Immer weniger Schüler entscheiden sich für ein Elektro- und Informationstechnik-Studium.

Immer weniger Schüler entscheiden sich für ein Elektro- und Informationstechnik-Studium. Und von denen, die es studieren, berechen viel bereits in den ersten Semestern ab. Was sind die Gründe? Michael Schanz vom VDE gibt Antworten. (Bild: Anke Thomass - stock.adobe.com)

Der VDE hat eine Studie über den Arbeitsmarkt der Elektroingenieurinnen und Elektroingenieure durchgeführt. Wie groß ist aktuell der Bedarf und das Angebot an Elektroingenieuren?

Den Bedarf bilden zunächst die Stellen, die jährlich durch Verrentung frei werden, hier muss auch der demographische Wandel berücksichtigt werden. Das sind dieses Jahr ca. 13.200 Stellen. Dazu kommen neue Stellen, die durch das Technologie-bedingte Wachstum der Branche entstehen, das durch Megatrends wie Industrie 4.0, Digitalisierung oder Elektromobilität getrieben wird. Ich rechne dieses Jahr mit mehreren Tausend neuen Stellen. So kommen wir 2023 wohl insgesamt auf einen Bedarf von ca. 16.000 Elektroingenieuren

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Das Angebot bilden die jährlichen Hochschulabsolventen und -absolventinnen. Dieses Jahr werden das ca. 7.500 Elektrotechnik-Studierende sein, wobei zu dieser Zahl auch die ausländischen Studierenden zählen, die teilweise in ihre Heimat zurückkehren werden.

Damit liegen wir momentan bei Rekord-Höchstwerten in der Verrentung und -Niedrigwerten bei den Absolventen.

Was ist die Konsequenz aus diesen Zahlen?

Die in Deutschland neu ausgebildeten Absolvierenden der Elektro- und Informationstechnik reichen nicht einmal ansatzweise dazu aus, den Bedarf zu decken. Das führt dazu, dass sich die Unternehmen im Ausland nach fertigen ausgebildeten Ingenieuren und Ingenieurinnen umschauen. Wir müssen aufpassen, dass nicht irgendwann die Firmen ins Ausland abwandern, weil sie dort leichter die benötigten Absolventen und Absolventinnen finden. Nicht alle wollen unbedingt in Deutschland arbeiten.

Wie beliebt ist das Elektrotechnik-Studium bei Studierenden in Deutschland?

Erstmal ist die absolute Studienanfängerzahl für die Beliebtheit eines Studiums ein unzureichender Indikator, weil hier diverse Sondereffekte wie Corona, demografischer Wandel oder die Verkürzung der Gymnasialzeit mit einspielen. Ein Wert, der die Beliebtheit gut widerspiegelt, ist der prozentuale Anteil der Elektro- und Informationstechnik-Studienanfänger und -anfängerinnen an allen Erstsemesterstudierenden. Dieses Jahr wollten nur 3,5 Prozent aller Erstsemester diese Fächer studieren. Vor 10 Jahren waren es noch 5,4 Prozent. Das heißt, die Beliebtheit ist stetig um insgesamt 35 Prozent gesunken!

Ist dieser Trend in allen technischen Studiengängen spürbar?

Nein, hier ist der große Gewinner das Fach Informatik: in den letzten 10 Jahren hat das Fach knapp 30 % an Beliebtheit gewonnen.

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Was haben Sie unternommen, um den Ursachen auf den Grund zu gehen?

Wir haben zu dem Thema mit den elektrotechnischen Fachbereichen und Fakultäten in Deutschland die bisher größte Studie zum Image der „Elektrotechnik“ bei Schülern und Schülerinnen und Studierenden durchgeführt.

Dabei wurden Elektro- und Informationstechnik-Studierende unter anderem auch nach den Gründen für ihre Wahl befragt. Viele der Befragten waren bereits vor ihrem Studium in der Makerszene unterwegs und hatten deshalb schon eine Vorstellung von diesem Fach.

Was ist der Grund für das mangelnde Interesse der Schüler an diesem Fach?

Zunächst einmal haben wir Schüler und Schülerinnen mit sehr guten Noten in Mathe und Naturwissenschaften, die sich am ehesten für ein Elektro- und Informationstechnik-Studium interessieren könnten, gefragt, was sie sich unter dem Beruf eines Elektroingenieurs oder einer Elektroingenieurin vorstellen. Die Befragten hatten fast ausschließlich das Bild eines Handwerkers im Kopf, was uns erschreckt hat.

Ein Handerwerker, der Lampen anschließt – das ist das Bild, dass die meisten Schüler vom Beruf des Elektroingenieurs haben.
Ein Handerwerker, der Lampen anschließt – das ist das Bild, dass die meisten Schüler vom Beruf des Elektroingenieurs haben. (Bild: homasz Zajda - stock.adobe.com)

Hier gab es niemand, der sich von sich aus ein Elektrotechnikstudium vorstellen konnte. Die Befragung ergab auch, dass speziell junge Frauen sich von dem hohen Männeranteil abgeschreckt fühlen. Sie bringen außerdem diverse Ängste mit, wie beispielsweise „etwas kaputt zu machen“ und auch, dass das soziale Umfeld die Studienwahl ablehnen könnte. Elektrotechnik wird von Schülern und Schülerinnen überhaupt nicht mehr verstanden.

Wie steht es um den Studienerfolg im Fach Elektro- und Informationstechnik?

Hier steigt seit ca. 20 Jahren die Abbruchsquote fast linear an. Momentan sind wir hier bei einem Höchstwert vom ca. 65 Prozent. In meiner Studienzeit lag es eher an "Killerfächern“ wie z.B. Feldtheorie. Das können wir aktuell nicht erkennen. Die Entscheidung fällt oft schon im ersten Semester.

Was sind die Gründe für die hohe Abbruchsquote?

Ich bin der festen Überzeugung, dass es am Fach an sich liegt und nicht am sozialen Umfeld oder an den Hochschullehrenden. Ein Indikator dafür ist, dass die Befragten, die ihr Studienfach gewechselt haben, mit dem neuen Fach glücklich sind. Auch geben Elektrotechnikstudierende an, dass die wichtigste Eigenschaft, die man für das Studium braucht, Durchhaltevermögen ist. Ich denke ein Grund ist, dass das Studium gerade am Anfang wenig Spaß macht, sehr trocken und praxisfern ist. Und die Studierenden haben teilweise falsche oder gar keine Vorstellungen vom späteren Beruf. Mein Fazit: Sie projizieren ihre Erfahrungen im ersten Semester auf 40 Jahre spätere Berufstätigkeit und kommen zu dem Schluss „Das ist nichts für mich“. Dann sind sie weg, noch bevor das Studium interessant wird z.B. bei Projektarbeiten.

Ist bei den Studierenden-Zahlen auch ein geschlechtsspezifischer Trend zu sehen?

Die Frauenquote ist leider immer noch sehr niedrig. Außer in Medizintechnik, die oft bei der Elektrotechnik angesiedelt ist, da liegt die Frauenquote etwa bei 50 Prozent. Allerdings gibt es eine schöne Korrelation: seit dem Beschluss der Energiewende gab es einen Knick nach oben in der Frauenquote unter den Erstsemestern zwischen 17 und 19 Prozent. Trotz der leicht positiven Tendenz sind wir immer noch das absolute Schlusslicht bei technischen Studiengängen.

Was sind die Auswirkungen der sinkenden Studierendenzahlen?

In einer ganz neuen Studie wurden Hochschulen dazu befragt, ob der Schwund an Erstsemstern bei ihnen bereits zu Problem führt. Dabei gaben 25 Prozent an, dass deshalb bereits Mittelkürzungen vorgenommen wurden. Ich habe sogar davon gehört, dass die Hochschulleitung dazu aufgefordert hat, das Niveau des Studiums zu senken, um mehr Absolventen und Absolventinnen vorweisen zu können. Das kann hier aber keinesfalls die Lösung sein, denn für Schüler und Schülerinnen, die vielleicht gerade am Anfang weniger Theorie und eine größere Praxis wünschen, gibt es andere Möglichkeiten, wie eine Ausbildung oder ein duales Studium.

Welche Bilder machen Elektrotechnik für Schüler attraktiv?

Bilder, auf die Schüler und Schülerinnen ansprechen, vermitteln z. B. Teamarbeit und Frauen und Männer arbeiten auf Augenhöhe zusammen. Solche Bilder sollten etwas zeigen, das die Schüler kennen und anspricht, wie ein Windrad.

Frauen und Männer arbeiten im Team an alternativen Energiequellen – das sind Bilder, die junge Leute anspricht.
Frauen und Männer arbeiten im Team an alternativen Energiequellen – das sind Bilder, die junge Leute anspricht. Jetzt müssen wir sie nur noch verbreiten. (Bild: Blue Planet Studio - stock.adobe.com)

Auch spacige Sachen, wie Hologramme kommen gut an. Mögliche Claims sollten darauf abzielen, dass Elektro- und Informationstechnik ein zukunftsträchtiger Bereich ist, der ein attraktives Berufsfeld bietet, der spannend ist und zu mehr Nachhaltigkeit beitragen kann.

Und dass solche Bilder bei Schülern und Schülerinnen wirklich etwas bewirken können, hat unsere Studie gezeigt: nachdem sie ihnen vorgelegt wurden, hat sich das Image der Elektrotechnik signifikant gewandelt!

Wie können wir Schülern dieses Image vermitteln?

Indem wir es über Social Media verbreiten, in Form von Videos und Memes, beispielsweise auf Youtube. Wir sind dafür bereits im Gespräch mit einer Werbeagentur. Jetzt fehlen uns eigentlich nur noch Firmen, die bereit sind, uns bei dieser Image-Kampagne zu unterstützen.

Und dann ist es wichtig, dass Hochschulen eine aussagekräftige und jugendgerechte Homepage haben. Denn wenn Studieninteressierte durch ein Video auf Elektro- und Informationstechnik aufmerksam geworden sind und sich über ein konkretes Studium informieren wollen, dürfen wir sie nicht durch eine wenig ansprechende Internetseite wieder abschrecken. Zu dem Thema bin ich bereits im Gespräch mit dem entsprechenden Fakultätentag und dem Fachbereichstag.

Die Voraussetzungen sind also gut, dass wir das Thema angehen. Dafür war die detaillierte Analyse des VDE in Partnerschaft mit Fachbereichs- und Fakultätentag nötig. Mit der Durchführung wurde übrigens Dr. Maya Götz, eine der führenden Medienpädagoginnen betraut. Sie hat sehr dabei uns geholfen, dass wir mal den Spiegel vorgehalten bekommen.

Übrigens halte ich es auch für wichtig, die Informationstechnik als Teil des Studienfach-Namens nicht zu unterschlagen, denn mit diesem Begriff können Jugendliche etwas anfangen und er motiviert sie vielleicht eher, dieses Fach zu studieren. Dass Informationstechnik auch zur Elektrotechnik dazugehört, wissen nur die, die sich ohnehin schon damit befassen. Die meisten verbinden Informationstechnik = Information Technology, also IT, mit Informatik.

Warum empfehlen Sie jungen Leuten, einen Beruf in der Elektronikbranche zu ergreifen?

Weil wir Dinge tun können, die sonst keiner kann und darf. Wir können tolle Sachen bauen, wie z.B. sensorische Implantate, mit denen Behinderte ihre Körperfunktionen wieder zurückerlangen können. Gerade die Sensorik bietet so viel Faszinierendes und so viele Einsatzmöglichkeiten. Außerdem bietet die Elektronikbranche ein gutes Gehalt, ein internationales Arbeitsumfeld und auch einen sicheren Job über Jahre, da die Studierenden in ihrer Ausbildung lernen, sich schnell auch in völlig neue komplizierte Themen einzuarbeiten. Und vor allem können Elektroingenieure und -ingenieurinnen großes Bewegen und bei den wichtigsten Themen unsere Zeit wie der Energiewende oder der Mobilitätswende mitarbeiten. Es gibt noch so viel zu entdecken und zu entwickeln!

Dr. Michael Schanz, Sprecher im VDE
Dr. Michael Schanz, Sprecher im VDE (Bild: VDE)

Michael Schanz studierte und promovierte an der Universität Duisburg-Essen. 1992 erlebte er das Gegenteil vom aktuellen Fachkräftemangel: Es gab kaum offene Stellen für Elektroingenieure. Deshalb blieb er am Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme, an dem er davor als Hiwi tätig war und entwickelte dort intelligente optische Mikrosensoren. Aktuell ist er Business Development Manager und Sprecher für Ingenieurstudium und Ingenieurberuf beim VDE.

Die Autorin: Sabine Synkule

Sabine Synkule
(Bild: Sabine Synkule)

Durch ihr Elternhaus schon von Kindesbeinen an naturwissenschaftlich geprägt, war früh klar, dass Sabine Synkule auch beruflich einmal diese Richtung einschlagen würde. Nach einem Physikstudium und einer Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiterin entschied sie sich schließlich dafür, nicht mehr selbst zu forschen, sondern über die Ergebnisse der Forschung anderer zu berichten. So ist sie schließlich im Fachjournalismus gelandet und dort für die Bereich Messtechnik, Sensoren und Stromversorgung zuständig. Deshalb – und weil sowieso niemand ihren Nachnamen richtig ausspricht – wird sie auch gerne als die Power-Frau von Hüthig vorgestellt. Privat würde niemand auf die Idee kommen, dass ihr Beruf etwas mit Technik zu tun hat. So fragt sie keiner ihrer Bekannten jemals um Rat, wenn einmal ein Fernseher oder Computer kaputt ist. Ihre Expertise wird nur bei der Umsetzung aufwändiger Kochrezepte oder dem Erstellen neuer Strick- und Stickmuster eingeholt.

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