Predictive Maintenance – also die vorausschauende Planung – gilt als ein Grundpfeiler der Integrated Smart Factory und Industry 4.0. Was ist schon heute möglich und wie können Elektronikfertiger Instandhaltungskosten senken? Productronic sprach darüber mit Oliver Kraus, SMT Solutions Manager beim SMT-Lösungsanbieter ASMPT.
Wie sehen Sie die Elektronikfertigung heute im Bereich Wartungsmanagement aufgestellt?
Oliver Kraus: Bei allen Unterschieden fällt auf, dass selbst in großen und gut organisierten Unternehmen häufig noch umständlich und zeitgleich mit einer Vielzahl herstellerspezifischen Tools und Wartungskalendern gearbeitet werden muss. Daneben sind Excel-Listen, Ausdrucke und Ordner auf Laufwerken – also viel klassischer „Papierkrieg“ – nach wie vor an der Tagesordnung. Das macht Instandhaltung starr, unübersichtlich und schwer zu steuern. So ist es unmöglich, den genauen Überblick zu behalten und notwendige Tätigkeiten mit der laufenden Produktion oder anstehenden Aufträgen abzustimmen. Die Folge: Es wird nur reagiert und es werden Wartungsintervalle der Hersteller stur befolgt. Genau so geht das dann auch bei den Wartungsarbeiten weiter: Viele Anweisungen gibt es nur auf Papier und die Dokumentation der Wartungsarbeiten ist schwerfällig und zeitraubend.
Warum sollten Elektronikfertiger möglichst rasch auf Predictive Maintenance setzen?
Oliver Kraus: Der vorrausschauende Ansatz der „Predictive Maintenance“ erlaubt es, Wartungen dann auszuführen, wenn sie wirklich erforderlich sind und wenn die Auswirkungen auf die laufende Produktion sowie den Personal- und Materialaufwand minimiert sind. „Condition Monitoring“ wertet dazu Trends aus Sensordaten der Maschinen aus. So können mögliche Störungen „vorausgesagt“ und eine bedarfsgerechte Wartung durchgeführt werden. Die heute von den Herstellern angegebenen Wartungsintervalle sind in der Regel allgemeine Vorgaben, die nicht an die tatsächliche Beanspruchung und den Nutzungsgrad der Maschinen beim Kunden ausgelegt sind – oft wird die Wartung also unnötigerweise zu früh durchgeführt. Idealerweise sollte sich die Wartung aber nach Belastung, Leistung und Zustand richten. Condition Monitoring macht das möglich und erhöht nicht nur die Maschinenverfügbarkeit durch optimierte Wartungszeitpunkte, sondern trägt signifikant zu einer Qualitätsverbesserung und damit höheren Erträgen bei.
Wie groß sind die Potenziale von Predictive Maintenance?
Oliver Kraus: Nach Expertenschätzungen lassen sich mit dem konsequenten Einsatz von Predictive Maintenance bis zu 70 % aller ungeplanten Ausfälle von Maschinen und Anlagen verhindern. Gleichzeitig lässt sich über das abgestimmte Timing der Wartungsarbeiten und eine optimierte Einsatzplanung der Techniker gut ein Drittel des aktuellen Zeit- und Arbeitsaufwandes einsparen. Letztendlich trägt die verbesserte Planung und Optimierung der Wartungsarbeiten mittel- bis langfristig dann auch noch dazu bei, die Lebensdauer der Maschinen und Anlagen zu verlängern. Die Potenziale sind also sehr bedeutend.
Und die Umsetzung?
Oliver Kraus: In vielen Fertigungen lässt sich Predictive Maintenance noch nicht sofort umfassend und durchgängig implementieren. Um hier Datenlücken zu schließen, müssen entsprechende Systeme und Sensoren installiert, Hardware vorbereitet und auch Erfahrungswerte zur Interpretation von Sensordaten gesammelt werden. Entsprechende KI-Lösungen sind hier vielerorts in der Entwicklung.
Doch Unternehmen können Vorbereitungen treffen und die wichtigen ersten Schritte tun. So braucht es zukunftsfähige Asset-Managementsoftware, die das Monitoring von Maschinen und eine zentrale Steuerung der Wartungs- und Instandhaltungsaktivitäten aller Maschinen unterstützt. Schon heute lassen sich über eine solche zentrale Steuerung und eine Digitalisierung jeglicher Wartungsanweisungen und -hilfen die Instandhaltungskosten und Instandhaltungszeiten dramatisch senken. Mit ASM Factory Equipment Center bietet ASM seinen Kunden beispielsweise eine Lösung, mit der sie bereits heute die Grundlagen für ein erfolgreiches Predictive Maintenance etablieren können.
Was macht diese Lösung besonders?
Oliver Kraus: Wartungstechniker werden bisher nur sehr unzureichend von Software unterstützt und die meisten Hersteller setzen auf proprietäre Lösungen für ihre eigenen Systeme. Hier setzt ASM Factory Equipment Center an: Damit können Wartungskalender, -anweisungen, -hilfen sowie alle Reports und Nachweise für alle erfassten Maschinen – unabhängig vom Hersteller – zentral verwaltet werden. Diese zentrale Instanz erhöht die Transparenz und erleichtert das Wartungsmanagement. Alle Prozessschritte der Wartung werden als Workflows in der Software abgedeckt und teilweise automatisiert – von der zentralen Planung bis hin zur automatisierten Dokumentation.
Welche Rolle spielen Sensorik und offene Schnittstellen?
Oliver Kraus: Wir tracken Sensorsignale aus unseren Maschinen bereits seit vielen Jahren. Aktuelle ASM Maschinen sind dafür heute bereits mit bis zu 35 Sensoren ausgestattet. Sie liefern Daten über Spannungen, Ströme, Temperaturen und vieles mehr. Dieser Bereich wird von ASM kontinuierlich ausgebaut, denn die Fähigkeit zum Auslesen von Sensoren über offene Schnittstellen ist der Schlüssel zur lückenlosen Predictive Maintenance.
Damit die Daten von Maschinen unterschiedlichster Hersteller übernommen werden können, bedarf es einer offenen und leistungsstarken Schnittstelle, die über alle Bereiche hinweg akzeptiert und angeboten wird. In unserer Branche stellt der unabhängige Standard IPC CFX die eindeutig vielversprechendste Lösung dar, um die Daten heterogen zusammengesetzter SMT-Linien zu erfassen und auszuwerten. Über IPC CFX können wir mit ASM Factory Equipment Center Equipment anderer Hersteller und auch deren Sensorsignale integrieren.
Wohin wird die Reise bei der Predictive Maintenance gehen?
Oliver Kraus: Die Möglichkeiten bei der Auswertung von Sensor- und Prozessdaten über Künstliche Intelligenz und Big-Data-Lösungen schreiten rasant voran und werden in zukünftige Versionen von ASM Factory Equipment Center mit einfließen. Dies beginnt relativ einfach, beispielsweise mit der automatischen Verschiebung von Wartungsterminen, wenn Maschinen oder Komponenten deutlich häufiger oder eben weniger oft genutzt und belastet werden. Sensoren und Systeme werden Abnutzungsgrade oder Indikatoren wie unerwartete Temperaturschwankungen messen, zu interpretieren lernen und dies dann entsprechend melden, um den Austausch oder die Reparatur betroffener Teile vorzuziehen. In weiteren Ausbaustufen werden dann KI-Systeme mit leistungsstarken Algorithmen aus Sensor- und Prozessdaten Trends und Muster erkennen, um die Wartung proaktiv zu steuern und mit den Daten aus der Fertigungsplanung zu synchronisieren.
ASM Factory Equipment Center: Fabrikweites Asset- und Maintenance-Management als Basis für Predictive Maintenance
Mit der Möglichkeit, herstellerunabhängig beliebige Maschinen, Systeme, Komponenten oder Tools aller Art zu integrieren, kann mit ASM Factory Equipment Center erstmals ein transparentes, standortweites Asset- und Maintenance-Management aufgebaut werden.
ASM Factory Equipment Center deckt dabei die komplette Prozesskette für Wartung und Instandhaltung ab:
- Visualisierung aller erfassten Assets
- Planung/Scheduling in einem zentralen Wartungskalender
- Herstellerübergreifendes Tracking von Assets und Monitoring von Sensordaten
- Zentrale Bereitstellung von digitalen Wartungsanleitungen, Handbüchern, Checklisten u. v. m.
- Zentrales und transparentes Reporting
- Feeder-Management, sogar als eigenständiges Softwaremodul
- Komplett integriert: Fernwartungslösung ASM Remote Smart Factory
Was gibt es bei der Implementierung zu beachten?
Oliver Kraus: Eine für alle Fertigungen einheitliche Lösung „von der Stange“ kann und wird es nicht geben. Wann und in welchem Umfang Sensorik, KI- und Big-Data-Technologien zum Einsatz kommen sollen, hängt stark von der jeweiligen individuellen Situation einer Elektronikfertigung ab. Nicht überall und für alle Komponenten werden sich alle Evolutionsstufen von Predictive Maintenance wirtschaftlich lohnen.
Unbestritten ist allerdings, dass es bei einer immer flexibleren Fertigung und immer enger getakteten Lieferketten wichtig wird, die Verfügbarkeit zu maximieren und die Instandhaltung an den Anforderungen der Produktion auszurichten. Offenheit ist daher eine ganz entscheidende Eigenschaft bei der Systemauswahl. Modular aufgebaute und sukzessiv erweiterbare Lösungen wie ASM Factory Equipment Center eröffnen Anwendern die Freiheit, ihren Weg zur Integrated Smart Factory und zu Predictive Maintenance in ihrem eigenen Tempo und nach ihren Bedürfnissen zu gehen.