Die additive Herstellung von Werkzeugen mit pulverbettbasiertem Laserstrahlschmelzen (Laser Powder Bed Fusion/LPBF) bietet viele Vorteile: Sie ist wirtschaftlich, präzise und ermöglicht individuelle Lösungen. Doch ist es mitunter schwierig, die optimalen Prozessparameter, wie die Geschwindigkeit oder die Leistung des Lasers, zu bestimmen.
Fraunhofer-Forschende simulieren nun erstmalig den Prozess auf der Mikrostrukturskala, um direkte Zusammenhänge zwischen Werkstückeigenschaften und gewählten Prozessparametern erkennen. Dafür kombinieren sie verschiedene Simulationsmethoden miteinander.
So funktioniert Laser Powder Bed Fusion
Das Prinzip der Laser Powder Bed Fusion: Ein bis zu 50 Mikrometer dickes Pulverbett wird punktgenau via Laser erhitzt. Das Pulver verflüssigt sich, schmilzt zusammen und erhärtet zu einer festen Struktur, sobald der Laser weiterwandert. Dort, wo der Laserstrahl nicht auf das Pulver trifft, bleibt die pulverförmige Konsistenz bestehen. Dieser Prozess wird zahlreiche Male wiederholt, auf diese Weise wächst das Bauteil Schicht für Schicht in die Höhe. Wichtig ist, dass das fertige Bauteil eine Dichte von 100 Prozent und keine Poren aufweist und die jeweils neu aufgebrachte Schicht fest auf der unteren haftet.
Besonders wichtig für die mechanischen Eigenschaften des Werkstücks ist die Mikrostruktur aus metallischen Körnern. Diese weisen bestimmte Orientierungen, Größen und Formen auf und haben großen Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften, etwa das Elastizitätsmodul des Werkstoffs oder die Fließspannung – also die Belastung, ab welcher sich das Material plastisch verformt.
Die Frage ist: Wie steuert man den Prozess so, dass die entstehende Mikrostruktur den späteren Einsatzbedingungen des Bauteils genügt? Hinzu kommt: Bauteile und Werkstücke werden häufig aus verschiedenen metallischen Legierungen hergestellt: aus Stählen, Aluminiumlegierungen, Titanlegierungen in unterschiedlichen Zusammensetzungen und Mischungsverhältnissen. Jeder Legierungswerkstoff besitzt andere Eigenschaften und bildet andere Mikrostrukturen aus.
Simulation der gesamten Prozesskette
Die optimalen Prozessparameter und Materialien zu finden und aufeinander abzustimmen, war bisher ein experimentelles und damit aufwändiges Unterfangen. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM beschreiten nun einen anderen Weg. "Da das Laser Powder Bed Fusion-Verfahren durch neue Materialien und Anforderungen immer komplexer wird, simulieren wir die gesamte Prozesskette", erläutert Dr. Claas Bierwisch, Teamleiter am Fraunhofer IWM. "Auf diese Weise reduzieren wir nicht nur die Versuch-Irrtum-Schleifen, sondern können Variationen im Gesamtprozess schnell und effektiv bewerten und unerwünschte Effekte bei der Herstellung beseitigen."
Vier Simulationsmethoden kombiniert
Das Besondere: Die Forschenden haben dazu verschiedene Simulationsmethoden aneinandergehängt.
- Mit der Diskrete-Elemente-Methode simulieren sie zunächst, wie die einzelnen Pulverpartikel mithilfe eines speziellen Werkzeugs, der Rakel, in den Bauraum eingebracht werden.
- Die darauffolgende "Smoothed Particle Hydrodynamics" simuliert das Aufschmelzen der Pulverpartikel – berechnet werden sowohl Laserinteraktion und Wärmetransport als auch die Oberflächenspannungen, die zum Fließen der Schmelze führen. Auch die Schwerkraft und der Rückstoßdruck, der entsteht, wenn das Material verdampft, gehen in die Berechnung mit ein.
- Für die Ausbildung der späteren Materialeigenschaften muss die Simulation auch die Mikrostruktur des Materials beschreiben. Um diese Mikrostruktur zu analysieren, wurde eine weitere Simulationsmethode angekoppelt, der sogenannte zelluläre Automat. "Dieser beschreibt, wie die metallischen Körner als Funktion vom Temperaturgradienten wachsen", erläutert Bierwisch. Denn bei LPBF wird das Material äußerst schnell aufgeheizt, kühlt dann allerdings auch innerhalb von Millisekunden wieder ab. All dies beeinflusst, wie sich die Mikrostruktur bildet.
- Am Ende steht die Finite-Elemente-Simulation: Mit ihr berechnet das Forscherteam Zugversuche in unterschiedliche Richtungen an einem repräsentativen Ausschnitt des Materials, um zu erfahren, wie der Werkstoff auf diese Belastungen reagiert.
"Während man im Experiment lediglich das Endergebnis untersuchen kann, können wir in der Simulation live zuschauen, was passiert", begeistert sich Bierwisch. Das habe eine gänzlich andere Qualität als das, was im Experiment möglich ist: "Man kann quasi detektivisch Zusammenhänge erkennen."
Das Fraunhofer IWM erläutert seine Methode genauer in einer Reihe von Youtube-Videos, hier ist der erste Teil: