Wie verändert aktuelle Fehlerstromüberwachung den EV-Markt? Neue RCM-Technik senkt Kosten und optimiert das Design von Ladegeräten.(Bild: Kalyakan - stock.adobe.com)
Die Elektromobilität bringt neue Anforderungen an die Fehlerstromüberwachung mit sich. Innovative RCM-Lösungen ermöglichen kompaktere, kostengünstigere und automatisierbare Ladegeräte – und setzen damit neue Impulse in einem gereiften Marktsegment.
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Die Technologie zur Erkennung von Fehlerströmen in elektrischen Leitungen und netzbetriebenen Geräten ist ausgereift und wird in Tausenden von Produkten mit Fehlerüberwachungs- und Schutzfunktionen eingesetzt. Tatsächlich wurde eine Art Fehlerstromschutzschalter (RCD) bereits in den 1950er Jahren von dem österreichischen Physiker Dr. Gottfried Biegelmeier erfunden.
Es mag daher überraschen, dass der Markt für Fehlerstrom-Überwachungsprodukte derzeit in Bewegung ist: In letzter Zeit sind vermehrt neue Produkte auf dem Markt erschienen und es sind auch einige neue Anbieter hinzugekommen. Was ist der Grund für einen solchen Umbruch in diesem reifen Markt? Die Antwort darauf ist das Elektrofahrzeug (EV).
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Mit der wachsenden Zahl von Elektrofahrzeugen auf den Straßen steigt auch die Zahl der installierten Heimladestationen – und hier spielt die Technik der Fehlerstromerkennung eine wichtige Rolle. Sowohl der Wettbewerbsdruck als auch die veränderten Verbrauchervorlieben veranlassen Hersteller von Fehlerstrom-Überwachungsgeräten (RCMs) für Elektrofahrzeug-Ladestationen nun dazu, ihr Produktangebot zu überarbeiten. So entstehen Anreize für die Hersteller von EV-Ladegeräten ihr Produktdesign verbessern, die Produktionseffizienz steigern und die Materialkosten senken.
Die Funktion des RCM in EV-Ladegeräten
In den letzten zehn Jahren hat sich ein Spezialmarkt für RCMs in Wechselstrom-Ladegeräten entwickelt. (Ein häufiges Beispiel für ein Wechselstrom-Ladegerät ist die bekannte 7-kW-Ladestation, die bei Elektrofahrzeugbesitzern zu Hause oder bei öffentlichen Ladestationen am Straßenrand installiert ist.) Netzleitungen in Wohn- oder kleinen Bürogebäuden sind bereits durch FI-Schutzschalter in der Stromverteilertafel oder im Sicherungskasten geschützt. RCDs reagieren jedoch nur auf Wechselstrom-Fehlerströme.
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Ein EV-Ladegerät erfordert sowohl eine Wechselstrom- als auch eine Gleichstrom-Fehlerüberwachung:
Wechselstromüberwachung für die Netzstromversorgung der Ladestation und die Stromverkabelung von der Ladestation zum Fahrzeug
Gleichstromüberwachung von Fehlern im elektrischen System der Fahrzeugbatterie, die einen Gleichstromfehler in das Ladegerät zurückspeisen könnten
Sowohl Wechselstrom- als auch Gleichstromfehlerströme bergen die Gefahr eines elektrischen Schlags für den Benutzer, eines Brandes oder einer Beschädigung der elektrischen Schaltkreise. Fehlerströme können verursacht werden durch:
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Mangelhafte Isolierung durch mechanische Beschädigung der angeschlossenen Kabel
Verminderter Isolationswiderstand durch Feuchtigkeit oder Verschmutzung
Kabelisolation versprödet nach Dauerbetrieb bei hohen Temperaturen
Dies bedeutet, dass EV-Ladegeräte eine spezielle Art von RCM benötigen, die sowohl Wechsel- als auch Gleichstromfehler erkennen kann, wie in der Norm IEC 62752 „Ladeleitungsintegrierte Steuer- und Schutzeinrichtungen (IC-CPD) für die Ladebetriebsart 2 von Elektro-Straßenfahrzeugen“ und IEC 62955, „Fehlergleichstrom-Überwachungseinrichtung zur Verwendung mit der Ladebetriebsart 3 von Elektrofahrzeugen“ festgelegt. (Ladebetriebsart 2: Aufladen über eine normale Steckdose, Ladebetriebsart 3: Aufladen über eine spezielle Wallbox)
Bis vor kurzem wurden in Europa jährlich nur einige zehntausend Ladegeräte für private Haushalte produziert. Der Markt für konventionelle RCM wurde daher nur von wenigen spezialisierten Herstellern bedient.
Der Ringkernaufbau eines RCM ist einfach, aber die Konstruktion der Magnete und der Signalverarbeitungsschaltung erfordert technisches Spezialwissen, so dass die Hersteller von Ladegeräten es vorgezogen haben, RCMs von der Stange zu kaufen, anstatt sie selbst zu entwickeln und zu bauen (Bild 1). In den Jahren bis 2022 waren die Bestände an diesen speziellen Standardgeräten begrenzt und der Preisdruck auf die RCM-Hersteller gering.
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Bild 1: Typische dreiphasige RCM-Schaltung. In einem fehlerfreien System ist die Summe aller Ströme gleich Null, so dass im Messstromwandler keine Spannung induziert wird. Fließt ein Fehlerstrom über PE (Erde) oder andere Pfade, erzeugt die Stromdifferenz im Transformator einen Stromfluss, der vom RCM erkannt wird(Bild: Future Electronics)
Seit Anfang 2023 hat sich die Marktdynamik drastisch verändert. Erstens: Der Markt für Elektrofahrzeuge ist in Schwung gekommen. Batteriebetriebene Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeuge machten 2019 nur 3,0 % aller Neuzulassungen in Europa aus. Bis 2022 stieg dieser Anteil auf 21,5 %. Und das Wachstum geht weiter: Allein im August 2023 kauften europäische Kunden 165.165 neue batteriebetriebene Elektroautos. Der Anteil rein batteriebetriebener Elektroautos am Gesamtmarkt überstieg erstmals 20 % – der Marktanteil von Elektrofahrzeugen stieg von 11,6 % im August 2022.
Mit dem rasanten Anstieg der Verkaufszahlen von Elektrofahrzeugen wird auch der Markt für AC-Ladegeräte einen Boom erleben. Dies hat zwei tiefgreifende Auswirkungen auf den Markt für RCMs.
Übergang zur automatisierten Produktion – da die jährlichen Produktionsmengen von Tausenden auf Millionen steigen, drängt der Wettbewerbsdruck die RCM-Lieferanten dazu, die Hersteller von Ladegeräten in die Lage zu versetzen, zuvor manuelle Montageprozesse zu automatisieren.
Erhöhter Kostendruck – die erste Welle von EV-Käufern, die „Early Adopters“ waren stark motiviert, sich für ein batterieelektrisches Fahrzeug zu entscheiden, sei es aus Gründen des Umweltschutzes oder weil sie eine EV-Marke oder ein bestimmtes Fahrgefühl bevorzugten. Dadurch waren sie sowohl beim Fahrzeug als auch beim Ladegerät relativ preisunempfindlich. Dank der Maßnahmen verschiedener Regierungen, den Besitz von Elektrofahrzeugen zu fördern und mit fossilen Brennstoffen betriebene Autos zu benachteiligen, verändert sich nun das Profil des Elektrofahrzeugkäufers. Elektrofahrzeuge sind zu einem Mainstream-Produkt geworden, und der Preis spielt eine viel wichtigere Rolle bei der Kaufentscheidung. Das Ladegerät wird im Allgemeinen als Massenartikel betrachtet und unterliegt einem starken Preisdruck, der an die Hersteller der Komponenten, einschließlich des RCM, weitergegeben wird.
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Diese beiden Faktoren veranlassen RCM-Hersteller zu Innovationen hinsichtlich Design und Geschäftsmodell und führen zu einer vielversprechenden Phase für die Einführung neuer Produkte. Hier sind die wichtigsten neuen Produktentwicklungen auf dem Markt für RCMs.
Unterstützung für automatisierte Montage
Bei der typischen Produktkonfiguration von RCMs für EV-Ladegeräte muss das Stromkabel manuell durch die Öffnung im Transformator geführt werden (Bild 2). Dieser manuelle Montagevorgang kann umständlich und zeitaufwendig sein, wenn das RCM im Gehäuse des Ladegeräts montiert ist.
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Bild 2: Broyce Control RCM-EV-03 hat die traditionelle Bauform mit einer Öffnung, durch die das Stromkabel verläuft(Bild: Future Electronics)
Um eine rationelle, automatisierte Montage zu ermöglichen, hat Broyce Control ein neues Produkt auf den Markt gebracht, das auf einer Leiterplatte montierte RCM-EV-08/09 (Bild 3) mit vier integrierten Primärleitern. Der Platinenanschluss erfolgt über zwei 4-polige Stiftleisten an der Gehäuseunterseite. Das Gerät erkennt Wechsel- und Gleichstromfehlerströme gemäß IEC 62752 und ist mit festen Auslöseschwellen von 6 mA Gleichstrom und 30 mA Wechselstrom konfiguriert. Es ist sowohl für EV-Ladesysteme im Modus 2 als auch im Modus 3 geeignet. Darüber hinaus ist eine Version RCMEV09 mit nur 6 mA für Modus-3-Ladesysteme erhältlich.
Bild 3: Broyce Control RCM-EV-08/09 vereinfacht die Montage, da das Stromkabel nicht mehr durch eine Öffnung geführt werden muss.(Bild: Future Electronics)
Einfacheres Platinenlayout
Zettler Magnetics ist ein weltweit bedeutender Hersteller von Transformatoren, Drosseln und Leistungsmodulen. Mit der Entwicklung des Produkts APR00T0332WT/APE00T0332WT macht das Unternehmen einen wichtigen Schritt auf dem RCM-Markt für EV-Ladegeräte. Wie bei den Produkten von Broyce Control handelt es sich um einen Fluxgate-Stromsensor, der eine hohe Messgenauigkeit von typisch ±0,1 % und eine hohe Temperaturlinearität bietet. Das APR00T0332WT RCM entspricht den Spezifikationen der Norm IEC 62955, das APE00T0332WT entspricht IEC 62752.
Die Innovation des APR00T0332WT/APE00T0332WT ist der neue Ansatz für das Platinenlayout. Die heute auf dem Markt erhältlichen RCMs erfordern eine komplexe Leiterbahnführung zwischen Stromversorgung, RCM und Last. Bei der Entwicklung des APR00T0332WT/APE00T0332WT wurde auf ein einfaches Platinenlayout bei gleichzeitig hoher Sensorleistung und kompakten Abmessungen geachtet.
Bild 4: Das Zettler APR00T0332WT/APE00T0332WT ermöglicht eine einfache Leiterbahnführung im Platinenlayout eines EV-Ladegeräts(Bild: Future Electronics)
Senkung der Materialkosten
Der dritte auf dem Markt erkennbare Trend ist die Reaktion der Hersteller auf den Kostendruck, der durch die steigenden Materialkosten für Ladegeräte entsteht. Ein Beispiel hierfür liefert der chinesische Hersteller Hongfa. Das Unternehmen bietet eine Reihe von normgerechten RCMs, die HFCA-Fxx-Familie, zu einem attraktiven Preis an. Dazu gehören die Modelle HFCA-F12 (Analogausgang) und HFC-F15 (digitale PWM) (Bild 5).
Bild 5: Das Hongfa HFCA-F15 RCM ist in der Lage, die Kosten dieser RCMs durch Reduzierung der Funktionalität zu senken.(Bild: Future Electronics)
Hongfa ist in der Lage, die Kosten dieser RCMs durch Reduzierung der Funktionalität zu senken: Die Produkte der HFCA-Fxx-Familie sind Fluxgate-Sensoren mit einfachen analogen oder digitalen PWM-Ausgängen. Damit entfällt die Notwendigkeit einer zusätzlichen Schaltung in Form eines Mikrocontrollers und der dazugehörigen Komponenten. Die Software, die erforderlich ist, um die Anforderungen der Normen IEC 62955 und IEC 62752 (für HFCA-F15) oder nur IEC 62955 (für HFCA-F12) zu erfüllen, läuft stattdessen auf dem Host-Mikroprozessor oder Mikrocontroller des EV-Ladegeräts.
Neue Möglichkeiten zur Senkung der Material- und Produktionskosten von EV-Ladegeräten
Der Boom beim Verkauf von Elektroautos ist in vollem Gange, und die Zahl der für den europäischen Markt benötigten Ladestationen wird schnell wachsen. Dadurch gibt es mehr Anbieter und der Wettbewerbsdruck auf dem Markt nimmt deutlich zu. Die Innovationen der Hersteller von RCMs, einer entscheidenden Sicherheitskomponente, dürften den Herstellern von Ladegeräten dabei helfen, die Produktion effizient hochzufahren und gleichzeitig die Nachfrage der Verbraucher nach erschwinglicheren Ladegeräten zu erfüllen. (na)
Tony Titre
EMEA Business Development Manager (Automobilindustrie) bei Future Electronics