Manuelle THT-Prozesse technisch optimieren

THT-Bestückung: Zwischen Handarbeit und Automatisierung

Während die Automatisierung in SMT-Linien seit Jahren Standard ist, bleibt die THT-Bestückung weitgehend manuell. Neue Ansätze zeigen, wie sich Effizienz und Qualität auch bei komplexen Baugruppen technisch verbessern lassen. Eine innovative Prozessgestaltung soll Rückverfolgbarkeit und stabile Qualität trotz Variantenvielfalt und Fachkräftemangel ermöglichen.

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THT-Bestückung ist in vielen Fällen Handarbeit. Das Multi Line Assist unterstützt durch Werkerführung und Inspektion

Wie Assistenzsysteme die manuelle THT-Bestückung effizienter und sicherer machen

  • THT-Bestückung bleibt oft manuell – Assistenzsysteme wie Multi Line Assist erhöhen Effizienz, Qualität und Rückverfolgbarkeit.
  • Projektion, Werkerführung und 47-MP-AOI reduzieren Fehler und Nacharbeit direkt im Prozess.
  • Flexible Integration und umfassende Datenanbindung unterstützen Smart-Factory-Anforderungen.
Multi Line Assist mit optionalem Bestücktisch als schlüsselfertige Komplettlösung

Eine vielversprechende Lösung bieten Bestückassistenzsysteme wie das Multi Line Assist. Das System verbindet Werkerführung und optische Inspektion in einer kompakten Einheit und schafft damit die Grundlage für höhere Produktivität und Prozesssicherheit in der THT-Fertigung.

Intuitive Werkerführung

Teil des Systems ist eine Projektionseinheit, die Bestückanweisungen direkt in das Sichtfeld des Werkers einblendet. Die Position des Bauteils wird präzise auf der Baugruppe markiert. Zudem werden Zusatzinformationen (Name Bauform und Bauteil, Bild des Bauteils, Kommentare, Informationen zu Schütten etc.) direkt auf den Arbeitstisch projiziert. Die Projektionen entstehen automatisch aus dem Prüfprogramm und müssen nicht separat programmiert werden. Dadurch verkürzen sich die Bestückzeiten erheblich, und auch komplexe Baugruppen lassen sich ohne spezielles Vorwissen montieren. Sprachbarrieren verlieren an Bedeutung, da die Projektionen Schritt für Schritt durch den Montageprozess führen. Parallel dazu zeigt ein Monitor ein Live-Bild der Baugruppe, in dem die zu bestückende Position ebenfalls hervorgehoben wird.

Visuelle Kontrolle mit 47 Megapixel

Ein integriertes AOI-Modul mit einer 47-Megapixel Kamera kontrolliert die Bestückung unmittelbar nach jedem Schritt oder alternativ nach Abschluss des gesamten Montagevorgangs. Fehlende oder falsch orientierte Bauteile oder eine fehlerhafte Polung werden zuverlässig erkannt. Auch Schrift- und Farberkennung sind möglich. Damit wird die Qualität bereits während der Fertigung abgesichert, was Nacharbeiten und Reklamationen stark reduziert. Gleichzeitig entsteht eine lückenlose Dokumentation der Ergebnisse in einer Datenbank. Inspektionsergebnisse lassen sich über Plug-ins problemlos an bestehende MES-Systeme übermitteln. Auch ein farbiges Übersichtsbild der bestückten Baugruppe kann Seriennummern-spezifisch abgespeichert werden.

Projektion von Bestückinformationen direkt in das Sichtfeld des Werkenden. Direkt nach jeder Bestückung oder am Ende der Bestückung inspiziert ein AOI-Modul.

Beleuchtung für kontrastreiche Prüfmerkmale

Eine Schlüsselrolle spielt die sogenannte Magic Light-Technologie. Um Prüfmerkmale kontrastreich im Kamerabild darstellen zu können, wird Licht aus verschiedenen Richtungen benötigt. Eingeprägte Schriftzeichen, Pol- und Passmarken lassen sich mit einer Seitenbeleuchtung darstellen. Kleine Bauelemente, die sich in Schluchten zwischen hohen Bauteilen befinden, lassen sich sehr gut mit Licht von oben ausleuchten. Magic Light verfügt über eine Top- und Seitenbeleuchtung, deren Licht unterschiedlich codiert wird. Je nach Prüfaufgabe wird Seitenlicht, Top-Licht oder eine Mischung aus beiden verwendet, um den optimalen Kontrast für das Prüfmerkmal zu erzeugen.

Permanente optische Kontrolle in Echtzeit oder Endkontrolle am Ende der Bestückung – Vollständigkeitsprüfung, Positions- und Farberkennung, Anwesenheit, Lagerichtigkeit, Polarität und Beschriftung (OCR)

Störende Einflüsse durch Fremdlicht reduzieren sich durch die Codierung um bis zu fünfzig Prozent. Zudem bleibt die Arbeitsplatzbeleuchtung für den Werker konstant angenehm, da beim Umschalten zwischen verschiedenen Beleuchtungsszenarien kein Blitzen auftritt. Während der Mitarbeiter unter stabilen Lichtbedingungen arbeitet, sorgt das System im Hintergrund automatisch für den bestmöglichen Kontrast im Kamerabild.

Flexible Integration in bestehende Prozesse

Das Multi Line Assist lässt sich flexibel an unterschiedliche Produktionsumgebungen anpassen. Es kann sowohl als Komplettlösung mit einem höhenverstellbaren Bestücktisch eingesetzt werden als auch als Auftischlösung zur Nachrüstung bestehender Arbeitsplätze dienen. Ebenso lässt es sich als reines Integrationsmodul in vorhandene Bestücktische einbinden. Eine besonders effiziente Kombination für die THT-Inspektion ergibt sich durch den Einsatz von Multi Line Assist zur Bestückkontrolle direkt vor dem Lötofen – auch bei Baugruppen mit Niederhaltern – und Multi Line THT zur 3D-Lötstelleninspektion unmittelbar nach dem Lötprozess.

oben links: Polmarken lassen sich schwer erkennen, da Teile des Kondensators reflektieren.
oben rechts: Polmarken lassen sich sicher inspizieren.
Mitte links: Schrift nicht erkennbar
Mitte rechts: Schrift lesbar
unten links: Polmarke nicht sichtbar
unten rechts: Polmarke erkennbar

Alle Komponenten – von der Projektionseinheit über Kamera und Beleuchtung bis hin zum Industrie-PC und Elektronikkomponenten – sind in einem kompakten Grundmodul zusammengefasst. Die Software basiert auf der Pilot AOI-Plattform, die bereits für SPI- und CCI-Anwendungen genutzt wird. Programme lassen sich auf Basis von CAD-Daten schnell erstellen, wobei eine Bibliothek wiederverwendbarer Prüfungen den Aufwand zusätzlich reduziert.

Neben der direkten Unterstützung des Werkers liefert das System wertvolle Produktionsdaten. Sämtliche Prüfergebnisse werden in einer Datenbank gespeichert, können statistisch ausgewertet und über Plug-ins an MES-Systeme weitergegeben werden. Dadurch verbessert sich nicht nur die Qualitätssicherung, sondern es wird auch ein wichtiger Schritt in Richtung Digitalisierung und Smart Factory vollzogen.

Fazit

Mit dem Multi Line Assist steigt die Sicherheit und Effektivität bei der manuellen und halbautomatischen THT-Bestückung. Projektion, optische Inspektion und aktuelle Beleuchtungstechnik sorgen für fehlerfreie Prozesse, verkürzte Anlernzeiten und eine nachhaltige Qualitätssteigerung. Angesichts der wachsenden Variantenvielfalt und des zunehmenden Fachkräftemangels bietet das System eine praxisnahe Lösung.

Warum bleibt die THT-Bestückung oft manuell?

THT-Prozesse sind durch Variantenvielfalt, komplexe Geometrien und mechanische Anforderungen schwer vollständig zu automatisieren. Viele Schritte erfordern weiterhin manuelle Präzision, wodurch Assistenzsysteme besonders wertvoll werden.

Was bringt der Einsatz von Bestückassistenzsystemen wie Multi Line Assist?

Das System projiziert Bestückanweisungen direkt ins Sichtfeld, führt Schritt für Schritt durch den Prozess und reduziert Fehler sowie Anlernzeiten. Parallel überwacht ein AOI-Modul die Qualität und dokumentiert alle Ergebnisse lückenlos.

Wie funktioniert die optische Kontrolle mit 47-Megapixel-AOI?

Eine hochauflösende Kamera erkennt fehlende, verdrehte oder falsch orientierte Bauteile. Schrift-, Farb- und Polerkennung stellen sicher, dass Fehler direkt im Prozess entdeckt und korrigiert werden – inklusive Seriennummer-bezogener Dokumentation.

Was macht die Magic Light-Technologie besonders?

Magic Light kombiniert Top- und Seitenbeleuchtung mit codiertem Licht. Dadurch entstehen kontraststarke Prüfmerkmale für Schrift, Polmarken und kleine Bauteile – unabhängig von Störlicht oder komplexen Baugruppenstrukturen.

Wie lässt sich Multi Line Assist in bestehende Prozesse integrieren?

Das System kann als Komplettlösung, Auftischmodul oder Integrationsmodul in Bestücktische eingebunden werden. Eine Kombination mit Multi Line THT ermöglicht effiziente Kontrolle vor und nach dem Lötprozess.

Welche Rolle spielt Datenanbindung für die THT-Fertigung?

Alle Prüfergebnisse werden in einer Datenbank abgelegt, statistisch auswertbar gemacht und per Plug-ins an MES-Systeme übertragen. Damit unterstützt das System Digitalisierung, Rückverfolgbarkeit und Smart-Factory-Anforderungen.

Autoren

Stephan Rabich (li), Softwareentwicklung Inspektionssysteme bei Göpel

Andreas Türk, Produktmanagement Inspektionssysteme bei Göpel