Matulka

(Bild: Matulka)

In zwei Produktionshallen fertigen 80 Mitarbeitende von Matulka electronic teils automatisiert, teils manuell Elektronikkomponenten und Platinen, beispielsweise für große Automobilhersteller. Seit einigen Jahren werden Arbeitsplätze mit PCs ausgestattet, an denen technische Zeichnungen abgerufen, Auftragszeiten gebucht und Informationen zu Aufträgen hinterlegt werden können.

Welche Quick Wins wurden identifiziert?

Die Produktionsleiterin Martina Schur-Reinhold wandte sich für die nächsten Schritte an das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg. Die Mittelstand-Digital Expertinnen Maria Maier und Olivia Bernhard vom Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der TU München entwickelten nach einem Vor-Ort-Besuch und Workshops einen Quick-Wins-Plan. Dieser beinhaltet kleine Veränderungen, um schrittweise Zeit für Änderungen zu schaffen.

Ein wesentlicher Quick Win ist zum Beispiel die Einführung der 5S-Methodik. Diese Methodik ist ein systematischer Ansatz zur Verbesserung der Arbeitsplatzorganisation und -effizienz, der aus dem japanischen Toyota-Produktionssystem stammt. Die Methodik umfasst fünf Schritte, die alle mit dem Buchstaben „S“ beginnen:

  1. Sortieren (Seiri): Unnötige Gegenstände werden aussortiert und entfernt, um den Arbeitsplatz übersichtlich zu halten.
  2. Systematisieren (Seiton): Alle verbleibenden Gegenstände werden ordentlich angeordnet und gekennzeichnet, damit sie leicht zugänglich sind.
  3. Sauberkeit (Seiso): Der Arbeitsplatz wird regelmäßig gereinigt, um eine saubere und sichere Arbeitsumgebung zu gewährleisten.
  4. Standardisieren (Seiketsu): Standards und Regeln für Ordnung und Sauberkeit werden festgelegt und regelmäßig überprüft.
  5. Selbstdisziplin (Shitsuke): Die Einhaltung der festgelegten Standards und Regeln wird durch Schulungen und regelmäßige Überprüfungen gefördert und verbessert.
Rollwägen von Matulka
Die Rollwägen sollen in der schon vorhandenen Software als Lager mit definierten Plätzen angelegt und damit jedem Stück ein fester Platz gegeben werden. (Bild: Matulka electronic)

Durch die Anwendung der 5S-Methodik sollen Arbeitsabläufe effizienter, Fehler reduziert und die Produktivität gesteigert werden. Die Maßnahmen schaffen Ordnung und Struktur an Arbeitsplätzen, wodurch sich Transportwege, Warte- und Suchzeiten einsparen und Fehler reduzieren lassen.

Ein weiterer Quick Win ist die Strukturierung der Kommissionierwägen. Hier kommt es oft zu Suchzeiten beim Rüstvorgang, wenn passendes Material auf dem Wagen gesucht werden muss. Idealerweise werden die Rüstpläne digitalisiert und im Lager dazu genutzt, die Rollwägen nach den Bedarfen des Rüstpersonals strukturiert in festgelegten Ebenen und Fächern zu bestücken. In einem nächsten Schritt sollten die Rollwägen in der schon vorhandenen Software als Lager mit definierten Plätzen angelegt und damit jedem Stück ein fester Platz gegeben werden. Mit einer digitalen Anzeige der Artikel erhält das Rüstpersonal dann noch bessere Unterstützung.

Was passiert nach den Quick Wins?

Die beiden Quick Wins sind darauf ausgelegt, mit relativ wenig Aufwand Potenziale zu heben und so Zeit einzusparen. Als größere Digitalisierungsprojekte bieten sich danach vor allem zwei Bereiche an: ein visuelles Shopfloor Management für die Produktionsorganisation und ein digitales Fehlermanagement für die Qualitätskontrolle.

Was in der Produktionsplanung bisher vor allem zu Beginn der Schicht über Sichtkontrolle und Excel-Pläne geschieht, sollte für mehr Transparenz über Status und Ort aller Aufträge in einem digitalen System gesammelt und visuell dargestellt werden. Aufträge lassen sich so passgenauer priorisieren, was die Liefertermintreue erhöhen soll. Sie sind mit ihrer Auftragsnummer in einem digitalen Hallenlayout einem Bereich wie „Manuelle Fertigung“ oder „Qualitätskontrolle“ räumlich zugeordnet, ihr Fortschritt ist in kleinen Kreisdiagrammen (sogenannten Harvey Balls) zu sehen und ihre Priorität kann z. B. über farbliche Markierungen angegeben werden.

In der Qualitätskontrolle kann es zu Liegezeiten kommen, denn jedes Teil wird getestet. Aufträge können auch mal mehrere Tausend Stück umfassen und hier geht aktuell alles nach dem FIFO-Prinzip: Aufträge werden in der Reihenfolge abgearbeitet, in der sie dort ankommen. Eine digitale Übersicht über die Aufträge könnte helfen, anzuzeigen, wie viele Tage der Auftrag bereits dort wartet, wie viele Teile zu bearbeiten sind und wie viele Tage bis zur Auslieferung bleiben. Aufträge, die beispielsweise weiter hinten eingereiht sind, aber nur wenige Teile umfassen und gleichzeitig Zeitdruck zur Auslieferung haben, könnten dann vorgezogen werden. Auch würde es langfristig Sinn machen, Fehlerbilder strukturiert zu erfassen und so beispielsweise Muster aufzudecken, um die Ursachen gezielt beheben zu können.

Für Matulka steht nun zuerst auf dem Plan, die Quick Wins anzugehen und sich auf die größeren Projekte vorzubereiten. Der Start selbst kann schnell zur größten Herausforderung werden, wenn das Tagesgeschäft boomt. Dennoch lohnt es sich: Das Identifizieren von Quick Wins bringt, wie der Name schon sagt, sehr schnell sichtbare Ergebnisse, wenn auch erst im Kleineren.

Petra Gottwald
(Bild: Hüthig Medien / Petra Gottwald)

Petra Gottwald

Chefredakteurin Elektronik-Titel, nach Unterlagen von Matulka electronic, Nördlingen

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