeptabel wäre, so hilft diese Störgeräuschreduktion im Sendepfad lediglich dem Gesprächspartner, die Stimme des Sprechers besser zu verstehen. Das Gegenstück zur Störgeräuschreduktion im Sendepfad, die Störgeräuschreduktion im Empfangspfad, wird auf die gleiche Weise implementiert und unterliegt den gleichen Einschränkungen. Zudem wirkt sich die Störgeräuschreduktion im Empfangspfad lediglich auf das von der Gegenseite empfangene Signal aus. Mit anderen Worten: Dieses System hilft, den Gesprächspartner besser zu verstehen, wenn dieser sich in einer lauten Umgebung befindet.

Die Störgeräuschreduktion im Sende- und im Empfangspfad trägt dazu bei, die Sprachqualität zu verbessern, hilft aber einem Telefonbenutzer, der sich selbst in einer lauten Umgebung befindet, nicht, den Gesprächspartner besser zu verstehen.

Mach mal lauter

Eine dritte Technik, automatische Lautstärkeregelung, kann dazu beitragen, die Sprachverständlichkeit für den Hörer zu verbessern – allerdings nur, solange die Umgebungsgeräusche relativ leise sind.

Bei einem Telefon, das mit automatischer Lautstärkeregelung arbeitet, wird das Mikrofonsignal von einem DSP ausgewertet, um das Umgebungsgeräusch von der Stimme des Benutzers zu unterscheiden. Der DSP vergleicht den Schallpegel am Empfangsverstärker mit dem Umgebungsgeräuschpegel und berechnet daraus den Signal/Störabstand (SNR, signal-to-noise ratio). Wenn das SNR unter einen gegebenen Schwellenwert abfällt, erhöht die automatische Lautstärkeregelung die Verstärkung des Emfangsverstärkers, um das SNR zu erhöhen. Mit zunehmendem Umgebungsgeräuschpegel steigt auch der Schalldruck des Lautsprechers.

Diese Technik wird jedoch oberhalb eines gewissen Umgebungsgeräuschpegels unwirksam, weil der maximale Schalldruck, den der Lautsprecher erzeugen kann, entweder durch die Konstruktion des Lautsprechers selbst oder durch die maximale Ausgangsleistung des Lautsprecherverstärkers begrenzt ist – oder eine höhere Lautstärke das Ohr schädigen würde. Bei niedrigem Umgebungsgeräuschpegel lässt sich durch Erhöhen des Schalldrucks des Lautsprechers ein vorgegebener Störabstand einhalten. Bei zunehmendem Umgebungsgeräuschpegel wird der Schalldruck des Lautsprechers immer weiter angehoben, bis er schließlich sein Maximum erreicht. Steigt der Umgebungsgeräuschpegel noch weiter an, so sinkt der Störabstand und die Sprachverständlichkeit leidet.

Aktive Störgeräuschunterdrückung

Es wäre daher wirksamer – und gehörschonend –, den Umgebungsgeräuschpegel zu reduzieren, statt die Lautstärke des Lautsprechers zu erhöhen; genau das leistet die aktive Störgeräuschunterdrückung. Ein ANC-System erzeugt ein Antischallsignal (auch Gegenschall genannt), das über den Lautsprecher wiedergegeben wird und dadurch den Umgebungsgeräuschpegel am Ohr des Benutzers verringert und dadurch den Störsignalabstand entsprechend erhöht.

Bild 2: Funktionsweise der aktiven Störgeräuschunterdrückung bei einem typischen Headset.

Bild 2: Funktionsweise der aktiven Störgeräuschunterdrückung bei einem typischen Headset.AMS

Ein ANC-System – ganz gleich, in welcher Art von Endprodukt es Anwendung findet – besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: einem Mikrofon, einem Lautsprecher und einer ANC-Schaltung (siehe Bild 2). Das Mikrofon erfasst das Umgebungsgeräusch und gibt dieses Signal an die ANC-Schaltung weiter. Die ANC-Schaltung erzeugt ein Antischallsignal, das gewissermaßen ein invertiertes Abbild des Umgebungsgeräuschs darstellt. Dieses elektronisch invertierte Signal wird über den Lautsprecher abgestrahlt. Im Idealfall würden sich die beiden Signale gegenseitig vollständig auslöschen.

In der Praxis erreichen aktuelle Stereo-Headphones mit ANC-Technologie, beispielsweise das AKG K490NC, über den breiten Frequenzbereich von 20 Hz bis 1 kHz eine sehr beachtliche Störgeräuschunterdrückung von 20…30 dB. Das AKG K490 NC verwendet dafür den hoch integrierten ANC-Treiber AS3430 von AMS.

ANC an einem Ohr

ANC-Systeme werden normalerweise in Stereo-Anwendungen eingesetzt; Mobiltelefone und die meisten Headsets sind jedoch monaurale Geräte. Es stellt sich die Frage, ob der Einsatz eines ANC-Systems in einer monauralen Anwendung sinnvoll ist: Das offene Ohr ist ja weiterhin den Umgebungsgeräuschen ausgesetzt, ohne dass diese durch Antischall kompensiert werden. Doch ein Test, der von AMS initiiert und von Joanneum Research, einem unabhängigen Forschungsunternehmen, durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass auch eine monaurale aktive Störgeräuschunterdrückung die Sprachverständlichkeit in lauten Umgebungen signifikant verbessern kann.

Bild 3: Anordnung zum Testen der Sprachverständlichkeit eines monauralen ANC-Systems.

Bild 3: Anordnung zum Testen der Sprachverständlichkeit eines monauralen ANC-Systems.AMS

Bild 3 zeigt die Testanordnung. Die Versuchspersonen wurden einer rauschähnlichen Geräuschkulisse ausgesetzt, wie sie für ein belebtes Restaurant typisch ist; die Geräuschkulisse wurde mithilfe eines 5.1-Surround-Sound-Systems erzeugt. Das auf Tests dieser Art spezialisierte Institute of Information and Communication Technologies der Joanneum Research führte den Test in einem normgerechten Schallmessraum durch.

Handy im Restaurant

Die Versuchspersonen trugen im rechten Ohr einen ANC-Ohrhörer mit einer mittleren ANC-Störgeräuschunterdrückung von 10 dB im Sprachfrequenzband. Über den Ohrhörer hörten sich die Versuchspersonen einsilbige Wörter und zweistellige Zahlen an. Zwecks Simulation eines Telefongespräches wurden die Sprachsignale zusätzlich mit einem GSM-Codec behandelt. Die Versuchspersonen wurden gebeten, die ihnen vorgespielten Wörter und Zahlen zu wiederholen. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler, die den Test durchführten, die Sprachverständlichkeit bewerten.

Bild 4a: Ergebnisse des Sprachverständlichkeitstests an einem monauralen ANC-System; hier: Zweistellige Zahlen verstehen..

Bild 4a: Ergebnisse des Sprachverständlichkeitstests an einem monauralen ANC-System; hier: Zweistellige Zahlen verstehen..AMS

Die Testergebnisse (siehe Bild 4a und 4b) zeigen einen erstaunlich großen Unterschied zwischen der Sprachverständlichkeit bei eingeschalteter ANC-Funktion (durchgezogene graue Kurven) gegenüber der Sprachverständlichkeit bei ausgeschalteter ANC-Funktion (gestrichelte graue Kurven). Die beiden Kurven zeigen außerdem die Abhängigkeit der Sprachverständlichkeit vom Störsignalabstand. Sowohl bei eingeschalteter als auch bei ausgeschalteter ANC verlaufen die Kurven S-förmig – das stimmt mit den Ergebnissen früherer Sprachverständlichkeitstests überein, die von anderen Unternehmen und Organisationen durchgeführt wurden.

Bild 4b: Bei einsilbigen Substantiven ist der Vorteil der ANC-Technik zwar kleiner als bei zweistelligen Zahlen, aber immer noch erstaunlich groß.

Bild 4b: Bei einsilbigen Substantiven ist der Vorteil der ANC-Technik zwar kleiner als bei zweistelligen Zahlen, aber immer noch erstaunlich groß.AMS

Bei eingeschalteter ANC-Funktion sind die Kurven deutlich nach oben verschoben; das zeigt, wie die monaurale ANC-Störgeräuschunterdrückung die Sprachverständlichkeit bei höheren Umgebungsgeräuschpegeln verbessert. Die Verbesserung kommt daher, dass das Umgebungsgeräusch durch den Antischall abgeschwächt wird, wodurch der Störsignalabstand zunimmt.

Sprecher besser verstehen

Laut dem Bericht der Joanneum Research „belegen die Ergebnisse des Hörtests eine Verbesserung der Sprachverständlichkeit in lauten Umgebungen durch aktive Störgeräuschunterdrückung bei monauralen Ohrhörern“. Man beachte, dass die in Bild 4 gezeigten Ergebnisse mit einem Headset erzielt wurden, das eine relativ geringe Störgeräuschunterdrückung von nur 10 dB aufweist; dennoch verbesserte sich die Sprachverständlichkeit durch ANC laut Joanneum Research um bis zu 40 %. AMS geht davon aus, dass bei Verwendung eines Headset mit stärkerer Störgeräuschunterdrückung der Gewinn an Sprachverständlichkeit noch größer wäre, da – wie aus dem Diagramm ersichtlich ist – die ANC-Performance in einem direkten Zusammenhang mit dem Zugewinn an Sprachverständlichkeit steht.

Für Stereo-Headsets bietet AMS schon seit einiger Zeit stromsparende ANC-Komplettlösungen an. Mit den ANC-Treibern AS3400 und dem in 2012 vorgestellten AS3420 sind jetzt auch zwei für monaurale ANC-Anwendungen optimierte Produkte verfügbar. Der AS3420 eignet sich besonders für Bluetooth-Headsets, weil er einen differenziellen Eingang besitzt und dadurch direkt an Wireless-Chipsätze mit differenziellem Ausgang angeschlossen werden kann. Diese Treiber ermöglichen es, ein gewöhnliches Mono-Headset in ein echtes Mono-ANC-Headset umzuwandeln um so die Sprachverständlichkeit des Endprodukts zu verbessern.

Horst Gether

ist Produktmanager bei AMS in Unterpremstätten.

(lei)

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