Warum Temperatur zentral für die Halbleiterqualität ist
Temperatur spielt eine zentrale Rolle in der Halbleiterproduktion: Sie beeinflusst Materialien, Prozesse und Bauteilqualität. Doch was passiert, wenn Temperatur nicht nur geregelt, sondern gezielt zur Prozessoptimierung eingesetzt wird?
Klemens ReitingerKlemensReitinger
4 min
Thermische Prozesse prägen die Halbleiterproduktion – gezieltes Temperaturmanagement entscheidet über Performance, Ausbeute und Prozessstabilität.Grispb - stock.adobe.com)
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Hinweis der Redaktion: Wie sich KI, Miniaturisierung und Europas Rolle auf das Temperaturmanagement auswirken, erläutert der Autor in einem kurzen Hintergrundinterview am Ende des Artikels.
Temperatur spielt eine entscheidende, aber oft unsichtbare Rolle in der Halbleiterfertigung. Sie beeinflusst das Verhalten der Materialien, die Herstellung der Bauelemente und letztlich ihre Leistung im realen Einsatz. Jeder Wafer, der in einer Fab verarbeitet wird, durchläuft Hunderte thermischer Zyklen – von Abscheidung und Bonding bis zu Test und Packaging, bei denen selbst ein Grad Unterschied die Zuverlässigkeit, Ausbeute oder Performance beeinflussen kann. Kurz gesagt: Temperaturkontrolle bedeutet Qualitätskontrolle.
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Was bedeutet Thermomanagement konkret? Beispiel Wafer-Probing
Der Thermal Chuck von ERS dient zum Testen von Wafern bei Temperaturen von -60 bis 300 °C.ERS electronic
Man stelle sich ein Auto vor, das an einem Wintermorgen bei –20 °C startet, oder in der Wüstenhitze bei 60 °C unterwegs ist. Ebenso sind die Elektroniksysteme eines Satelliten schnellen thermischen Wechseln im Orbit ausgesetzt, und KI-Server treiben ihre Prozessoren unter hoher Dauerlast an ihre Grenzen. In all diesen Fällen müssen Chips auch bei extremen Temperaturen zuverlässig arbeiten, und diese Stabilität wird bereits beim Wafer-Probing überprüft, wo sie unter verschiedenen thermischen Bedingungen getestet werden.
Das Testen von Chips über einen Temperaturbereich hinweg ist aus zwei Gründen essenziell: Erstens ermöglichen hohe Temperaturen eine beschleunigte Alterungsabschätzung und damit eine Prognose der Lebensdauer. Zweitens müssen Chips für anspruchsvolle Anwendungen wie Automotive oder Aerospace ihre Funktionalität über weite Temperaturbereiche hinweg (typischerweise -40 °C bis 150 °C) nachweisen. Die Qualifizierung unter solchen Extremen stellt sicher, dass sie später im Einsatz ihre Spezifikationen erfüllen.
Im Zentrum steht das Thermal-Chuck-System: eine elektromechanische Plattform, die den Wafer während des Tests fixiert und die Temperatur präzise steuert. Der erste Thermal-Chuck wurde 1970 von Erich Reitinger entwickelt und bildete die Grundlage für ERS (Erich Reitinger Sonderentwicklungen). Die Chucks damals nutzten Peltier-Elemente oder Flüssigkeitskühlung, was jedoch Zuverlässigkeits- und Wartungsprobleme mit sich brachte. 1992 führte ERS einen neuen Standard ein: AirCool – ein System, das Clean Dry Air (CDA) als Hauptkühlmittel nutzt. Heute erreichen die AirCool Chuck-Systeme Temperaturen von -60 °C bis 300 °C, reduzieren dabei die Umweltbelastung und erfüllen dennoch die hohen Anforderungen hinsichtlich Temperaturgleichmäßigkeit.
Die patentierte Luftkühlungstechnologie, die auch heute noch in den Systemen von ERS zum Einsatz kommt.ERS electronic
Während Luftkühlung die meisten Anforderungen des heutigen Wafer-Probing abdeckt, stellen Hochleistungs-Mikroprozessoren, GPUs und Speicherbausteine wie DRAM und NAND eine weitere Herausforderung dar: Sie erzeugen innerhalb von Millisekunden extreme Hitze, was die wertvollen Chips gefährdet. Abhilfe bietet hier ein flüssigkeitsbasiertes Chuck-System, das bis zu 2,5 kW bei -40 °C abführen kann und die Wafer-Temperatur schnell und gleichmäßig stabilisiert.
Auf dieser technologischen Basis entsteht derzeit eine nächste Generation von Temperaturmanagement-Lösungen, die auf die wachsenden thermischen Anforderungen leistungsdichter KI-Beschleuniger, Hochleistungsprozessoren und moderner Speicherbausteine im Wafer-Probing ausgelegt ist.
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Warum führt Warpage zu massiven Ausbeuteverlusten?
Temperatur beeinflusst nicht nur die Leistungsfähigkeit eines Chips, sondern auch seine Form. Wenn sich Materialien durch Erwärmung ausdehnen und bei Abkühlung zusammenziehen, können sich Wafer verbiegen oder verformen – ein Phänomen, das als Warpage (dt. Verzug) bezeichnet wird. Heutige Advanced-Packaging-Strukturen kombinieren Silizium mit Polymeren, Metallen und sogenannte Epoxy Mold Compounds, die jeweils unterschiedliche thermische Ausdehnungskoeffizienten besitzen. Beim Erwärmen und Abkühlen bewegen diese Materialien sich nicht synchron, sodass der Wafer sich durchbiegen oder verdrehen kann. Selbst leichte Verformungen können schwerwiegende Folgen haben, etwa Fehler bei Inspektion und Test sowie Ausbeuteverluste.
Im Zusammenhang mit Untersuchungen zum thermischen Debonding stellte ERS fest, dass präzise Temperaturführung nicht nur Verformungen auslösen, sondern auch gezielt zur Korrektur eingesetzt werden kann. Auf dieser Erkenntnis basiert die Entwicklung der TriTemp-Slide-Technologie. Der TriTemp Slide besteht aus drei unabhängig gesteuerten Chucks, die jeweils je nach Anforderung des Wafers heizen oder kühlen können. Abhängig vom Silizium-zu-Mold Verhältnis werden unterschiedliche Temperaturprofile und Prozessstrategien angewendet, um die Verformung schrittweise zu reduzieren. Der Schlüssel liegt in der Kombination fein abgestimmter thermischer Einwirkung mit einer Hochvakuumbehandlung, die zusammen den kontrollierten Abbau der inneren Spannungen im Wafer ermöglichen. Durch präzises Feintuning dieser Parameter kann das System die Planarität wiederherstellen und die Prozessstabilität nachfolgender Schritte verbessern.
Auch für eine effektive Warpage-Korrektur sind Temperaturgleichmäßigkeit und schnelle Reaktionszeiten entscheidend, da selbst geringe Temperaturunterschiede neue Spannungen erzeugen können. Der TriTemp Slide basiert auf dem bisherigen Entwicklungsstand im Bereich Thermal-Chuck-Design: Jeder Chuck liefert eine außergewöhnlich hohe Temperaturgleichmäßigkeit, die es ermöglicht, Spannungen kontrolliert und vorhersehbar abzubauen, ohne neue Verformungen einzubringen.
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Mit zunehmend komplexeren Baustrukturen und vielfältigeren Materialstapeln wird Warpage künftig noch schwieriger zu beherrschen sein. Zuverlässige Korrekturverfahren werden daher für zukünftige Fertigungslinien unverzichtbar und zu einer immer wichtigeren Grundlage moderner Chipentwicklung.
Eine Debonding- und Warpage-Korrekturmaschine, die kürzlich für ein Forschungsinstitut im ERS-Werk in Barbing gebaut wurde.ERS electronic
So verändert sich das Temperaturmanagement im KI-Zeitalter
Hinsichtlich der neuen thermischen Herausforderungen sind insbesondere KI- und Hochleistungs-Computing-Chips hervorzuheben. Diese erzeugen extreme, ungleichmäßige Wärme, die selbst fortschrittliche Kühlsysteme an ihre Grenzen bringt. Beim Testen müssen Temperaturen innerhalb weniger Sekunden um mehr als 100 °C wechseln, ohne mechanische Spannungen oder Messfehler zu verursachen.
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Gleichzeitig verändern neue Umweltauflagen die Gestaltung von Kühlsystemen. Viele herkömmliche Kühlflüssigkeiten, insbesondere solche mit PFAS-Verbindungen, werden aufgrund ihrer schädlichen Umweltauswirkungen schrittweise verboten. Diese Einschränkungen drängen die Industrie zu saubereren Kühlmitteln und energieeffizienteren Ansätzen im Temperaturmanagement.
Eine weitere Komplexität entsteht durch den Übergang der Industrie vom Wafer-Level- zum Panel-Level-Packaging. Während Wafer-Level-Prozesse runde Substrate verarbeiten, kommen beim Panel-Level-Prozess große rechteckige oder quadratische Substrate zum Einsatz, um Durchsatz und Kosteneffizienz zu verbessern. Diese größeren Panels sind jedoch deutlich anfälliger für thermische Verformungen.
Die Entwicklung panelbasierter Warpage-Korrekturen und thermischer Prozesslösungen begann bei ERS bereits 2018 – zu einem Zeitpunkt, als sich ein Großteil der Branche noch auf waferbasierte Verfahren konzentrierte. Die frühe Auseinandersetzung mit großformatigen Substraten führte zu umfangreicher Praxiserfahrung, die heute in konkrete Lösungen einfließt, während die Panel-Level-Fertigung schrittweise von Pilotprojekten in die Serienproduktion übergeht.
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Verschiedene Erscheinungsformen von Warpage, die bei Panels auftreten.ERS electronic
Die wachsende Komplexität heutiger Bauelemente sowie der zunehmende Druck zu energieeffizienten und nachhaltigeren Produktionsprozessen rücken ein präzises Thermomanagement immer stärker in den Mittelpunkt der Halbleiterfertigung. Gleichzeitig erfordern solche technologischen Weiterentwicklungen erhebliche Investitionen. Mit der europäischen
Beteiligungsgesellschaft Gimv hat ERS hierfür einen starken Partner an seiner
Seite. Denn die Zukunft der Halbleiterleistung hängt nicht nur von Elektronen und Architektur ab, sondern insbesondere davon, wie effektiv wir das unsichtbare Element im Zentrum jedes Prozesses beherrschen: die Temperatur.
Drei Fragen & Antworten mit Klemens Reitinger, ERS electronic
Wie wird sich die zunehmende Integration von KI auf Maschinenebene langfristig auf Test- und Temperaturmanagementsysteme auswirken?
KI wird künftig einen
wesentlichen Teil der Datenanalyse und der vorausschauenden Fehlererkennung in
Testsystemen übernehmen. Dieser Wandel wird die bestehenden Testprozesse
tiefgreifend verändern und sie deutlich effizienter und automatisierter machen.
Für die eigentlichen Temperaturmanagementsysteme fällt der Einfluss weniger
disruptiv aus, auch wenn sich Wartungs- und Servicekonzepte weiterentwickeln
werden – etwa durch KI-gestützte Sensorüberwachung, die potenzielle
Komponentenfehler frühzeitig erkennt. Die größte Veränderung betrifft jedoch
das Testen der Chips selbst: Es müssen deutlich höhere Leistungen in wesentlich
dynamischeren Profilen abgeführt werden, was die Anforderungen an
Temperaturregelung massiv erhöht.
Welche Herausforderungen ergeben sich aus der Miniaturisierung und der gleichzeitigen Zunahme der Leistungsdichte auf Bauteilebene?
Mit der zunehmenden
Miniaturisierung und steigenden Leistungsdichte wird die abzuführende Leistung
deutlich größer, und die thermische Last verändert sich während des
Testprogramms in hoher Dynamik. Temperaturmanagementsysteme müssen daher extrem
schnell und punktgenau reagieren, um lokale Hotspots zu vermeiden und zugleich
die erforderliche Messgenauigkeit sicherzustellen.
Tatsächlich lassen sich die derzeit leistungsstärksten KI- und HPC-Chips unter
realen, hochdynamischen Lastprofilen heute oft nicht zuverlässig auf
Wafer-Level testen – weshalb aufwendige und teure Package-Level-Tests
erforderlich sind. Das ist nicht nur ein technisches, sondern auch ein
erhebliches wirtschaftliches Problem für Hersteller.
Welche Rolle spielt Europa künftig in der globalen Halbleiterlandschaft – und welche strategischen Konsequenzen ergeben sich daraus für mittelständische Anbieter wie ERS?
Die Investitionsbereitschaft in
die europäische Halbleiterindustrie entwickelt sich aus unserer Sicht sehr
positiv. Besonders in Forschung und Entwicklung sowie in spezialisierten
Fertigungstechnologien bietet die geografische Nähe zu europäischen Kunden
klare Vorteile und schafft Raum für innovative, maßgeschneiderte Lösungen.
Gleichzeitig bleibt die Halbleiterindustrie langfristig eine global vernetzte
Wertschöpfungskette. Für mittelständische Anbieter wie ERS bedeutet das,
europäische Stärken zu nutzen und zugleich international präsent zu bleiben, um
technologische Entwicklungen weltweit aktiv mitzugestalten.
Der Autor
Klemens Reitinger kam 1992 nach seinem
Abschluss an der Fachhochschule Wien (Österreich) zu ERS. Er ist seit über 30
Jahren im Unternehmen und heute CTO, verantwortlich für Forschung, Innovation
und Produktentwicklung.