Über den Farbwechsel erkennen die Opto-Sensoren, ob das AGV eine Rechts- oder Linkskurve fahren soll. An Kreuzungen und anderen Schlüsselpunkten sind RFID-Tags im Boden eingelassen, die dem AGV weitere Positionsinformationen geben.

Über den Farbwechsel erkennen die Opto-Sensoren, ob das AGV eine Rechts- oder Linkskurve fahren soll. An Kreuzungen und anderen Schlüsselpunkten sind RFID-Tags im Boden eingelassen, die dem AGV weitere Positionsinformationen geben. (Bild: Turck)

Der LKW- und Automobilzulieferer VDL Weweler im niederländischen Apeldoorn entwickelt und produziert Blattfedern und Luftdruckfedersysteme sowie Spezialachsen für Busse, LKW und LKW-Auflieger. Am Hauptsitz ist die Produktion bereits zu großen Teilen automatisiert und läuft 24 Stunden am Tag, an fünf Tagen in der Woche, um für die Nutzfahrzeugbranche Just-in-Time liefern zu können. Beim Transport von Trägerelementen und Federn für LKW-Auflieger bestand Optimierungsbedarf, denn bis zur Umstellung wurden diese Bauteile zwischen Rohproduktion und Lackierstraße noch von Hand mit Hubwagen bewegt. Dieser Vorgang war kraftaufwändig und verlief nicht in einem geregelten Takt, sondern gesteuert durch ein Produktionssystem.

Unpräziser manueller Transport

Am Ende der Rohproduktion legen Roboter die Trägerelemente und Federn auf ein Gestell, welches Arbeiter anschließend mit dem Hubwagen abholen und diesen an den Aufnahmestationen der Lackierstraße abstellen. Hier heben wiederum Roboter die Bauteile vom Gestell und hängen sie in ein Förderband. Ein Federelement wiegt 35 kg von denen 36 Elemente auf einem Gestell liegen, was ein Gesamtgewicht von annähernd zwei Tonnen ergibt. Der Nachteil der Hubwagen-Lösung: Sie ist körperlich sehr anstrengend. Zudem konnten die Kollegen aufgrund des Hubwagengewichts nicht immer so präzise arbeiten wie ein automatisiertes Fahrzeug. Standen etwa die Ständer nicht exakt in den Passmarken, konnten die Roboter die Träger nicht richtig auflegen oder abheben und kollidierten mit den Gestellen. Dadurch verbogen sich die Gestänge und die Produktion musste angehalten werden. Daher entschieden die Verantwortlichen bei VDL Weweler, den Transport der Gestelle zu automatisieren.

Transportsystem neu entwickelt

„Die Transportlösung für uns musste so flexibel wie möglich sein“, erklärt Bert Eilander, VDL Weweler.

„Die Transportlösung für uns musste so flexibel wie möglich sein“, erklärt Bert Eilander, VDL Weweler. Turck

Zur Entwicklung einer automatisierten Transportlösung wandten sich die Verantwortlichen des Zulieferers an die auf Transportsysteme spezialisierte Firma Movexx International. Der Hersteller hatte bereits zuvor Fahrerlose Transportfahrzeuge, sogenannte AGV (Automated Guided Vehicles), entwickelt und gebaut. Für diese Aufgabe musste jedoch eine komplett neue Lösung gefunden werden. “Die bidirektionale Fahrweise, die extrem niedrige Bauweise zum Unterfahren der Gestelle und die hydraulische Schwerlast-Hebeplatte waren neu“, zählt Andreas Versteeg, Produktmanager AGV bei Movexx, auf. Das AGV muss bidirektional fahren, weil es nur rückwärts wieder aus den Zielstationen herausfahren kann. Außerdem hebt die hydraulische Hebeplatte das Gestell zwei Zentimeter vom Boden an, um es zu transportieren. Neben den beiden Aufnahmestationen (A und B) an der Rohfertigung befinden sich zwei Abnahmestationen (C und D) an der Lackierstraße. Allerdings kann sich das geforderte Transportsystem nach keinem festen Takt zur Lieferung richten, denn mal muss ein Gestell von A nach D, mal ein leeres Gestell von C nach A und so weiter. „Die Transportlösung für uns musste so flexibel wie möglich sein“, erläutert Bert Eilander, Schichtleiter in der Produktion bei VDL Weweler.

Fährt auf dem Strich

Per WLAN bekommt das AGV den Auftrag, das bis zu zwei Tonnen schwere Gestell mit Metallträgern zur Lackier-Straße zu fahren.

Per WLAN bekommt das AGV den Auftrag, das bis zu zwei Tonnen schwere Gestell mit Metallträgern zur Lackier-Straße zu fahren. Turck

Beim Entwickeln des Transportfahrzeugs unterstützte Turck Movexx bereits in der Planungsphase. Die größte Herausforderung in diesem Projekt war die bidirektionale Steuerung des AGVs auf dem Fabrikboden. Turck löste dieses Problem mit einer kombinierten RFID-Kontrastband-Steuerung, wobei auf dem Hallenboden drei Streifen aufgezeichnet sind: ein weißer in der Mitte und je ein schwarzer Streifen links und rechts. Drei Lichtleiter mit angeschlossenen Basisgeräten fokussieren die Streifen und messen deren Helligkeitswert. Dabei wird der Schwellwert so eingestellt, dass das Basisgerät der Sensoren den Unterschied zwischen Schwarz und Weiß erkennt. Fährt das AGV mittig auf dem Leitstreifen, sieht der rechte Lichtleiter schwarz, der mittlere weiß und der linke wiederum schwarz. Beschreibt der Kontrastreifen eine Rechts-Kurve, detektiert der rechte Lichtsensor weiß. Das signalisiert dem AGV eine Rechtskurve zu fahren, wobei über die Steuerung das entsprechende Steuersignal an die Aktorik der Lenkachse gegeben wird. So manövriert das AGV immer seinen ‚Gleisen‘ entlang durch die Fabrikhallen. Da es vorwärts oder rückwärts fahren muss, sind die Lenkachsen und Steuerungssensorik doppelt verbaut.

RFID weist den Weg

Am Motor der Lenkung erkennt ein berührungsloser Winkelgeber den Lenkeinschlag.

Am Motor der Lenkung erkennt ein berührungsloser Winkelgeber den Lenkeinschlag. Turck

Kombiniert ist die optische Linienverfolgung mit RFID-Datenträgern, die an Schlüsselpunkten entlang der Linien auf dem Fabrikboden kleben. Anhand dieser Datenträger erkennt das AGV ob es weiterfahren soll oder anhalten muss. Auch die Geschwindigkeit des AGV wird über diese RFID-Tags geregelt: Kurven und das Andocken in den Stationen erfordern den sogenannte Slow-Modus, auf geraden Strecken den High-Speed-Modus – wobei High-Speed 1 km/h bedeutet. Das klingt zwar langsam, entspricht jedoch der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit für AGVs und reicht für die Applikation völlig aus.

Die Intelligenz des AGVs liegt im übergeordneten IMS (Intergrated Manufacturing System), welches das Transportsystem anweist, zu einem bestimmten Punkt zu fahren. Im AGV übersetzt eine Logik das Ziel in eine Tagnummer und überprüft bei jedem erkannten Tag, ob es stoppen, verzögern oder beschleunigen muss. Anhand der RFID-Tags lenkt und erkennt die Steuerung wann das Fahrzeug seine Zielposition erreicht hat. Dort setzt das AGV dann das Gestell ab und fährt wieder zu einer definierten Position außerhalb der Zelle. Bei Bedarf befiehlt das IMS, ein leeres Gestell in die Fertigungshalle zu befördern.

Außer dem IMS haben nur die Bediener im Kontrollstand die Möglichkeit, dem AGV Aufträge zu geben. Hat beispielsweise der Akku des Transportsystems einen niedrigen Ladezustand erreicht, werden die Anwender vom Scada-System darüber informiert und können dann das Fahrzeug zur Ladestation beordern, um den Akku zu tauschen.

Automation aus einer Hand

Für die bidirektionale Steuerung des AGVs sind für jede Fahrtrichtung drei Lichtleiter mit angeschlossenen Sensoren verbaut.

Für die bidirektionale Steuerung des AGVs sind für jede Fahrtrichtung drei Lichtleiter mit angeschlossenen Sensoren verbaut. Turck

Movexx hat bei der Ausstattung des Transportfahrzeugs aus dem vollen Turck-Portfolio geschöpft: Neben den erwähnten Lichtleitern samt Basisgeräten vom Optosensorik-Partner Banner Engineering, lieferte der Anbieter von Automationsprodukten seinen berührungslosen Sensor QR14 zur Winkelerfassung an den Lenkachsen. Optische Sensoren erkennen den Hub der Plattform, eine K50-Kuppelleuchte von Banner signalisiert den Betriebszustand und ein Laser-Safety-Scanner erfasst, ob sich Objekte auf der Fahrstrecke des AGV befinden. Zudem bestimmen RFID-Datenträger sowie die Schreibleseköpfe am Fahrzeug die Position des AGV.

Für die Navigation, die Verarbeitung von Sensordaten und die Schnittstellen zu anderen Systemen inklusive der Kommunikation mit dem übergeordneten IMS programmierte Turck seine HMI-Steuerung VT250 per Codesys. Sie kommuniziert über eine kabellose TCP/IP-Verbindung (Modbus-TCP) mit dem IMS und kommuniziert als Profibus-Master mit einem BL20-Gateway, an dessen Ein- und Ausgängen die Signale des Fahrzeugs aufgelegt sind.

Das HMI mit Codesys-Steuerung ist im Deckel des Schaltkastens verbaut. Es kommuniziert über Modbus-TCP kabellos mit dem IMS und steuert nahezu alle Systeme des Fahrzeugs.

Das HMI mit Codesys-Steuerung ist im Deckel des Schaltkastens verbaut. Es kommuniziert über Modbus-TCP kabellos mit dem IMS und steuert nahezu alle Systeme des Fahrzeugs. Turck

Vorteil Systemanbieter

Dass alle Produkte von einem Automationsanbieter stammen, erleichtert vieles – nicht nur für die Programmierung – sondern auch für Movexx: „Wir hatten schon die programmierbaren BL67- und BL20-Gateways als Steuerung zu Testzwecken und waren sehr zufrieden“, erklärt Produktmanager Versteeg seine Entscheidung.

Auch VDL Weweler bewertet die gefundene Lösung positiv. Eilander schätzt als Produktionsleiter vor allem die, seit der Einführung der AGVs, ruhigere und gleichmäßige Produktion. Zuvor musste immer gestoppt, repariert und korrigiert werden, wenn ein Roboter Teile nicht abnehmen konnte, weil ein Handwagen schief positioniert war oder andere Fehler zu Unterbrechungen führten. Aufgrund der positiven Erfahrung will der Zulieferer weitere Transportprozesse automatisieren: So plant das Unternehmen, einen anderen Produktionsteil anzubinden, von dem ebenfalls Bauteile zur Lackieranlage gefördert werden müssen. Um diese Teile in einzelnen Batches zu verarbeiten, erfolgt zuvor eine Zwischenlagerung; welche auch mittels AGVs geschehen soll. Außerdem beabsichtigt das Unternehmen, die Zulieferung der Rohstahlblöcke vom Lager an den Schmiedeofen mittels fahrerloser Transportsysteme zu automatisieren.

Interpack: Halle 6 / E09

Gerjan Woelders

ist Automation Systems Engineer bei Turck B.V. in den Niederlanden.

(ml)

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